Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

nahm durch die Unmöglichkeit noch mehr zu;
auf einmal fühlte er sich Flügel, erhub sich,
und fuhr mit solchem Ungestüme gegen die
eherne Pforte, daß er zurückgeschleudert, in
den tiefsten Abgrund sank, und in dem Au-
genblick zitternd aus dem Schlaf auffuhr,
als er den Boden zu berühren glaubte. Er
schlug betäubt die Augen auf, eine blasse, in
ein weisses Todtentuch gehüllte Gestalt, in
der er seinen Vater erkannte, riß die Bett-
vorhänge auseinander, und sprach mit kla-
gender Stimme:

"Faust! Faust! Nie hat ein Vater ei-
"nen unglücklichern Sohn gezeugt, in die-
"sem Gefühl bin ich nun eben gestorben.
"Ewig, ach ewig, liegt die Kluft der Ver-
"dammniß zwischen mir und dir!"

3.

Dieses bedeutende Gesicht, und die schau-
dervolle Erscheinung, durchbebten die See-
le Fausts, er sprang auf, öffnete das Fen-
ster, um freye Luft zu athmen, die unge-

heuren

nahm durch die Unmoͤglichkeit noch mehr zu;
auf einmal fuͤhlte er ſich Fluͤgel, erhub ſich,
und fuhr mit ſolchem Ungeſtuͤme gegen die
eherne Pforte, daß er zuruͤckgeſchleudert, in
den tiefſten Abgrund ſank, und in dem Au-
genblick zitternd aus dem Schlaf auffuhr,
als er den Boden zu beruͤhren glaubte. Er
ſchlug betaͤubt die Augen auf, eine blaſſe, in
ein weiſſes Todtentuch gehuͤllte Geſtalt, in
der er ſeinen Vater erkannte, riß die Bett-
vorhaͤnge auseinander, und ſprach mit kla-
gender Stimme:

„Fauſt! Fauſt! Nie hat ein Vater ei-
„nen ungluͤcklichern Sohn gezeugt, in die-
„ſem Gefuͤhl bin ich nun eben geſtorben.
„Ewig, ach ewig, liegt die Kluft der Ver-
„dammniß zwiſchen mir und dir!“

3.

Dieſes bedeutende Geſicht, und die ſchau-
dervolle Erſcheinung, durchbebten die See-
le Fauſts, er ſprang auf, oͤffnete das Fen-
ſter, um freye Luft zu athmen, die unge-

heuren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0376" n="365"/>
nahm durch die Unmo&#x0364;glichkeit noch mehr zu;<lb/>
auf einmal fu&#x0364;hlte er &#x017F;ich Flu&#x0364;gel, erhub &#x017F;ich,<lb/>
und fuhr mit &#x017F;olchem Unge&#x017F;tu&#x0364;me gegen die<lb/>
eherne Pforte, daß er zuru&#x0364;ckge&#x017F;chleudert, in<lb/>
den tief&#x017F;ten Abgrund &#x017F;ank, und in dem Au-<lb/>
genblick zitternd aus dem Schlaf auffuhr,<lb/>
als er den Boden zu beru&#x0364;hren glaubte. Er<lb/>
&#x017F;chlug beta&#x0364;ubt die Augen auf, eine bla&#x017F;&#x017F;e, in<lb/>
ein wei&#x017F;&#x017F;es Todtentuch gehu&#x0364;llte Ge&#x017F;talt, in<lb/>
der er &#x017F;einen Vater erkannte, riß die Bett-<lb/>
vorha&#x0364;nge auseinander, und &#x017F;prach mit kla-<lb/>
gender Stimme:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Fau&#x017F;t! Fau&#x017F;t! Nie hat ein Vater ei-<lb/>
&#x201E;nen unglu&#x0364;cklichern Sohn gezeugt, in die-<lb/>
&#x201E;&#x017F;em Gefu&#x0364;hl bin ich nun eben ge&#x017F;torben.<lb/>
&#x201E;Ewig, ach ewig, liegt die Kluft der Ver-<lb/>
&#x201E;dammniß zwi&#x017F;chen mir und dir!&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>3.</head><lb/>
          <p>Die&#x017F;es bedeutende Ge&#x017F;icht, und die &#x017F;chau-<lb/>
dervolle Er&#x017F;cheinung, durchbebten die See-<lb/>
le Fau&#x017F;ts, er &#x017F;prang auf, o&#x0364;ffnete das Fen-<lb/>
&#x017F;ter, um freye Luft zu athmen, die unge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">heuren</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0376] nahm durch die Unmoͤglichkeit noch mehr zu; auf einmal fuͤhlte er ſich Fluͤgel, erhub ſich, und fuhr mit ſolchem Ungeſtuͤme gegen die eherne Pforte, daß er zuruͤckgeſchleudert, in den tiefſten Abgrund ſank, und in dem Au- genblick zitternd aus dem Schlaf auffuhr, als er den Boden zu beruͤhren glaubte. Er ſchlug betaͤubt die Augen auf, eine blaſſe, in ein weiſſes Todtentuch gehuͤllte Geſtalt, in der er ſeinen Vater erkannte, riß die Bett- vorhaͤnge auseinander, und ſprach mit kla- gender Stimme: „Fauſt! Fauſt! Nie hat ein Vater ei- „nen ungluͤcklichern Sohn gezeugt, in die- „ſem Gefuͤhl bin ich nun eben geſtorben. „Ewig, ach ewig, liegt die Kluft der Ver- „dammniß zwiſchen mir und dir!“ 3. Dieſes bedeutende Geſicht, und die ſchau- dervolle Erſcheinung, durchbebten die See- le Fauſts, er ſprang auf, oͤffnete das Fen- ſter, um freye Luft zu athmen, die unge- heuren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/376
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/376>, abgerufen am 29.03.2024.