Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klein, Felix: Über Riemann's Theorie der Algebraischen Functionen und ihrer Integrale. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Abschnitt II. - Exposition der Riemann'schen Theorie.
§. 8. Classification geschlossener Flächen nach der Zahl p.

Für unsere Betrachtungen sind selbstverständlich alle diejenigen geschlossenen Fächen als aequivalent aufzufassen, die sich durch eindeutige Zuordnung conform auf einander abbilden lassen. Denn jede complexe Function des Ortes auf der einen Fläche wird sich bei einer solchen Abbildung in eine ebensolche Function auf der anderen Fläche verwandeln: die analytische Beziehung also, welche durch das Zusammenbestehen zweier complexer Functionen auf der einen Fläche versinnlicht wird, bleibt beim Uebergange zur zweiten Fläche durchaus ungeändert. Wenn man also z. B. (zufolge bekannter Entwickelungen) das Ellipsoid derart conform auf die Kugel beziehen kann, dass jedem Puncte desselben ein und nur ein Kugelpunct entspricht, so heisst diess für uns, dass das Ellipsoid ebenso geeignet ist, die rationalen Functionen und ihre Integrale zu repräsentiren, wie die Kugel.

Um so wichtiger ist es, ein Element kennen zu lernen, welches nicht nur bei conformer, sondern überhaupt bei eindeutiger Umgestaltung einer Fläche ungeändert erhalten bleibt. Es ist diess das Riemann'sche p: die Zahl der

Die in diesem Paragraphen gegebene Darstellung weicht von der durch Riemann selbst gegebenen zumal dadurch ab, dass Flächen mit Randcurven vorab überhaupt nicht in Betracht gezogen werden und also statt der Querschnitte, die von einem Randpuncte zu einem zweiten laufen, sogenannte Rückkehrschnitte zur Verwendung gelangen (vgl. C. Neumann, Vorlesungen über Riemann's Theorie der Abel'schen Integrale, p. 291 ff.).
Es ist immer nur an Umformung durch stetige Functionen gedacht. Ueberdies sollen bei den willkürlichen Flächen des Textes bis auf Weiteres gewisse besondere Vorkommnisse ausgeschlossen sein. Es ist am Besten, sich dieselben ohne alle singuläre Puncte zu denken; erst später kommen Verzweigungspuncte und damit Selbstdurchsetzungen der Fläche in Betracht (§. 13). Die Flächen dürfen jedenfalls keine Doppelflächen sein, bei denen man von einer Flächenseite durch continuirliches Fortschreiten auf der Fläche zur anderen Flächenseite gelangen kann; man vergleiche indess §. 23. Ueberdiess wird vorausgesetzt -- wie man es immer thut, wenn man sich eine geschlossene Fläche als fertig gegeben denkt -- dass die Fläche durch eine endliche Zahl von Schnitten in einfach zusammenhängende Theile zerlegt werden kann.
Abschnitt II. - Exposition der Riemann'schen Theorie.
§. 8. Classification geschlossener Flächen nach der Zahl p.

Für unsere Betrachtungen sind selbstverständlich alle diejenigen geschlossenen Fächen als aequivalent aufzufassen, die sich durch eindeutige Zuordnung conform auf einander abbilden lassen. Denn jede complexe Function des Ortes auf der einen Fläche wird sich bei einer solchen Abbildung in eine ebensolche Function auf der anderen Fläche verwandeln: die analytische Beziehung also, welche durch das Zusammenbestehen zweier complexer Functionen auf der einen Fläche versinnlicht wird, bleibt beim Uebergange zur zweiten Fläche durchaus ungeändert. Wenn man also z. B. (zufolge bekannter Entwickelungen) das Ellipsoid derart conform auf die Kugel beziehen kann, dass jedem Puncte desselben ein und nur ein Kugelpunct entspricht, so heisst diess für uns, dass das Ellipsoid ebenso geeignet ist, die rationalen Functionen und ihre Integrale zu repräsentiren, wie die Kugel.

