Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

sitzung ist auch von andern Krankheiten genau unterschie-
den, so daß das Teufel-Austreiben und die Heilung der
Kranken durch Händeauflegen als zwey sehr verschiedene
Dinge dargestellt sind.

Die theoretischen Gründe habe ich theils schon berührt,
theils liegen sie darin, daß die Macht der Unnatur nicht
durch natürliche Mittel, sondern nur durch Waffen, welche
aus der Uebernatur abstammen, besiegt werden kann.

Die Selbstbeobachtungen habe ich durch eigene Anschauung
und Einwirkung bey der Frau U .. n aus J .. m gemacht.

Der wahre Exorcismus ist dasjenige Verfahren,
in welchem der Glaubige die Kraft, welche nun
einmal für allemal mit dem Namen Jesu Christi
und der heiligen Dreifaltigkeit auf eine mystische
Weise vereinigt ist, benützt, und dieselbe auf feyer-
liche Weise und in einem bestimmten Befehl zum
Austreiben der Dämonen gebraucht
.

In diesem Sinne haben ihn die Apostel, die ältesten Kir-
chendiener, die Gemeinden und im Grunde die ganze Kirche
ausgeübt. Da Christus diese Wirkung überhaupt den Glau-
bigen verheißen hat, so ist er kein ausschließliches Recht
der Clerisei; denn jeder Glaubige ist Diener des göttlichen
Wortes und kann das, was Christus verordnet hat, so-
bald er den Beruf dazu in sich fühlt, unter Bedingungen,
welche den Mißbrauch beschränken, ausüben. Die vieler-
lei exorcistischen Formeln scheinen keine besondere Wirkung
in sich zu haben, aber sie dienen dazu, auf eine feyerliche
Weise sowohl in den Energumenen als in den Umstehen-
den, wie auch in den Exorcisten selbst, den Glauben stär-
ker hervorzurufen. Wo dieser Glaube schon feststeht, da ist
das einfachste Ritual der Befehl im Namen Jesu, wie es
Christus selbst nicht anders haben will.

Die einfachste Form, in der zugleich das Außerordent-
lichste, was der Exorcismus aufzuweisen hat, sich zusam-
mengedrängt findet, lehrte uns der Pater Gaßner in den
Jahren 1774--1777. Seine Rechtfertigung gegen die vie-

10 *

ſitzung iſt auch von andern Krankheiten genau unterſchie-
den, ſo daß das Teufel-Austreiben und die Heilung der
Kranken durch Händeauflegen als zwey ſehr verſchiedene
Dinge dargeſtellt ſind.

Die theoretiſchen Gründe habe ich theils ſchon berührt,
theils liegen ſie darin, daß die Macht der Unnatur nicht
durch natürliche Mittel, ſondern nur durch Waffen, welche
aus der Uebernatur abſtammen, beſiegt werden kann.

Die Selbſtbeobachtungen habe ich durch eigene Anſchauung
und Einwirkung bey der Frau U .. n aus J .. m gemacht.

Der wahre Exorcismus iſt dasjenige Verfahren,
in welchem der Glaubige die Kraft, welche nun
einmal für allemal mit dem Namen Jeſu Chriſti
und der heiligen Dreifaltigkeit auf eine myſtiſche
Weiſe vereinigt iſt, benützt, und dieſelbe auf feyer-
liche Weiſe und in einem beſtimmten Befehl zum
Austreiben der Dämonen gebraucht
.

In dieſem Sinne haben ihn die Apoſtel, die älteſten Kir-
chendiener, die Gemeinden und im Grunde die ganze Kirche
ausgeübt. Da Chriſtus dieſe Wirkung überhaupt den Glau-
bigen verheißen hat, ſo iſt er kein ausſchließliches Recht
der Cleriſei; denn jeder Glaubige iſt Diener des göttlichen
Wortes und kann das, was Chriſtus verordnet hat, ſo-
bald er den Beruf dazu in ſich fühlt, unter Bedingungen,
welche den Mißbrauch beſchränken, ausüben. Die vieler-
lei exorciſtiſchen Formeln ſcheinen keine beſondere Wirkung
in ſich zu haben, aber ſie dienen dazu, auf eine feyerliche
Weiſe ſowohl in den Energumenen als in den Umſtehen-
den, wie auch in den Exorciſten ſelbſt, den Glauben ſtär-
ker hervorzurufen. Wo dieſer Glaube ſchon feſtſteht, da iſt
das einfachſte Ritual der Befehl im Namen Jeſu, wie es
Chriſtus ſelbſt nicht anders haben will.

Die einfachſte Form, in der zugleich das Außerordent-
lichſte, was der Exorcismus aufzuweiſen hat, ſich zuſam-
mengedrängt findet, lehrte uns der Pater Gaßner in den
Jahren 1774—1777. Seine Rechtfertigung gegen die vie-

