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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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"Ei, ei, mein Gott, was ist denn das?"
stammelte der Ehemann.

"Daß die Stummen zu reden anfangen,
meinen Sie? das fließt aus der Frivolität des
Zeitalters. Man sollte nie den Teufel an die
Wand malen. Unsere jungen Herren von
Welt setzen sich aber darüber hinaus, und miß-
brauchen dergleichen bei schwachen Seelen, um
sich von der heroischen Seite zu zeigen. Da
habe ich nun meinen Mann beim Worte ge-
nommen, ob ich gleich eigentlich nicht hieher
gehöre, sondern draußen auf dem Markte stehe
im grauen Mantel als heiliger Crispinus von
Stein."

"Du Gott, was soll man davon denken!"
fuhr jener beängstet fort, "es ist gar nicht in
der Ordnung, und ein unerhörter Fall!"

"Für den Rechtsgelehrten gewiß! dieser
Crispinus war nemlich ein Schuster, legte sich

„Ei, ei, mein Gott, was iſt denn das?“
ſtammelte der Ehemann.

„Daß die Stummen zu reden anfangen,
meinen Sie? das fließt aus der Frivolitaͤt des
Zeitalters. Man ſollte nie den Teufel an die
Wand malen. Unſere jungen Herren von
Welt ſetzen ſich aber daruͤber hinaus, und miß-
brauchen dergleichen bei ſchwachen Seelen, um
ſich von der heroiſchen Seite zu zeigen. Da
habe ich nun meinen Mann beim Worte ge-
nommen, ob ich gleich eigentlich nicht hieher
gehoͤre, ſondern draußen auf dem Markte ſtehe
im grauen Mantel als heiliger Criſpinus von
Stein.“

„Du Gott, was ſoll man davon denken!“
fuhr jener beaͤngſtet fort, „es iſt gar nicht in
der Ordnung, und ein unerhoͤrter Fall!“

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Criſpinus war nemlich ein Schuſter, legte ſich

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[39/0039] „Ei, ei, mein Gott, was iſt denn das?“ ſtammelte der Ehemann. „Daß die Stummen zu reden anfangen, meinen Sie? das fließt aus der Frivolitaͤt des Zeitalters. Man ſollte nie den Teufel an die Wand malen. Unſere jungen Herren von Welt ſetzen ſich aber daruͤber hinaus, und miß- brauchen dergleichen bei ſchwachen Seelen, um ſich von der heroiſchen Seite zu zeigen. Da habe ich nun meinen Mann beim Worte ge- nommen, ob ich gleich eigentlich nicht hieher gehoͤre, ſondern draußen auf dem Markte ſtehe im grauen Mantel als heiliger Criſpinus von Stein.“ „Du Gott, was ſoll man davon denken!“ fuhr jener beaͤngſtet fort, „es iſt gar nicht in der Ordnung, und ein unerhoͤrter Fall!“ „Fuͤr den Rechtsgelehrten gewiß! dieſer Criſpinus war nemlich ein Schuſter, legte ſich

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/39>, abgerufen am 28.03.2024.