Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

isolirt sich die Lichtkraft und wirkt in ihrer Freiheit. Sie
ist auch an keine Leiblichkeit gebunden, aber das Lebens-
princip individualisirt sich in ihm zu lauter Idealen, wie
in der Unnatur zu lauter Scheusalen. Diese beyden Kräfte
stehen auch einem Willen zu Gebote, und wo diese drey
zusammentreffen, da ist das Reich der Engel und Christus
ihr Herrscher. Auch von diesem Reiche aus vermitteln sich
die Kräfte mit der menschlichen Natur, sobald der Wille
des Menschen im lebendigen Glauben sich ihren Einflüssen
öffnet. Diese Einflüsse überwältigen zwar auch die Natur-
gesetze, aber sie sind immer wohlthätiger und segenvoller
Art, während diese der Unnatur immer zerstörend und im
Fluche wirken.

Und nun glaube ich den Einwurf, daß Besitzung und
Zauber nichtig seyen, weil sie gegen den Vernunft- und
Natur-Zusammenhang streiten, in den Hauptpunkten wi-
derlegt zu haben.



Göttliche Zulassung.

Die Frage: Wie reimt sich Besitzung und Zauber mit
der göttlichen Güte und Gerechtigkeit? ist allerdings unter
allen Einwürfen einer der wichtigsten, und wir sind ganz
mit der Ehrfurcht einverstanden, daß lieber alle die erwähn-
ten Thatsachen und ihre Protokolle zu nichte gemacht wer-
den, als daß jenen göttlichen Eigenschaften Abbruch ge-
schehe. Aber zum Glück hat sich bisher alles Böse in
der Welt und alle Uebel und Gebrechen der Menschheit
mit der göttlichen Zulassung, und unbeschadet der Güte
und Gerechtigkeit, vereinigen lassen, und so ist es auch des
Versuches werth, die Teufeleyen unter diesen Gesichtspunkt
zu stellen.

Eine Stimme, die, wie man zu sagen pflegt, schon vor
dem Streich ein Geschrey erhebt, läßt sich auf folgende

iſolirt ſich die Lichtkraft und wirkt in ihrer Freiheit. Sie
iſt auch an keine Leiblichkeit gebunden, aber das Lebens-
princip individualiſirt ſich in ihm zu lauter Idealen, wie
in der Unnatur zu lauter Scheuſalen. Dieſe beyden Kräfte
ſtehen auch einem Willen zu Gebote, und wo dieſe drey
zuſammentreffen, da iſt das Reich der Engel und Chriſtus
ihr Herrſcher. Auch von dieſem Reiche aus vermitteln ſich
die Kräfte mit der menſchlichen Natur, ſobald der Wille
des Menſchen im lebendigen Glauben ſich ihren Einflüſſen
öffnet. Dieſe Einflüſſe überwältigen zwar auch die Natur-
geſetze, aber ſie ſind immer wohlthätiger und ſegenvoller
Art, während dieſe der Unnatur immer zerſtörend und im
Fluche wirken.

Und nun glaube ich den Einwurf, daß Beſitzung und
Zauber nichtig ſeyen, weil ſie gegen den Vernunft- und
Natur-Zuſammenhang ſtreiten, in den Hauptpunkten wi-
derlegt zu haben.



Goͤttliche Zulaſſung.

Die Frage: Wie reimt ſich Beſitzung und Zauber mit
der göttlichen Güte und Gerechtigkeit? iſt allerdings unter
allen Einwürfen einer der wichtigſten, und wir ſind ganz
mit der Ehrfurcht einverſtanden, daß lieber alle die erwähn-
ten Thatſachen und ihre Protokolle zu nichte gemacht wer-
den, als daß jenen göttlichen Eigenſchaften Abbruch ge-
ſchehe. Aber zum Glück hat ſich bisher alles Böſe in
der Welt und alle Uebel und Gebrechen der Menſchheit
mit der göttlichen Zulaſſung, und unbeſchadet der Güte
und Gerechtigkeit, vereinigen laſſen, und ſo iſt es auch des
Verſuches werth, die Teufeleyen unter dieſen Geſichtspunkt
zu ſtellen.

