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Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.

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Himmel herabgeschneit wäre! Und da ich zu den
Knechten, die im Grase herumliegen, sage: Ei, was
der Teufel! Das ist ja das Käthchen von Heilbronn!
schlägt sie die Augen auf, und bindet sich das Hüt-
lein zusammen, das ihr schlafend vom Haupt herab-
gerutscht war. Katharine! ruf ich: Mädel! Wo
kömmst auch her? Auf funfzehn Meilen von Heil-
bronn, fernab am Gestade des Rheins? "Hab' ein
Geschäft, gestrenger Herr," antwortet sie, "das mich
gen Straßburg führt; schauert mich im Wald so ein-
sam zu wandern, und schlug mich zu euch." Drauf laß
ich ihr zur Erfrischung reichen, was mir Gottschalk,
der Knecht, mit sich führt, und erkundige mich: wie
der Sturz abgelaufen? auch, was der Vater macht?
Und was sie in Straßburg zu erschaffen denke? Doch
da sie nicht freiherzig mit der Sprache herausrückt:
was auch gehts dich an, denk' ich; ding' ihr einen
Boten, der sie durch den Wald führe, schwing mich
auf den Rappen, und reite ab. Abends, in der Her-
berg, an der Straßburger Straß, will ich mich eben
zur Ruh niederlegen: da kommt Gottschalk, der Knecht,
und spricht: das Mädchen sei unten und begehre in
meinen Ställen zu übernachten. Bei den Pferden?
frag' ich. Ich sage: wenn's ihr weich genug ist, mich
wird's nicht drücken. Und füge noch, indem ich mich
im Bett wende, hinzu: magst ihr wohl eine Streu
Himmel herabgeſchneit wäre! Und da ich zu den
Knechten, die im Graſe herumliegen, ſage: Ei, was
der Teufel! Das iſt ja das Käthchen von Heilbronn!
ſchlägt ſie die Augen auf, und bindet ſich das Hüt-
lein zuſammen, das ihr ſchlafend vom Haupt herab-
gerutſcht war. Katharine! ruf ich: Mädel! Wo
kömmſt auch her? Auf funfzehn Meilen von Heil-
bronn, fernab am Geſtade des Rheins? „Hab' ein
Geſchäft, geſtrenger Herr,“ antwortet ſie, „das mich
gen Straßburg führt; ſchauert mich im Wald ſo ein-
ſam zu wandern, und ſchlug mich zu euch.“ Drauf laß
ich ihr zur Erfriſchung reichen, was mir Gottſchalk,
der Knecht, mit ſich führt, und erkundige mich: wie
der Sturz abgelaufen? auch, was der Vater macht?
Und was ſie in Straßburg zu erſchaffen denke? Doch
da ſie nicht freiherzig mit der Sprache herausrückt:
was auch gehts dich an, denk' ich; ding' ihr einen
Boten, der ſie durch den Wald führe, ſchwing mich
auf den Rappen, und reite ab. Abends, in der Her-
berg, an der Straßburger Straß, will ich mich eben
zur Ruh niederlegen: da kommt Gottſchalk, der Knecht,
und ſpricht: das Mädchen ſei unten und begehre in
meinen Ställen zu übernachten. Bei den Pferden?
frag' ich. Ich ſage: wenn's ihr weich genug iſt, mich
wird's nicht drücken. Und füge noch, indem ich mich
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[18/0024] Himmel herabgeſchneit wäre! Und da ich zu den Knechten, die im Graſe herumliegen, ſage: Ei, was der Teufel! Das iſt ja das Käthchen von Heilbronn! ſchlägt ſie die Augen auf, und bindet ſich das Hüt- lein zuſammen, das ihr ſchlafend vom Haupt herab- gerutſcht war. Katharine! ruf ich: Mädel! Wo kömmſt auch her? Auf funfzehn Meilen von Heil- bronn, fernab am Geſtade des Rheins? „Hab' ein Geſchäft, geſtrenger Herr,“ antwortet ſie, „das mich gen Straßburg führt; ſchauert mich im Wald ſo ein- ſam zu wandern, und ſchlug mich zu euch.“ Drauf laß ich ihr zur Erfriſchung reichen, was mir Gottſchalk, der Knecht, mit ſich führt, und erkundige mich: wie der Sturz abgelaufen? auch, was der Vater macht? Und was ſie in Straßburg zu erſchaffen denke? Doch da ſie nicht freiherzig mit der Sprache herausrückt: was auch gehts dich an, denk' ich; ding' ihr einen Boten, der ſie durch den Wald führe, ſchwing mich auf den Rappen, und reite ab. Abends, in der Her- berg, an der Straßburger Straß, will ich mich eben zur Ruh niederlegen: da kommt Gottſchalk, der Knecht, und ſpricht: das Mädchen ſei unten und begehre in meinen Ställen zu übernachten. Bei den Pferden? frag' ich. Ich ſage: wenn's ihr weich genug iſt, mich wird's nicht drücken. Und füge noch, indem ich mich im Bett wende, hinzu: magſt ihr wohl eine Streu

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/24>, abgerufen am 19.04.2024.