Um so wichtiger ist es, ein Element kennen zu lernen, welches nicht nur bei conformer, sondern überhaupt bei eindeutiger Umgestaltung einer Fläche ungeändert erhalten bleibt. Es ist diess das Riemann'sche p: die Zahl der

Die in diesem Paragraphen gegebene Darstellung weicht von der durch Riemann selbst gegebenen zumal dadurch ab, dass Flächen mit Randcurven vorab überhaupt nicht in Betracht gezogen werden und also statt der Querschnitte, die von einem Randpuncte zu einem zweiten laufen, sogenannte Rückkehrschnitte zur Verwendung gelangen (vgl. C. Neumann, Vorlesungen über Riemann's Theorie der Abel'schen Integrale, p. 291 ff.).
Es ist immer nur an Umformung durch stetige Functionen gedacht. Ueberdies sollen bei den willkürlichen Flächen des Textes bis auf Weiteres gewisse besondere Vorkommnisse ausgeschlossen sein. Es ist am Besten, sich dieselben ohne alle singuläre Puncte zu denken; erst später kommen Verzweigungspuncte und damit Selbstdurchsetzungen der Fläche in Betracht (§. 13). Die Flächen dürfen jedenfalls keine Doppelflächen sein, bei denen man von einer Flächenseite durch continuirliches Fortschreiten auf der Fläche zur anderen Flächenseite gelangen kann; man vergleiche indess §. 23. Ueberdiess wird vorausgesetzt — wie man es immer thut, wenn man sich eine geschlossene Fläche als fertig gegeben denkt — dass die Fläche durch eine endliche Zahl von Schnitten in einfach zusammenhängende Theile zerlegt werden kann.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0033" n="25"/>
      <div n="1">
        <head>Abschnitt II. - Exposition der Riemann'schen Theorie.</head><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 8. Classification geschlossener Flächen nach der Zahl <hi rendition="#i">p</hi>.<note place="foot"><p>Die in diesem Paragraphen gegebene Darstellung weicht von
 der durch Riemann selbst gegebenen zumal dadurch ab, dass Flächen
 mit Randcurven vorab überhaupt nicht in Betracht gezogen werden
 und also statt der Querschnitte, die von einem Randpuncte zu einem
 zweiten laufen, sogenannte <hi rendition="#i">Rückkehrschnitte</hi> zur Verwendung gelangen
 (vgl. C. Neumann, Vorlesungen über Riemann's Theorie der Abel'schen
 Integrale, p. 291 ff.).</p></note></head><lb/>
          <p>Für unsere Betrachtungen sind selbstverständlich alle diejenigen
 geschlossenen Fächen als aequivalent aufzufassen,
 die sich durch eindeutige Zuordnung conform auf einander
 abbilden lassen. Denn jede complexe Function des Ortes auf
 der einen Fläche wird sich bei einer solchen Abbildung in
 eine ebensolche Function auf der anderen Fläche verwandeln:
 die analytische Beziehung also, welche durch das Zusammenbestehen
 zweier complexer Functionen auf der einen Fläche
 versinnlicht wird, bleibt beim Uebergange zur zweiten Fläche
 durchaus ungeändert. Wenn man also z. B. (zufolge bekannter
 Entwickelungen) das Ellipsoid derart conform auf die Kugel
 beziehen kann, dass jedem Puncte desselben ein und nur ein
 Kugelpunct entspricht, so heisst diess für uns, dass das
 Ellipsoid ebenso geeignet ist, die rationalen Functionen und
 ihre Integrale zu repräsentiren, wie die Kugel.</p>
          <p>Um so wichtiger ist es, ein Element kennen zu lernen,
 welches nicht nur bei conformer, sondern überhaupt bei <hi rendition="#i">eindeutiger</hi> Umgestaltung einer Fläche ungeändert erhalten
 bleibt<note place="foot"><p>Es ist immer nur an Umformung durch <hi rendition="#i">stetige</hi> Functionen gedacht.
 Ueberdies sollen bei den willkürlichen Flächen des Textes bis
 auf Weiteres gewisse besondere Vorkommnisse ausgeschlossen sein.
 Es ist am Besten, sich dieselben ohne alle singuläre Puncte zu denken;
