Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
unterlegen, Gottschalk, und sorgen, daß ihr Nichts
widerfahre. Drauf, wandert sie, kommenden Tages
früher aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heer-
straße, und lagert sich wieder in meinen Ställen, und
lagert sich Nacht für Nacht, so wie mir der Streif-
zug fortschreitet, darin, als ob sie zu meinem Troß
gehörte. Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes
grauen, unwirrschen Alten willen, der mich jetzt darum
straft; denn der Gottschalk, in seiner Wunderlichkeit,
hatte das Mädchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer,
in der That, als seiner Tochter; führt dich die Reise
einst, dacht' ich, durch Heilbronn, so wird der Alte
dirs danken. Doch da sie sich auch in Straßburg,
in der erzbischöflichen Burg, wieder bei mir einfindet,
und ich gleichwohl spüre, daß sie nichts im Orte er-
schafft: denn mir hatte sie sich ganz und gar geweiht,
und wusch und flickte, als ob es sonst am Rhein
nicht zu haben wäre: so trete ich eines Tages, da ich
sie auf der Stallschwelle finde, zu ihr und frage:
was für ein Geschäft sie in Straßburg betreibe? Ei,
spricht sie gestrenger Herr, und eine Röthe, daß ich
denke, ihre Schürze wird angehen, flammt über ihr
Antlitz empor: "was fragt ihr doch? ihr wißts ja!"
-- Holla! denk ich, steht es so mit dir? und sende
einen Boten flugs nach Heilbronn, dem Vater zu,
mit folgender Meldung: das Käthchen sei bei mir;
unterlegen, Gottſchalk, und ſorgen, daß ihr Nichts
widerfahre. Drauf, wandert ſie, kommenden Tages
früher aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heer-
ſtraße, und lagert ſich wieder in meinen Ställen, und
lagert ſich Nacht für Nacht, ſo wie mir der Streif-
zug fortſchreitet, darin, als ob ſie zu meinem Troß
gehörte. Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes
grauen, unwirrſchen Alten willen, der mich jetzt darum
ſtraft; denn der Gottſchalk, in ſeiner Wunderlichkeit,
hatte das Mädchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer,
in der That, als ſeiner Tochter; führt dich die Reiſe
einſt, dacht' ich, durch Heilbronn, ſo wird der Alte
dirs danken. Doch da ſie ſich auch in Straßburg,
in der erzbiſchöflichen Burg, wieder bei mir einfindet,
und ich gleichwohl ſpüre, daß ſie nichts im Orte er-
ſchafft: denn mir hatte ſie ſich ganz und gar geweiht,
und wuſch und flickte, als ob es ſonſt am Rhein
nicht zu haben wäre: ſo trete ich eines Tages, da ich
ſie auf der Stallſchwelle finde, zu ihr und frage:
was für ein Geſchäft ſie in Straßburg betreibe? Ei,
ſpricht ſie geſtrenger Herr, und eine Röthe, daß ich
denke, ihre Schürze wird angehen, flammt über ihr
Antlitz empor: „was fragt ihr doch? ihr wißts ja!“
— Holla! denk ich, ſteht es ſo mit dir? und ſende
einen Boten flugs nach Heilbronn, dem Vater zu,
mit folgender Meldung: das Käthchen ſei bei mir;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#STRA">
            <p><pb facs="#f0025" n="19"/>
unterlegen, Gott&#x017F;chalk, und &#x017F;orgen, daß ihr Nichts<lb/>
widerfahre. Drauf, wandert &#x017F;ie, kommenden Tages<lb/>
früher aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heer-<lb/>
&#x017F;traße, und lagert &#x017F;ich wieder in meinen Ställen, und<lb/>
lagert &#x017F;ich Nacht für Nacht, &#x017F;o wie mir der Streif-<lb/>
zug fort&#x017F;chreitet, darin, als ob &#x017F;ie zu meinem Troß<lb/>
gehörte. Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes<lb/>
grauen, unwirr&#x017F;chen Alten willen, der mich jetzt darum<lb/>
&#x017F;traft; denn der Gott&#x017F;chalk, in &#x017F;einer Wunderlichkeit,<lb/>
hatte das Mädchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer,<lb/>
in der That, als &#x017F;einer Tochter; führt dich die Rei&#x017F;e<lb/>
ein&#x017F;t, dacht' ich, durch Heilbronn, &#x017F;o wird der Alte<lb/>
dirs danken. Doch da &#x017F;ie &#x017F;ich auch in Straßburg,<lb/>
in der erzbi&#x017F;chöflichen Burg, wieder bei mir einfindet,<lb/>
und ich gleichwohl &#x017F;püre, daß &#x017F;ie nichts im Orte er-<lb/>
&#x017F;chafft: denn <hi rendition="#g">mir</hi> hatte &#x017F;ie &#x017F;ich ganz und gar geweiht,<lb/>
und wu&#x017F;ch und flickte, als ob es &#x017F;on&#x017F;t am Rhein<lb/>
nicht zu haben wäre: &#x017F;o trete ich eines Tages, da ich<lb/>
&#x017F;ie auf der Stall&#x017F;chwelle finde, zu ihr und frage:<lb/>
was für ein Ge&#x017F;chäft &#x017F;ie in Straßburg betreibe? Ei,<lb/>
&#x017F;pricht &#x017F;ie ge&#x017F;trenger Herr, und eine Röthe, daß ich<lb/>
denke, ihre Schürze wird angehen, flammt über ihr<lb/>
Antlitz empor: &#x201E;was fragt ihr doch? ihr wißts ja!&#x201C;<lb/>
&#x2014; Holla! denk ich, &#x017F;teht es &#x017F;o mit dir? und &#x017F;ende<lb/>
einen Boten flugs nach Heilbronn, dem Vater zu,<lb/>
mit folgender Meldung: das Käthchen &#x017F;ei bei mir;<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0025] unterlegen, Gottſchalk, und ſorgen, daß ihr Nichts widerfahre. Drauf, wandert ſie, kommenden Tages früher aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heer- ſtraße, und lagert ſich wieder in meinen Ställen, und lagert ſich Nacht für Nacht, ſo wie mir der Streif- zug fortſchreitet, darin, als ob ſie zu meinem Troß gehörte. Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes grauen, unwirrſchen Alten willen, der mich jetzt darum ſtraft; denn der Gottſchalk, in ſeiner Wunderlichkeit, hatte das Mädchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer, in der That, als ſeiner Tochter; führt dich die Reiſe einſt, dacht' ich, durch Heilbronn, ſo wird der Alte dirs danken. Doch da ſie ſich auch in Straßburg, in der erzbiſchöflichen Burg, wieder bei mir einfindet, und ich gleichwohl ſpüre, daß ſie nichts im Orte er- ſchafft: denn mir hatte ſie ſich ganz und gar geweiht, und wuſch und flickte, als ob es ſonſt am Rhein nicht zu haben wäre: ſo trete ich eines Tages, da ich ſie auf der Stallſchwelle finde, zu ihr und frage: was für ein Geſchäft ſie in Straßburg betreibe? Ei, ſpricht ſie geſtrenger Herr, und eine Röthe, daß ich denke, ihre Schürze wird angehen, flammt über ihr Antlitz empor: „was fragt ihr doch? ihr wißts ja!“ — Holla! denk ich, ſteht es ſo mit dir? und ſende einen Boten flugs nach Heilbronn, dem Vater zu, mit folgender Meldung: das Käthchen ſei bei mir;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/25
Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/25>, abgerufen am 25.04.2024.