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Klein, Felix: Über Riemann's Theorie der Algebraischen Functionen und ihrer Integrale. Leipzig, 1882.

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Strömung eine stationäre ist. Die Curven Const. heissen die Niveaucurven, während die Curven Const., die vermöge (1) den ersteren überall rechtwinkelig begegnen, die Strömungscurven abgeben.

Bei dieser Vorstellungsweise ist es zunächst natürlich völlig gleichgültig, wie beschaffen wir uns die strömende Flüssigkeit denken wollen. Inzwischen wird es in der Folge vielfach zweckmässig sein, dieselbe mit dem elektrischen Fluidum zu identificiren. Es wird dann nämlich u mit dem elektrostatischen Potential, welches die Strömung hervorruft, proportional, und die experimentelle Physik gibt uns mannigfache Mittel an die Hand, um zahlreiche Strömungszustände, die uns interessiren, thatsächlich zu realisiren.

Die Strömung selbst wird übrigens ungeändert bleiben, wenn wir u durchweg um eine Constante vermehren: es sind nur die Differentialquotienten , welche unmittelbar in Evidenz treten. Das Analoge gilt von v; so dass die Function , welche wir physikalisch deuten, durch diese Deutung nur bis auf eine additive Constante bestimmt ist, was im Folgenden wohl zu beachten ist.

Sodann bemerke man noch, dass die Gleichungen (1)-(3) ungeändert bestehen bleiben, wenn man u durch v, v durch ersetzt. Dementsprechend erhalten wir einen zweiten Strömungszustand, bei welchem v das Geschwindigkeitspotential abgibt und die Curven Const. die Strömungscurven sind. Derselbe repräsentirt in dem oben erläuterten Sinne die Function . Es ist häufig zweckmässig, diese neue Strömung neben der ursprünglichen zu betrachten, bei welcher u das Geschwindigkeitspotential war; wir wollen dann der Kürze halber von conjugirten Strömungen sprechen. Die Benennung ist zwar etwas ungenau, weil sich u zu v verhält, wie v zu ; sie wird aber für später ausreichen.

Diese ganze Erläuterung bezieht sich, gleich den Differentialgleichungen (1)-(3), zuvörderst nur auf einen solchen (übrigens beliebigen) Theil der Ebene, in welchem eindeutig ist und weder , noch einer seiner Differentialquotienten unendlich wird. Um den entsprechenden physikalischen Vorgang deutlich zu übersehen, hat man sich also vorab einen solchen Bereich abzugränzen und durch geeignete

Strömung eine stationäre ist. Die Curven Const. heissen die Niveaucurven, während die Curven Const., die vermöge (1) den ersteren überall rechtwinkelig begegnen, die Strömungscurven abgeben.

Bei dieser Vorstellungsweise ist es zunächst natürlich völlig gleichgültig, wie beschaffen wir uns die strömende Flüssigkeit denken wollen. Inzwischen wird es in der Folge vielfach zweckmässig sein, dieselbe mit dem elektrischen Fluidum zu identificiren. Es wird dann nämlich u mit dem elektrostatischen Potential, welches die Strömung hervorruft, proportional, und die experimentelle Physik gibt uns mannigfache Mittel an die Hand, um zahlreiche Strömungszustände, die uns interessiren, thatsächlich zu realisiren.

Die Strömung selbst wird übrigens ungeändert bleiben, wenn wir u durchweg um eine Constante vermehren: es sind nur die Differentialquotienten , welche unmittelbar in Evidenz treten. Das Analoge gilt von v; so dass die Function , welche wir physikalisch deuten, durch diese Deutung nur bis auf eine additive Constante bestimmt ist, was im Folgenden wohl zu beachten ist.

Sodann bemerke man noch, dass die Gleichungen (1)-(3) ungeändert bestehen bleiben, wenn man u durch v, v durch ersetzt. Dementsprechend erhalten wir einen zweiten Strömungszustand, bei welchem v das Geschwindigkeitspotential abgibt und die Curven Const. die Strömungscurven sind. Derselbe repräsentirt in dem oben erläuterten Sinne die Function . Es ist häufig zweckmässig, diese neue Strömung neben der ursprünglichen zu betrachten, bei welcher u das Geschwindigkeitspotential war; wir wollen dann der Kürze halber von conjugirten Strömungen sprechen. Die Benennung ist zwar etwas ungenau, weil sich u zu v verhält, wie v zu ; sie wird aber für später ausreichen.

