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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

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Jn Ulphila findest du den ersten Quell der
Sprache. Aber er fliest nur kärglich; denn
nur wenig Ueberbleibsel haben wir gerettet.

Der Angel und der Sachse, die Britan-
nien eroberten, haben viel Schäze hinterlassen.
Ekler, aber auch dummer Kaltsinn hat sie
vergraben. Scharre du sie auf.

Manesse sah beym Sammeln nicht sonder-
lich scharf; doch etwas Goldes ist gleichwol
drinn.

Von den Minnesängern bis zu Luthern ist
ein weiter Weg. Jch hatte nie der Musse
genung um zu sehn, ob dort auch Rosen an
den Dornen wären. Du must ihn auf deiner
Wanderschaft gehen.

Niemand, der weiß, was eine Sprache
ist,
erscheine ohne Ehrerbietung vor Luthern.
Unter keinem Volke hat Ein Mann so viel an
seiner Sprache gebildet. Dein Weg führt
dich zu unsern Zeitgenossen. Untersuche, und
vergleiche sie unter einander. So nur kanst
du's treffen. Trifst du's, so wird dein Aus-
spruch auch der Ausspruch der Enkel seyn.
Gehab dich wol, Jüngling oder Mann, und
geh an dein Werk.



Ge-

Jn Ulphila findeſt du den erſten Quell der
Sprache. Aber er flieſt nur kaͤrglich; denn
nur wenig Ueberbleibſel haben wir gerettet.

Der Angel und der Sachſe, die Britan-
nien eroberten, haben viel Schaͤze hinterlaſſen.
Ekler, aber auch dummer Kaltſinn hat ſie
vergraben. Scharre du ſie auf.

Maneſſe ſah beym Sammeln nicht ſonder-
lich ſcharf; doch etwas Goldes iſt gleichwol
drinn.

Von den Minneſaͤngern bis zu Luthern iſt
ein weiter Weg. Jch hatte nie der Muſſe
genung um zu ſehn, ob dort auch Roſen an
den Dornen waͤren. Du muſt ihn auf deiner
Wanderſchaft gehen.

Niemand, der weiß, was eine Sprache
iſt,
erſcheine ohne Ehrerbietung vor Luthern.
Unter keinem Volke hat Ein Mann ſo viel an
ſeiner Sprache gebildet. Dein Weg fuͤhrt
dich zu unſern Zeitgenoſſen. Unterſuche, und
vergleiche ſie unter einander. So nur kanſt
du’s treffen. Trifſt du’s, ſo wird dein Aus-
ſpruch auch der Ausſpruch der Enkel ſeyn.
Gehab dich wol, Juͤngling oder Mann, und
geh an dein Werk.



Ge-
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[170/0246] Jn Ulphila findeſt du den erſten Quell der Sprache. Aber er flieſt nur kaͤrglich; denn nur wenig Ueberbleibſel haben wir gerettet. Der Angel und der Sachſe, die Britan- nien eroberten, haben viel Schaͤze hinterlaſſen. Ekler, aber auch dummer Kaltſinn hat ſie vergraben. Scharre du ſie auf. Maneſſe ſah beym Sammeln nicht ſonder- lich ſcharf; doch etwas Goldes iſt gleichwol drinn. Von den Minneſaͤngern bis zu Luthern iſt ein weiter Weg. Jch hatte nie der Muſſe genung um zu ſehn, ob dort auch Roſen an den Dornen waͤren. Du muſt ihn auf deiner Wanderſchaft gehen. Niemand, der weiß, was eine Sprache iſt, erſcheine ohne Ehrerbietung vor Luthern. Unter keinem Volke hat Ein Mann ſo viel an ſeiner Sprache gebildet. Dein Weg fuͤhrt dich zu unſern Zeitgenoſſen. Unterſuche, und vergleiche ſie unter einander. So nur kanſt du’s treffen. Trifſt du’s, ſo wird dein Aus- ſpruch auch der Ausſpruch der Enkel ſeyn. Gehab dich wol, Juͤngling oder Mann, und geh an dein Werk. Ge-

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/246>, abgerufen am 19.04.2024.