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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

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vornämlich die Art der Austheilung, was sei-
nen Zwek beförderte. Denn da die Aldermän-
ner, jede Zunft, und das Volk nicht eben die-
selben, sondern immer andre Verse erhielten;
so kam es bald zu einer fast allgemeinen Mit-
theilung. Alle Zünfte waren unter einander
gemischt, und weder sie entzogen sich dem
Volke, noch ihnen die Aldermänner. Da diese
Verse (der Dichter hatte wol gewust, daß in
Erholungsstunden auch kleine Anlässe zu
Zwecken führten) die Ursach zu nicht wenigen
Berathschlagungen und Vereinigungen gewe-
sen sind; so haben die Aldermänner geboten
sie in den Jahrbüchern aufzubehalten.

Ein Gelehrter, der nichts von seinen Ar-
beiten herausgeben wolte, und sie, selbst vor
seinen Freunden, in seinem tiefsten Pulte ver-
barg, wurde gleichwol durch die glükliche Wir-
kung, welche die Verse gehabt hatten, gereizt,
einige wenige Fragmente eines Werks, wel-
ches er Denkmale der Deutschen nante, auf
gleiche Weise, und in gleicher Absicht, aus-
theilen zu lassen. Er führte aber seinen Ent-
schluß nicht ohne Zögerung aus. Erst den
dritten Morgen konte derjenige, der aus-
theilen solte, einige Denkmale von ihm be-
kommen.

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vornaͤmlich die Art der Austheilung, was ſei-
nen Zwek befoͤrderte. Denn da die Aldermaͤn-
ner, jede Zunft, und das Volk nicht eben die-
ſelben, ſondern immer andre Verſe erhielten;
ſo kam es bald zu einer faſt allgemeinen Mit-
theilung. Alle Zuͤnfte waren unter einander
gemiſcht, und weder ſie entzogen ſich dem
Volke, noch ihnen die Aldermaͤnner. Da dieſe
Verſe (der Dichter hatte wol gewuſt, daß in
Erholungsſtunden auch kleine Anlaͤſſe zu
Zwecken fuͤhrten) die Urſach zu nicht wenigen
Berathſchlagungen und Vereinigungen gewe-
ſen ſind; ſo haben die Aldermaͤnner geboten
ſie in den Jahrbuͤchern aufzubehalten.

Ein Gelehrter, der nichts von ſeinen Ar-
beiten herausgeben wolte, und ſie, ſelbſt vor
ſeinen Freunden, in ſeinem tiefſten Pulte ver-
barg, wurde gleichwol durch die gluͤkliche Wir-
kung, welche die Verſe gehabt hatten, gereizt,
einige wenige Fragmente eines Werks, wel-
ches er Denkmale der Deutſchen nante, auf
gleiche Weiſe, und in gleicher Abſicht, aus-
theilen zu laſſen. Er fuͤhrte aber ſeinen Ent-
ſchluß nicht ohne Zoͤgerung aus. Erſt den
dritten Morgen konte derjenige, der aus-
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kommen.

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[201/0277] vornaͤmlich die Art der Austheilung, was ſei- nen Zwek befoͤrderte. Denn da die Aldermaͤn- ner, jede Zunft, und das Volk nicht eben die- ſelben, ſondern immer andre Verſe erhielten; ſo kam es bald zu einer faſt allgemeinen Mit- theilung. Alle Zuͤnfte waren unter einander gemiſcht, und weder ſie entzogen ſich dem Volke, noch ihnen die Aldermaͤnner. Da dieſe Verſe (der Dichter hatte wol gewuſt, daß in Erholungsſtunden auch kleine Anlaͤſſe zu Zwecken fuͤhrten) die Urſach zu nicht wenigen Berathſchlagungen und Vereinigungen gewe- ſen ſind; ſo haben die Aldermaͤnner geboten ſie in den Jahrbuͤchern aufzubehalten. Ein Gelehrter, der nichts von ſeinen Ar- beiten herausgeben wolte, und ſie, ſelbſt vor ſeinen Freunden, in ſeinem tiefſten Pulte ver- barg, wurde gleichwol durch die gluͤkliche Wir- kung, welche die Verſe gehabt hatten, gereizt, einige wenige Fragmente eines Werks, wel- ches er Denkmale der Deutſchen nante, auf gleiche Weiſe, und in gleicher Abſicht, aus- theilen zu laſſen. Er fuͤhrte aber ſeinen Ent- ſchluß nicht ohne Zoͤgerung aus. Erſt den dritten Morgen konte derjenige, der aus- theilen ſolte, einige Denkmale von ihm be- kommen. Ver- N 5

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/277>, abgerufen am 25.04.2024.