Diese ganze Erläuterung bezieht sich, gleich den Differentialgleichungen (1)-(3), zuvörderst nur auf einen solchen (übrigens beliebigen) Theil der Ebene, in welchem eindeutig ist und weder , noch einer seiner Differentialquotienten unendlich wird. Um den entsprechenden physikalischen Vorgang deutlich zu übersehen, hat man sich also vorab einen solchen Bereich abzugränzen und durch geeignete

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          <p>Bei dieser Vorstellungsweise ist es zunächst natürlich
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 Flüssigkeit denken wollen. Inzwischen wird es in der Folge
 vielfach zweckmässig sein, dieselbe mit dem <hi rendition="#i">elektrischen Fluidum</hi> zu identificiren. Es wird dann nämlich <hi rendition="#i">u</hi> mit dem elektrostatischen
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 und die experimentelle Physik gibt uns mannigfache
 Mittel an die Hand, um zahlreiche Strömungszustände, die
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 nur bis auf eine additive Constante bestimmt ist, was im
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 abgibt und die Curven <formula notation="TeX">u =</formula> Const. die Strömungscurven
 sind. Derselbe repräsentirt in dem oben erläuterten Sinne
 die Function <formula notation="TeX">v-ui</formula>. Es ist häufig zweckmässig, diese neue
 Strömung neben der ursprünglichen zu betrachten, bei welcher <hi rendition="#i">u</hi> das Geschwindigkeitspotential war; wir wollen dann der
 Kürze halber von <hi rendition="#i">conjugirten</hi> Strömungen sprechen. Die
 Benennung ist zwar etwas ungenau, weil sich <hi rendition="#i">u</hi> zu <hi rendition="#i">v</hi> verhält,
 wie <hi rendition="#i">v</hi> zu <formula notation="TeX">(-u)</formula>; sie wird aber für später ausreichen.</p>
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[2/0010] Strömung eine stationäre ist. Die Curven [FORMEL] Const. heissen die Niveaucurven, während die Curven [FORMEL] Const., die vermöge (1) den ersteren überall rechtwinkelig begegnen, die Strömungscurven abgeben. Bei dieser Vorstellungsweise ist es zunächst natürlich völlig gleichgültig, wie beschaffen wir uns die strömende Flüssigkeit denken wollen. Inzwischen wird es in der Folge vielfach zweckmässig sein, dieselbe mit dem elektrischen Fluidum zu identificiren. Es wird dann nämlich u mit dem elektrostatischen Potential, welches die Strömung hervorruft, proportional, und die experimentelle Physik gibt uns mannigfache Mittel an die Hand, um zahlreiche Strömungszustände, die uns interessiren, thatsächlich zu realisiren. Die Strömung selbst wird übrigens ungeändert bleiben, wenn wir u durchweg um eine Constante vermehren: es sind nur die Differentialquotienten [FORMEL], welche unmittelbar in Evidenz treten. Das Analoge gilt von v; so dass die Function [FORMEL], welche wir physikalisch deuten, durch diese Deutung nur bis auf eine additive Constante bestimmt ist, was im Folgenden wohl zu beachten ist. Sodann bemerke man noch, dass die Gleichungen (1)-(3) ungeändert bestehen bleiben, wenn man u durch v, v durch [FORMEL] ersetzt. Dementsprechend erhalten wir einen zweiten Strömungszustand, bei welchem v das Geschwindigkeitspotential abgibt und die Curven [FORMEL] Const. die Strömungscurven sind. Derselbe repräsentirt in dem oben erläuterten Sinne die Function [FORMEL]. Es ist häufig zweckmässig, diese neue Strömung neben der ursprünglichen zu betrachten, bei welcher u das Geschwindigkeitspotential war; wir wollen dann der Kürze halber von conjugirten Strömungen sprechen. Die Benennung ist zwar etwas ungenau, weil sich u zu v verhält, wie v zu [FORMEL]; sie wird aber für später ausreichen. Diese ganze Erläuterung bezieht sich, gleich den Differentialgleichungen (1)-(3), zuvörderst nur auf einen solchen (übrigens beliebigen) Theil der Ebene, in welchem [FORMEL] eindeutig ist und weder [FORMEL], noch einer seiner Differentialquotienten unendlich wird. Um den entsprechenden physikalischen Vorgang deutlich zu übersehen, hat man sich also vorab einen solchen Bereich abzugränzen und durch geeignete

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Zitationshilfe: Klein, Felix: Über Riemann's Theorie der Algebraischen Functionen und ihrer Integrale. Leipzig, 1882, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klein_riemann_1882/10>, abgerufen am 28.03.2024.