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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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ein unsichtbarer herannahender Todesgeist. Ich
schauderte, der Kranke blickte plötzlich kräftig
um sich, als gesundete er rasch durch ein Wun-
der und fühlte neues höheres Leben. Dieses
schnelle leuchtende Auflodern der schon verlö-
schenden Flamme, der sichere Vorbote des na-
hen Todes, wirft zugleich ein glänzendes Licht
in das vor dem Sterbenden aufgestellte Nacht-
stück, und leuchtet rasch und auf einen Augen-
blick in die dichterische Frühlingswelt des
Glaubens und der Poesie. Sie ist die dop-
pelte Beleuchtung in der Corregios Nacht, und
verschmilzt den irdischen und himmlischen
Strahl zu Einem wunderbaren Glanze.

Der Kranke wieß die höhere Hoffnung fest
und entschieden zurück, und führte dadurch ei-
nen großen Moment herbei. Der Pfaff don-
nerte ihm zornig in die Seele und mahlte
jezt mit Flammenzügen wie ein Verzweifeln-
der, und bannte den ganzen Tartarus herauf
in die letzte Stunde des Sterbenden. Dieser
lächelte nur und schüttelte den Kopf.


ein unſichtbarer herannahender Todesgeiſt. Ich
ſchauderte, der Kranke blickte ploͤtzlich kraͤftig
um ſich, als geſundete er raſch durch ein Wun-
der und fuͤhlte neues hoͤheres Leben. Dieſes
ſchnelle leuchtende Auflodern der ſchon verloͤ-
ſchenden Flamme, der ſichere Vorbote des na-
hen Todes, wirft zugleich ein glaͤnzendes Licht
in das vor dem Sterbenden aufgeſtellte Nacht-
ſtuͤck, und leuchtet raſch und auf einen Augen-
blick in die dichteriſche Fruͤhlingswelt des
Glaubens und der Poeſie. Sie iſt die dop-
pelte Beleuchtung in der Corregios Nacht, und
verſchmilzt den irdiſchen und himmliſchen
Strahl zu Einem wunderbaren Glanze.

Der Kranke wieß die hoͤhere Hoffnung feſt
und entſchieden zuruͤck, und fuͤhrte dadurch ei-
nen großen Moment herbei. Der Pfaff don-
nerte ihm zornig in die Seele und mahlte
jezt mit Flammenzuͤgen wie ein Verzweifeln-
der, und bannte den ganzen Tartarus herauf
in die letzte Stunde des Sterbenden. Dieſer
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[7/0009] ein unſichtbarer herannahender Todesgeiſt. Ich ſchauderte, der Kranke blickte ploͤtzlich kraͤftig um ſich, als geſundete er raſch durch ein Wun- der und fuͤhlte neues hoͤheres Leben. Dieſes ſchnelle leuchtende Auflodern der ſchon verloͤ- ſchenden Flamme, der ſichere Vorbote des na- hen Todes, wirft zugleich ein glaͤnzendes Licht in das vor dem Sterbenden aufgeſtellte Nacht- ſtuͤck, und leuchtet raſch und auf einen Augen- blick in die dichteriſche Fruͤhlingswelt des Glaubens und der Poeſie. Sie iſt die dop- pelte Beleuchtung in der Corregios Nacht, und verſchmilzt den irdiſchen und himmliſchen Strahl zu Einem wunderbaren Glanze. Der Kranke wieß die hoͤhere Hoffnung feſt und entſchieden zuruͤck, und fuͤhrte dadurch ei- nen großen Moment herbei. Der Pfaff don- nerte ihm zornig in die Seele und mahlte jezt mit Flammenzuͤgen wie ein Verzweifeln- der, und bannte den ganzen Tartarus herauf in die letzte Stunde des Sterbenden. Dieſer laͤchelte nur und ſchuͤttelte den Kopf.

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/9>, abgerufen am 25.04.2024.