Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite
Neunte Nachtwache.


Es freut mich daß ich in den vielen Dornen
meines Lebens doch wenigstens Eine blühende
volle Rose fand; sie war zwar so von den Sta-
cheln umschlungen, daß ich sie nur mit blutiger
Hand und entblättert hervorziehen konnte;
doch aber pflükte ich sie, und ihr sterbender
Duft that mir wohl. Diesen einen Wonne-
monat unter den übrigen Winter- und Herbst-
monden verlebte ich -- im Tollhause. --

Die Menschheit organisirt sich gerade nach
Art einer Zwiebel, und schiebt immer eine

Neunte Nachtwache.


Es freut mich daß ich in den vielen Dornen
meines Lebens doch wenigſtens Eine bluͤhende
volle Roſe fand; ſie war zwar ſo von den Sta-
cheln umſchlungen, daß ich ſie nur mit blutiger
Hand und entblaͤttert hervorziehen konnte;
doch aber pfluͤkte ich ſie, und ihr ſterbender
Duft that mir wohl. Dieſen einen Wonne-
monat unter den uͤbrigen Winter- und Herbſt-
monden verlebte ich — im Tollhauſe. —

Die Menſchheit organiſirt ſich gerade nach
Art einer Zwiebel, und ſchiebt immer eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0155" n="[153]"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Neunte Nachtwache</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s freut mich daß ich in den vielen Dornen<lb/>
meines Lebens doch wenig&#x017F;tens Eine blu&#x0364;hende<lb/>
volle Ro&#x017F;e fand; &#x017F;ie war zwar &#x017F;o von den Sta-<lb/>
cheln um&#x017F;chlungen, daß ich &#x017F;ie nur mit blutiger<lb/>
Hand und entbla&#x0364;ttert hervorziehen konnte;<lb/>
doch aber pflu&#x0364;kte ich &#x017F;ie, und ihr &#x017F;terbender<lb/>
Duft that mir wohl. Die&#x017F;en einen Wonne-<lb/>
monat unter den u&#x0364;brigen Winter- und Herb&#x017F;t-<lb/>
monden verlebte ich &#x2014; im Tollhau&#x017F;e. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Die Men&#x017F;chheit organi&#x017F;irt &#x017F;ich gerade nach<lb/>
Art einer Zwiebel, und &#x017F;chiebt immer eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[153]/0155] Neunte Nachtwache. Es freut mich daß ich in den vielen Dornen meines Lebens doch wenigſtens Eine bluͤhende volle Roſe fand; ſie war zwar ſo von den Sta- cheln umſchlungen, daß ich ſie nur mit blutiger Hand und entblaͤttert hervorziehen konnte; doch aber pfluͤkte ich ſie, und ihr ſterbender Duft that mir wohl. Dieſen einen Wonne- monat unter den uͤbrigen Winter- und Herbſt- monden verlebte ich — im Tollhauſe. — Die Menſchheit organiſirt ſich gerade nach Art einer Zwiebel, und ſchiebt immer eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/155
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. [153]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/155>, abgerufen am 19.04.2024.