10 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0161" n="147"/>
&#x017F;itzung i&#x017F;t auch von andern Krankheiten genau unter&#x017F;chie-<lb/>
den, &#x017F;o daß das Teufel-Austreiben und die Heilung der<lb/>
Kranken durch Händeauflegen als zwey &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedene<lb/>
Dinge darge&#x017F;tellt &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Die theoreti&#x017F;chen Gründe habe ich theils &#x017F;chon berührt,<lb/>
theils liegen &#x017F;ie darin, daß die Macht der Unnatur nicht<lb/>
durch natürliche Mittel, &#x017F;ondern nur durch Waffen, welche<lb/>
aus der Uebernatur ab&#x017F;tammen, be&#x017F;iegt werden kann.</p><lb/>
          <p>Die Selb&#x017F;tbeobachtungen habe ich durch eigene An&#x017F;chauung<lb/>
und Einwirkung bey der Frau U .. n aus J .. m gemacht.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Der wahre Exorcismus i&#x017F;t dasjenige Verfahren,<lb/>
in welchem der Glaubige die Kraft, welche nun<lb/>
einmal für allemal mit dem Namen Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti<lb/>
und der heiligen Dreifaltigkeit auf eine my&#x017F;ti&#x017F;che<lb/>
Wei&#x017F;e vereinigt i&#x017F;t, benützt, und die&#x017F;elbe auf feyer-<lb/>
liche Wei&#x017F;e und in einem be&#x017F;timmten Befehl zum<lb/>
Austreiben der Dämonen gebraucht</hi>.</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;em Sinne haben ihn die Apo&#x017F;tel, die älte&#x017F;ten Kir-<lb/>
chendiener, die Gemeinden und im Grunde die ganze Kirche<lb/>
ausgeübt. Da Chri&#x017F;tus die&#x017F;e Wirkung überhaupt den Glau-<lb/>
bigen verheißen hat, &#x017F;o i&#x017F;t er kein aus&#x017F;chließliches Recht<lb/>
der Cleri&#x017F;ei; denn jeder Glaubige i&#x017F;t Diener des göttlichen<lb/>
Wortes und kann das, was Chri&#x017F;tus verordnet hat, &#x017F;o-<lb/>
bald er den Beruf dazu in &#x017F;ich fühlt, unter Bedingungen,<lb/>
welche den Mißbrauch be&#x017F;chränken, ausüben. Die vieler-<lb/>
lei exorci&#x017F;ti&#x017F;chen Formeln &#x017F;cheinen keine be&#x017F;ondere Wirkung<lb/>
in &#x017F;ich zu haben, aber &#x017F;ie dienen dazu, auf eine feyerliche<lb/>
Wei&#x017F;e &#x017F;owohl in den Energumenen als in den Um&#x017F;tehen-<lb/>
den, wie auch in den Exorci&#x017F;ten &#x017F;elb&#x017F;t, den Glauben &#x017F;tär-<lb/>
ker hervorzurufen. Wo die&#x017F;er Glaube &#x017F;chon fe&#x017F;t&#x017F;teht, da i&#x017F;t<lb/>
das einfach&#x017F;te Ritual der Befehl im Namen Je&#x017F;u, wie es<lb/>
Chri&#x017F;tus &#x017F;elb&#x017F;t nicht anders haben will.</p><lb/>
          <p>Die einfach&#x017F;te Form, in der zugleich das Außerordent-<lb/>
lich&#x017F;te, was der Exorcismus aufzuwei&#x017F;en hat, &#x017F;ich zu&#x017F;am-<lb/>
mengedrängt findet, lehrte uns der <hi rendition="#g">Pater Gaßner</hi> in den<lb/>
Jahren 1774&#x2014;1777. Seine Rechtfertigung gegen die vie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">10 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0161] ſitzung iſt auch von andern Krankheiten genau unterſchie- den, ſo daß das Teufel-Austreiben und die Heilung der Kranken durch Händeauflegen als zwey ſehr verſchiedene Dinge dargeſtellt ſind. Die theoretiſchen Gründe habe ich theils ſchon berührt, theils liegen ſie darin, daß die Macht der Unnatur nicht durch natürliche Mittel, ſondern nur durch Waffen, welche aus der Uebernatur abſtammen, beſiegt werden kann. Die Selbſtbeobachtungen habe ich durch eigene Anſchauung und Einwirkung bey der Frau U .. n aus J .. m gemacht. Der wahre Exorcismus iſt dasjenige Verfahren, in welchem der Glaubige die Kraft, welche nun einmal für allemal mit dem Namen Jeſu Chriſti und der heiligen Dreifaltigkeit auf eine myſtiſche Weiſe vereinigt iſt, benützt, und dieſelbe auf feyer- liche Weiſe und in einem beſtimmten Befehl zum Austreiben der Dämonen gebraucht. In dieſem Sinne haben ihn die Apoſtel, die älteſten Kir- chendiener, die Gemeinden und im Grunde die ganze Kirche ausgeübt. Da Chriſtus dieſe Wirkung überhaupt den Glau- bigen verheißen hat, ſo iſt er kein ausſchließliches Recht der Cleriſei; denn jeder Glaubige iſt Diener des göttlichen Wortes und kann das, was Chriſtus verordnet hat, ſo- bald er den Beruf dazu in ſich fühlt, unter Bedingungen, welche den Mißbrauch beſchränken, ausüben. Die vieler- lei exorciſtiſchen Formeln ſcheinen keine beſondere Wirkung in ſich zu haben, aber ſie dienen dazu, auf eine feyerliche Weiſe ſowohl in den Energumenen als in den Umſtehen- den, wie auch in den Exorciſten ſelbſt, den Glauben ſtär- ker hervorzurufen. Wo dieſer Glaube ſchon feſtſteht, da iſt das einfachſte Ritual der Befehl im Namen Jeſu, wie es Chriſtus ſelbſt nicht anders haben will. Die einfachſte Form, in der zugleich das Außerordent- lichſte, was der Exorcismus aufzuweiſen hat, ſich zuſam- mengedrängt findet, lehrte uns der Pater Gaßner in den Jahren 1774—1777. Seine Rechtfertigung gegen die vie- 10 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/161
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/161>, abgerufen am 25.04.2024.