 erst später kommen Verzweigungspuncte und damit Selbstdurchsetzungen
 der Fläche in Betracht (§. 13). Die Flächen dürfen jedenfalls keine <hi rendition="#i">Doppelflächen</hi> sein, bei denen man von einer Flächenseite durch continuirliches
 Fortschreiten auf der Fläche zur anderen Flächenseite gelangen
 kann; man vergleiche indess §. 23. Ueberdiess wird vorausgesetzt &#x2014; wie
 man es immer thut, wenn man sich eine geschlossene
 Fläche als <hi rendition="#i">fertig</hi> gegeben denkt &#x2014; dass die Fläche durch eine <hi rendition="#i">endliche</hi> Zahl von Schnitten in einfach zusammenhängende Theile zerlegt
 werden kann.</p></note>. <hi rendition="#i">Es ist diess das <hi rendition="#g">Riemann</hi>'sche p:</hi> die Zahl der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0033] Abschnitt II. - Exposition der Riemann'schen Theorie. §. 8. Classification geschlossener Flächen nach der Zahl p. Für unsere Betrachtungen sind selbstverständlich alle diejenigen geschlossenen Fächen als aequivalent aufzufassen, die sich durch eindeutige Zuordnung conform auf einander abbilden lassen. Denn jede complexe Function des Ortes auf der einen Fläche wird sich bei einer solchen Abbildung in eine ebensolche Function auf der anderen Fläche verwandeln: die analytische Beziehung also, welche durch das Zusammenbestehen zweier complexer Functionen auf der einen Fläche versinnlicht wird, bleibt beim Uebergange zur zweiten Fläche durchaus ungeändert. Wenn man also z. B. (zufolge bekannter Entwickelungen) das Ellipsoid derart conform auf die Kugel beziehen kann, dass jedem Puncte desselben ein und nur ein Kugelpunct entspricht, so heisst diess für uns, dass das Ellipsoid ebenso geeignet ist, die rationalen Functionen und ihre Integrale zu repräsentiren, wie die Kugel. Um so wichtiger ist es, ein Element kennen zu lernen, welches nicht nur bei conformer, sondern überhaupt bei eindeutiger Umgestaltung einer Fläche ungeändert erhalten bleibt . Es ist diess das Riemann'sche p: die Zahl der Die in diesem Paragraphen gegebene Darstellung weicht von der durch Riemann selbst gegebenen zumal dadurch ab, dass Flächen mit Randcurven vorab überhaupt nicht in Betracht gezogen werden und also statt der Querschnitte, die von einem Randpuncte zu einem zweiten laufen, sogenannte Rückkehrschnitte zur Verwendung gelangen (vgl. C. Neumann, Vorlesungen über Riemann's Theorie der Abel'schen Integrale, p. 291 ff.). Es ist immer nur an Umformung durch stetige Functionen gedacht. Ueberdies sollen bei den willkürlichen Flächen des Textes bis auf Weiteres gewisse besondere Vorkommnisse ausgeschlossen sein. Es ist am Besten, sich dieselben ohne alle singuläre Puncte zu denken; erst später kommen Verzweigungspuncte und damit Selbstdurchsetzungen der Fläche in Betracht (§. 13). Die Flächen dürfen jedenfalls keine Doppelflächen sein, bei denen man von einer Flächenseite durch continuirliches Fortschreiten auf der Fläche zur anderen Flächenseite gelangen kann; man vergleiche indess §. 23. Ueberdiess wird vorausgesetzt — wie man es immer thut, wenn man sich eine geschlossene Fläche als fertig gegeben denkt — dass die Fläche durch eine endliche Zahl von Schnitten in einfach zusammenhängende Theile zerlegt werden kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen.
  • Der Zeilenfall wurde nicht beibehalten, die Silbentrennung wurde aufgehoben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klein_riemann_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klein_riemann_1882/33
Zitationshilfe: Klein, Felix: Über Riemann's Theorie der Algebraischen Functionen und ihrer Integrale. Leipzig, 1882, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klein_riemann_1882/33>, abgerufen am 19.03.2024.