Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

der sich den Zügel läßt, gleicht dem Rad,
das vom Berge rollt, wer kann es aufhal-
ten? es springt von Klippe zu Klippe, bis
es zerschmettert. Faust, gern hätte ich den
Unmündigen der Sünde reifen lassen, nun
ist er der Hölle entgangen sammt der Mut-
ter, er brannte auf ihrem Herzen zu Asche,
und sie wehrte der ihn aufzehrenden Flam-
me, mit den Knochen, von denen schon das
Feuer das Fleisch abgefressen hatte.

Faust. Du legst es an mein Herz. Er
hüllte sein Gesicht in seinen Mantel, und
nezte ihn mit seinen Thränen.

9.

Das Gefühl, die Tugend an den Laster-
haften rächen zu wollen, kühlte sich in Fau-
sten etwas ab; endlich labte er seinen durch
die lezte Geschichte gepeinigten Geist mit
dem Gedanken, den ihm der Teufel vorsetz-
lich hinwarf, der Säugling und die Mutter
seyen der Hölle entgangen. Auch erlaubten
die Sinnlichkeit, das leichte Blut, das

Stre-

der ſich den Zuͤgel laͤßt, gleicht dem Rad,
das vom Berge rollt, wer kann es aufhal-
ten? es ſpringt von Klippe zu Klippe, bis
es zerſchmettert. Fauſt, gern haͤtte ich den
Unmuͤndigen der Suͤnde reifen laſſen, nun
iſt er der Hoͤlle entgangen ſammt der Mut-
ter, er brannte auf ihrem Herzen zu Aſche,
und ſie wehrte der ihn aufzehrenden Flam-
me, mit den Knochen, von denen ſchon das
Feuer das Fleiſch abgefreſſen hatte.

Fauſt. Du legſt es an mein Herz. Er
huͤllte ſein Geſicht in ſeinen Mantel, und
nezte ihn mit ſeinen Thraͤnen.

9.

Das Gefuͤhl, die Tugend an den Laſter-
haften raͤchen zu wollen, kuͤhlte ſich in Fau-
ſten etwas ab; endlich labte er ſeinen durch
die lezte Geſchichte gepeinigten Geiſt mit
dem Gedanken, den ihm der Teufel vorſetz-
lich hinwarf, der Saͤugling und die Mutter
ſeyen der Hoͤlle entgangen. Auch erlaubten
die Sinnlichkeit, das leichte Blut, das

Stre-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="212"/>
der &#x017F;ich den Zu&#x0364;gel la&#x0364;ßt, gleicht dem Rad,<lb/>
das vom Berge rollt, wer kann es aufhal-<lb/>
ten? es &#x017F;pringt von Klippe zu Klippe, bis<lb/>
es zer&#x017F;chmettert. Fau&#x017F;t, gern ha&#x0364;tte ich den<lb/>
Unmu&#x0364;ndigen der Su&#x0364;nde reifen la&#x017F;&#x017F;en, nun<lb/>
i&#x017F;t er der Ho&#x0364;lle entgangen &#x017F;ammt der Mut-<lb/>
ter, er brannte auf ihrem Herzen zu A&#x017F;che,<lb/>
und &#x017F;ie wehrte der ihn aufzehrenden Flam-<lb/>
me, mit den Knochen, von denen &#x017F;chon das<lb/>
Feuer das Flei&#x017F;ch abgefre&#x017F;&#x017F;en hatte.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Fau&#x017F;t</hi>. Du leg&#x017F;t es an mein Herz. Er<lb/>
hu&#x0364;llte &#x017F;ein Ge&#x017F;icht in &#x017F;einen Mantel, und<lb/>
nezte ihn mit &#x017F;einen Thra&#x0364;nen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>9.</head><lb/>
          <p>Das Gefu&#x0364;hl, die Tugend an den La&#x017F;ter-<lb/>
haften ra&#x0364;chen zu wollen, ku&#x0364;hlte &#x017F;ich in Fau-<lb/>
&#x017F;ten etwas ab; endlich labte er &#x017F;einen durch<lb/>
die lezte Ge&#x017F;chichte gepeinigten Gei&#x017F;t mit<lb/>
dem Gedanken, den ihm der Teufel vor&#x017F;etz-<lb/>
lich hinwarf, der Sa&#x0364;ugling und die Mutter<lb/>
&#x017F;eyen der Ho&#x0364;lle entgangen. Auch erlaubten<lb/>
die Sinnlichkeit, das leichte Blut, das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Stre-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0223] der ſich den Zuͤgel laͤßt, gleicht dem Rad, das vom Berge rollt, wer kann es aufhal- ten? es ſpringt von Klippe zu Klippe, bis es zerſchmettert. Fauſt, gern haͤtte ich den Unmuͤndigen der Suͤnde reifen laſſen, nun iſt er der Hoͤlle entgangen ſammt der Mut- ter, er brannte auf ihrem Herzen zu Aſche, und ſie wehrte der ihn aufzehrenden Flam- me, mit den Knochen, von denen ſchon das Feuer das Fleiſch abgefreſſen hatte. Fauſt. Du legſt es an mein Herz. Er huͤllte ſein Geſicht in ſeinen Mantel, und nezte ihn mit ſeinen Thraͤnen. 9. Das Gefuͤhl, die Tugend an den Laſter- haften raͤchen zu wollen, kuͤhlte ſich in Fau- ſten etwas ab; endlich labte er ſeinen durch die lezte Geſchichte gepeinigten Geiſt mit dem Gedanken, den ihm der Teufel vorſetz- lich hinwarf, der Saͤugling und die Mutter ſeyen der Hoͤlle entgangen. Auch erlaubten die Sinnlichkeit, das leichte Blut, das Stre-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/223
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/223>, abgerufen am 28.03.2024.