Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
der Wahnsinn, dieser Dietrich aller Herzen, eröffnet
das ihrige; kein Mensch vermag das Geheimniß, das
in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und prüft, da sie
sich ein wenig erholt hat, den Schritt, und schnürt
ihr Bündel, und tritt, beim Strahl der Morgen-
sonne, in die Thür: wohin? fragt sie die Magd;
zum Grafen Wetter vom Strahl antwortet sie, und
verschwindet.
Wenzel.
Es ist nicht möglich!
Hans.
Verschwindet?
Wenzel.
Und läßt Alles hinter sich zurück?
Hans.
Eigenthum, Heimath und den Bräutigam, dem
sie verlobt war?
Wenzel.
Und begehrt auch deines Seegens nicht einmal?
Theobald.
Verschwindet, ihr Herren -- Verläßt mich und
Alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur sie knüpf-
ten -- Küßt mir die Augen, die schlummernden, und
verschwindet; ich wollte, sie hätte sie mir zugedrückt.
Wenzel.
Beim Himmel! Ein seltsamer Vorfall. --
der Wahnſinn, dieſer Dietrich aller Herzen, eröffnet
das ihrige; kein Menſch vermag das Geheimniß, das
in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und prüft, da ſie
ſich ein wenig erholt hat, den Schritt, und ſchnürt
ihr Bündel, und tritt, beim Strahl der Morgen-
ſonne, in die Thür: wohin? fragt ſie die Magd;
zum Grafen Wetter vom Strahl antwortet ſie, und
verſchwindet.
Wenzel.
Es iſt nicht möglich!
Hans.
Verſchwindet?
Wenzel.
Und läßt Alles hinter ſich zurück?
Hans.
Eigenthum, Heimath und den Bräutigam, dem
ſie verlobt war?
Wenzel.
Und begehrt auch deines Seegens nicht einmal?
Theobald.
Verſchwindet, ihr Herren — Verläßt mich und
Alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur ſie knüpf-
ten — Küßt mir die Augen, die ſchlummernden, und
verſchwindet; ich wollte, ſie hätte ſie mir zugedrückt.
Wenzel.
Beim Himmel! Ein ſeltſamer Vorfall. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#THE">
            <p><pb facs="#f0021" n="15"/>
der Wahn&#x017F;inn, die&#x017F;er Dietrich aller Herzen, eröffnet<lb/>
das ihrige; kein Men&#x017F;ch vermag das Geheimniß, das<lb/>
in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und prüft, da &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich ein wenig erholt hat, den Schritt, und &#x017F;chnürt<lb/>
ihr Bündel, und tritt, beim Strahl der Morgen-<lb/>
&#x017F;onne, in die Thür: wohin? fragt &#x017F;ie die Magd;<lb/>
zum Grafen Wetter vom Strahl antwortet &#x017F;ie, und<lb/>
ver&#x017F;chwindet.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Wenzel</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t nicht möglich!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#HAN">
            <speaker><hi rendition="#g">Hans</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ver&#x017F;chwindet?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Wenzel</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Und läßt Alles hinter &#x017F;ich zurück?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#HAN">
            <speaker><hi rendition="#g">Hans</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Eigenthum, Heimath und den Bräutigam, dem<lb/>
&#x017F;ie verlobt war?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Wenzel</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Und begehrt auch deines Seegens nicht einmal?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#THE">
            <speaker><hi rendition="#g">Theobald</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Ver&#x017F;chwindet, ihr Herren &#x2014; Verläßt mich und<lb/>
Alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur &#x017F;ie knüpf-<lb/>
ten &#x2014; Küßt mir die Augen, die &#x017F;chlummernden, und<lb/>
ver&#x017F;chwindet; ich wollte, &#x017F;ie hätte &#x017F;ie mir zugedrückt.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WEN">
            <speaker><hi rendition="#g">Wenzel</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Beim Himmel! Ein &#x017F;elt&#x017F;amer Vorfall. &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0021] der Wahnſinn, dieſer Dietrich aller Herzen, eröffnet das ihrige; kein Menſch vermag das Geheimniß, das in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und prüft, da ſie ſich ein wenig erholt hat, den Schritt, und ſchnürt ihr Bündel, und tritt, beim Strahl der Morgen- ſonne, in die Thür: wohin? fragt ſie die Magd; zum Grafen Wetter vom Strahl antwortet ſie, und verſchwindet. Wenzel. Es iſt nicht möglich! Hans. Verſchwindet? Wenzel. Und läßt Alles hinter ſich zurück? Hans. Eigenthum, Heimath und den Bräutigam, dem ſie verlobt war? Wenzel. Und begehrt auch deines Seegens nicht einmal? Theobald. Verſchwindet, ihr Herren — Verläßt mich und Alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur ſie knüpf- ten — Küßt mir die Augen, die ſchlummernden, und verſchwindet; ich wollte, ſie hätte ſie mir zugedrückt. Wenzel. Beim Himmel! Ein ſeltſamer Vorfall. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/21
Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/21>, abgerufen am 16.04.2024.