Eine Stimme, die, wie man zu ſagen pflegt, ſchon vor
dem Streich ein Geſchrey erhebt, läßt ſich auf folgende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0195" n="181"/>
i&#x017F;olirt &#x017F;ich die Lichtkraft und wirkt in ihrer Freiheit. Sie<lb/>
i&#x017F;t auch an keine Leiblichkeit gebunden, aber das Lebens-<lb/>
princip individuali&#x017F;irt &#x017F;ich in ihm zu lauter Idealen, wie<lb/>
in der Unnatur zu lauter Scheu&#x017F;alen. Die&#x017F;e beyden Kräfte<lb/>
&#x017F;tehen auch einem Willen zu Gebote, und wo die&#x017F;e drey<lb/>
zu&#x017F;ammentreffen, da i&#x017F;t das Reich der Engel und Chri&#x017F;tus<lb/>
ihr Herr&#x017F;cher. Auch von die&#x017F;em Reiche aus vermitteln &#x017F;ich<lb/>
die Kräfte mit der men&#x017F;chlichen Natur, &#x017F;obald der Wille<lb/>
des Men&#x017F;chen im lebendigen Glauben &#x017F;ich ihren Einflü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
öffnet. Die&#x017F;e Einflü&#x017F;&#x017F;e überwältigen zwar auch die Natur-<lb/>
ge&#x017F;etze, aber &#x017F;ie &#x017F;ind immer wohlthätiger und &#x017F;egenvoller<lb/>
Art, während die&#x017F;e der Unnatur immer zer&#x017F;törend und im<lb/>
Fluche wirken.</p><lb/>
          <p>Und nun glaube ich den Einwurf, daß Be&#x017F;itzung und<lb/>
Zauber nichtig &#x017F;eyen, weil &#x017F;ie gegen den Vernunft- und<lb/>
Natur-Zu&#x017F;ammenhang &#x017F;treiten, in den Hauptpunkten wi-<lb/>
derlegt zu haben.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Go&#x0364;ttliche Zula&#x017F;&#x017F;ung</hi>.</head><lb/>
          <p>Die Frage: Wie reimt &#x017F;ich Be&#x017F;itzung und Zauber mit<lb/>
der göttlichen Güte und Gerechtigkeit? i&#x017F;t allerdings unter<lb/>
allen Einwürfen einer der wichtig&#x017F;ten, und wir &#x017F;ind ganz<lb/>
mit der Ehrfurcht einver&#x017F;tanden, daß lieber alle die erwähn-<lb/>
ten That&#x017F;achen und ihre Protokolle zu nichte gemacht wer-<lb/>
den, als daß jenen göttlichen Eigen&#x017F;chaften Abbruch ge-<lb/>
&#x017F;chehe. Aber zum Glück hat &#x017F;ich bisher alles Bö&#x017F;e in<lb/>
der Welt und alle Uebel und Gebrechen der Men&#x017F;chheit<lb/>
mit der göttlichen Zula&#x017F;&#x017F;ung, und unbe&#x017F;chadet der Güte<lb/>
und Gerechtigkeit, vereinigen la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;o i&#x017F;t es auch des<lb/>
Ver&#x017F;uches werth, die Teufeleyen unter die&#x017F;en Ge&#x017F;ichtspunkt<lb/>
zu &#x017F;tellen.</p><lb/>
          <p>Eine Stimme, die, wie man zu &#x017F;agen pflegt, &#x017F;chon vor<lb/>
dem Streich ein Ge&#x017F;chrey erhebt, läßt &#x017F;ich auf folgende<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0195] iſolirt ſich die Lichtkraft und wirkt in ihrer Freiheit. Sie iſt auch an keine Leiblichkeit gebunden, aber das Lebens- princip individualiſirt ſich in ihm zu lauter Idealen, wie in der Unnatur zu lauter Scheuſalen. Dieſe beyden Kräfte ſtehen auch einem Willen zu Gebote, und wo dieſe drey zuſammentreffen, da iſt das Reich der Engel und Chriſtus ihr Herrſcher. Auch von dieſem Reiche aus vermitteln ſich die Kräfte mit der menſchlichen Natur, ſobald der Wille des Menſchen im lebendigen Glauben ſich ihren Einflüſſen öffnet. Dieſe Einflüſſe überwältigen zwar auch die Natur- geſetze, aber ſie ſind immer wohlthätiger und ſegenvoller Art, während dieſe der Unnatur immer zerſtörend und im Fluche wirken. Und nun glaube ich den Einwurf, daß Beſitzung und Zauber nichtig ſeyen, weil ſie gegen den Vernunft- und Natur-Zuſammenhang ſtreiten, in den Hauptpunkten wi- derlegt zu haben. Goͤttliche Zulaſſung. Die Frage: Wie reimt ſich Beſitzung und Zauber mit der göttlichen Güte und Gerechtigkeit? iſt allerdings unter allen Einwürfen einer der wichtigſten, und wir ſind ganz mit der Ehrfurcht einverſtanden, daß lieber alle die erwähn- ten Thatſachen und ihre Protokolle zu nichte gemacht wer- den, als daß jenen göttlichen Eigenſchaften Abbruch ge- ſchehe. Aber zum Glück hat ſich bisher alles Böſe in der Welt und alle Uebel und Gebrechen der Menſchheit mit der göttlichen Zulaſſung, und unbeſchadet der Güte und Gerechtigkeit, vereinigen laſſen, und ſo iſt es auch des Verſuches werth, die Teufeleyen unter dieſen Geſichtspunkt zu ſtellen. Eine Stimme, die, wie man zu ſagen pflegt, ſchon vor dem Streich ein Geſchrey erhebt, läßt ſich auf folgende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/195
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/195>, abgerufen am 18.04.2024.