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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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die es gebunden wurde, angebunden fand. Dieses fiel Grom-
bach
um so mehr auf, als er sich völlig versichert hatte, daß
bestimmt keines seiner Leute dieses Spiel mit dem Thiere ge-
trieben.

Darauf fing es auf einmal an, allen dreyen Kühen im
Stall ihre Schwänze auf's kunstreichste zu flechten *), so kunst-
reich, als hätte es der geschickteste Bortenmacher gethan und
dann die geflochtenen Schwänze wieder untereinander zu ver-
knüpfen. Machte man die Flechten der Schwänze wieder aus-
einander, so wurden sie bald wieder von unsichtbarer Hand ge-
flochten und das mit einer solchen Geschwindigkeit, daß wenn
man sie kaum gelöst hatte und sogleich wieder in den menschen-
leeren Stall zurückgekehrt war, die Schwänze auch bereits
wieder allen Kühen auf das kunstreichste und pünktlichste ge-
flochten waren, und dieß täglich vier bis fünfmal. Diese Son-
derbarkeit dauerte mehrere Wochen lang tagtäglich fort und
bey der größten Aufmerksamkeit und Begierde, einen Thäter
zu entdecken, gelang dieß doch nie.

In dieser Zeit bekam die Tochter Magdalene einmal, als
sie bey dem Viehe melkend saß, aus der Luft von unsichtbarer
Hand eine so derbe Ohrfeige, daß ihr die Haube vom Kopfe
an die Wand flog, wo sie der auf ihren Schrey herbeygesprun-
gene Vater aufhob.

Oft ließ sich im Stalle eine Katze mit weißem Kopfe und
schwarzem Leibe sehn, von der man nicht wußte woher sie kam,
oder wohin sie bey ihrem Verschwinden ging. Von dieser Katze
wurde das Mädchen einmal angefallen und in den Fuß gebis-
sen, so daß man mehrere Zähne dieses Thires in ihrem Vorder-
fuße sah. **) Nie konnte man dieses Thieres habhaft werden.

*) Dieses Flechten, besonders auch der Pferdsmähnen, findet man
häufig als Geisterspuk. Siehe auch Horsts Zauberbibliothek. In
einer andern, ganz von dieser unabhängigen Geschichte, kommt es
ebenfalls als Geisterspuk vor.
**) Daß man die Zähne dieses Thieres im Fuße des Mädchens sah,
ist kein Beweis, daß diese Bisse von einer wirklichen Katze

die es gebunden wurde, angebunden fand. Dieſes fiel Grom-
bach
um ſo mehr auf, als er ſich völlig verſichert hatte, daß
beſtimmt keines ſeiner Leute dieſes Spiel mit dem Thiere ge-
trieben.

Darauf fing es auf einmal an, allen dreyen Kühen im
Stall ihre Schwänze auf’s kunſtreichſte zu flechten *), ſo kunſt-
reich, als hätte es der geſchickteſte Bortenmacher gethan und
dann die geflochtenen Schwänze wieder untereinander zu ver-
knüpfen. Machte man die Flechten der Schwänze wieder aus-
einander, ſo wurden ſie bald wieder von unſichtbarer Hand ge-
flochten und das mit einer ſolchen Geſchwindigkeit, daß wenn
man ſie kaum gelöſt hatte und ſogleich wieder in den menſchen-
leeren Stall zurückgekehrt war, die Schwänze auch bereits
wieder allen Kühen auf das kunſtreichſte und pünktlichſte ge-
flochten waren, und dieß täglich vier bis fünfmal. Dieſe Son-
derbarkeit dauerte mehrere Wochen lang tagtäglich fort und
bey der größten Aufmerkſamkeit und Begierde, einen Thäter
zu entdecken, gelang dieß doch nie.

In dieſer Zeit bekam die Tochter Magdalene einmal, als
ſie bey dem Viehe melkend ſaß, aus der Luft von unſichtbarer
Hand eine ſo derbe Ohrfeige, daß ihr die Haube vom Kopfe
an die Wand flog, wo ſie der auf ihren Schrey herbeygeſprun-
gene Vater aufhob.

Oft ließ ſich im Stalle eine Katze mit weißem Kopfe und
ſchwarzem Leibe ſehn, von der man nicht wußte woher ſie kam,
oder wohin ſie bey ihrem Verſchwinden ging. Von dieſer Katze
wurde das Mädchen einmal angefallen und in den Fuß gebiſ-
ſen, ſo daß man mehrere Zähne dieſes Thires in ihrem Vorder-
fuße ſah. **) Nie konnte man dieſes Thieres habhaft werden.

*) Dieſes Flechten, beſonders auch der Pferdsmähnen, findet man
häufig als Geiſterſpuk. Siehe auch Horſts Zauberbibliothek. In
einer andern, ganz von dieſer unabhängigen Geſchichte, kommt es
ebenfalls als Geiſterſpuk vor.
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[21/0035] die es gebunden wurde, angebunden fand. Dieſes fiel Grom- bach um ſo mehr auf, als er ſich völlig verſichert hatte, daß beſtimmt keines ſeiner Leute dieſes Spiel mit dem Thiere ge- trieben. Darauf fing es auf einmal an, allen dreyen Kühen im Stall ihre Schwänze auf’s kunſtreichſte zu flechten *), ſo kunſt- reich, als hätte es der geſchickteſte Bortenmacher gethan und dann die geflochtenen Schwänze wieder untereinander zu ver- knüpfen. Machte man die Flechten der Schwänze wieder aus- einander, ſo wurden ſie bald wieder von unſichtbarer Hand ge- flochten und das mit einer ſolchen Geſchwindigkeit, daß wenn man ſie kaum gelöſt hatte und ſogleich wieder in den menſchen- leeren Stall zurückgekehrt war, die Schwänze auch bereits wieder allen Kühen auf das kunſtreichſte und pünktlichſte ge- flochten waren, und dieß täglich vier bis fünfmal. Dieſe Son- derbarkeit dauerte mehrere Wochen lang tagtäglich fort und bey der größten Aufmerkſamkeit und Begierde, einen Thäter zu entdecken, gelang dieß doch nie. In dieſer Zeit bekam die Tochter Magdalene einmal, als ſie bey dem Viehe melkend ſaß, aus der Luft von unſichtbarer Hand eine ſo derbe Ohrfeige, daß ihr die Haube vom Kopfe an die Wand flog, wo ſie der auf ihren Schrey herbeygeſprun- gene Vater aufhob. Oft ließ ſich im Stalle eine Katze mit weißem Kopfe und ſchwarzem Leibe ſehn, von der man nicht wußte woher ſie kam, oder wohin ſie bey ihrem Verſchwinden ging. Von dieſer Katze wurde das Mädchen einmal angefallen und in den Fuß gebiſ- ſen, ſo daß man mehrere Zähne dieſes Thires in ihrem Vorder- fuße ſah. **) Nie konnte man dieſes Thieres habhaft werden. *) Dieſes Flechten, beſonders auch der Pferdsmähnen, findet man häufig als Geiſterſpuk. Siehe auch Horſts Zauberbibliothek. In einer andern, ganz von dieſer unabhängigen Geſchichte, kommt es ebenfalls als Geiſterſpuk vor. **) Daß man die Zähne dieſes Thieres im Fuße des Mädchens ſah, iſt kein Beweis, daß dieſe Biſſe von einer wirklichen Katze

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/35>, abgerufen am 28.03.2024.