Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Und obgleich auch bisweilen diejenigen, denen
jene Würdigkeit des Jnhalts fehlt, auf die
Nachwelt gekommen sind, so verdienen sie
doch ihre Dauer nicht. Der Grund des Vor-
zuges, den wir geben, ist zu erwartende und
verdiente Dauer.

Handeln und Schreiben ist weniger unter-
schieden, als man gewönlich glaubt. Wer
handelt und wer schreibt, bringt Wirkungen
hervor. Diese sind auf beiden Seiten sehr
mannigfaltig. Die das Herz angehn, sind
die vorzüglichsten. Sie haben eine nähere
Beziehung auf die Glükseligkeit, als alle an-
dere. Ob der Schreiber oder der Handelnde
in grösserm Umfange wirke? Der eine viel-
leicht bisweilen so lange er lebt, und dann
durch die Wirkungen der Wirkungen, so
lange sie dauern können. Der andre wirkt
auch nach seinem Tode, und immer von
neuem ganz.
Und wenn dieses von neuem
ganz auch nur ein Jahrhundert fortwährt, so
währt es lange. Hierzu kömt noch die ge-
wönlich grössere Zahl derer, auf welche die
Schrift Einfluß hat. Und dann die Einflüsse
der Leser auf die, welche sie nicht kennen.
Dieß wiegt auch auf der Wagschale. Die
Aldermänner haben uns geboten, auch über
diese Sachen kurz zu seyn, ob wir gleich, ohne

weit-

Und obgleich auch bisweilen diejenigen, denen
jene Wuͤrdigkeit des Jnhalts fehlt, auf die
Nachwelt gekommen ſind, ſo verdienen ſie
doch ihre Dauer nicht. Der Grund des Vor-
zuges, den wir geben, iſt zu erwartende und
verdiente Dauer.

Handeln und Schreiben iſt weniger unter-
ſchieden, als man gewoͤnlich glaubt. Wer
handelt und wer ſchreibt, bringt Wirkungen
hervor. Dieſe ſind auf beiden Seiten ſehr
mannigfaltig. Die das Herz angehn, ſind
die vorzuͤglichſten. Sie haben eine naͤhere
Beziehung auf die Gluͤkſeligkeit, als alle an-
dere. Ob der Schreiber oder der Handelnde
in groͤſſerm Umfange wirke? Der eine viel-
leicht bisweilen ſo lange er lebt, und dann
durch die Wirkungen der Wirkungen, ſo
lange ſie dauern koͤnnen. Der andre wirkt
auch nach ſeinem Tode, und immer von
neuem ganz.
Und wenn dieſes von neuem
ganz auch nur ein Jahrhundert fortwaͤhrt, ſo
waͤhrt es lange. Hierzu koͤmt noch die ge-
woͤnlich groͤſſere Zahl derer, auf welche die
Schrift Einfluß hat. Und dann die Einfluͤſſe
der Leſer auf die, welche ſie nicht kennen.
Dieß wiegt auch auf der Wagſchale. Die
Aldermaͤnner haben uns geboten, auch uͤber
dieſe Sachen kurz zu ſeyn, ob wir gleich, ohne

weit-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0112" n="36"/>
Und obgleich auch bisweilen diejenigen, denen<lb/>
jene Wu&#x0364;rdigkeit des Jnhalts fehlt, auf die<lb/>
Nachwelt gekommen &#x017F;ind, &#x017F;o verdienen &#x017F;ie<lb/>
doch ihre Dauer nicht. Der Grund des Vor-<lb/>
zuges, den wir geben, i&#x017F;t zu erwartende und<lb/>
verdiente Dauer.</p><lb/>
            <p>Handeln und Schreiben i&#x017F;t weniger unter-<lb/>
&#x017F;chieden, als man gewo&#x0364;nlich glaubt. Wer<lb/>
handelt und wer &#x017F;chreibt, bringt Wirkungen<lb/>
hervor. Die&#x017F;e &#x017F;ind auf beiden Seiten &#x017F;ehr<lb/>
mannigfaltig. Die das Herz angehn, &#x017F;ind<lb/>
die vorzu&#x0364;glich&#x017F;ten. Sie haben eine na&#x0364;here<lb/>
Beziehung auf die Glu&#x0364;k&#x017F;eligkeit, als alle an-<lb/>
dere. Ob der Schreiber oder der Handelnde<lb/>
in gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erm Umfange wirke? Der eine viel-<lb/>
leicht bisweilen &#x017F;o lange er lebt, und dann<lb/>
durch die Wirkungen der Wirkungen, &#x017F;o<lb/>
lange &#x017F;ie dauern ko&#x0364;nnen. Der andre wirkt<lb/>
auch nach &#x017F;einem Tode, und <hi rendition="#fr">immer von<lb/>
neuem ganz.</hi> Und wenn die&#x017F;es von neuem<lb/>
ganz auch nur ein Jahrhundert fortwa&#x0364;hrt, &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;hrt es lange. Hierzu ko&#x0364;mt noch die ge-<lb/>
wo&#x0364;nlich gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Zahl derer, auf welche die<lb/>
Schrift Einfluß hat. Und dann die Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Le&#x017F;er auf die, welche &#x017F;ie nicht kennen.<lb/>
Dieß wiegt auch auf der Wag&#x017F;chale. Die<lb/>
Alderma&#x0364;nner haben uns geboten, auch u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;e Sachen kurz zu &#x017F;eyn, ob wir gleich, ohne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weit-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0112] Und obgleich auch bisweilen diejenigen, denen jene Wuͤrdigkeit des Jnhalts fehlt, auf die Nachwelt gekommen ſind, ſo verdienen ſie doch ihre Dauer nicht. Der Grund des Vor- zuges, den wir geben, iſt zu erwartende und verdiente Dauer. Handeln und Schreiben iſt weniger unter- ſchieden, als man gewoͤnlich glaubt. Wer handelt und wer ſchreibt, bringt Wirkungen hervor. Dieſe ſind auf beiden Seiten ſehr mannigfaltig. Die das Herz angehn, ſind die vorzuͤglichſten. Sie haben eine naͤhere Beziehung auf die Gluͤkſeligkeit, als alle an- dere. Ob der Schreiber oder der Handelnde in groͤſſerm Umfange wirke? Der eine viel- leicht bisweilen ſo lange er lebt, und dann durch die Wirkungen der Wirkungen, ſo lange ſie dauern koͤnnen. Der andre wirkt auch nach ſeinem Tode, und immer von neuem ganz. Und wenn dieſes von neuem ganz auch nur ein Jahrhundert fortwaͤhrt, ſo waͤhrt es lange. Hierzu koͤmt noch die ge- woͤnlich groͤſſere Zahl derer, auf welche die Schrift Einfluß hat. Und dann die Einfluͤſſe der Leſer auf die, welche ſie nicht kennen. Dieß wiegt auch auf der Wagſchale. Die Aldermaͤnner haben uns geboten, auch uͤber dieſe Sachen kurz zu ſeyn, ob wir gleich, ohne weit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/112
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/112>, abgerufen am 25.04.2024.