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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

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noch blühen! Dort zünden keine neue Nerone
Rom zum zweytenmal an! Und die Ausrufer
haben geschrien: Nach England! Denn dort
wird doch noch freyes Kunstgericht gehegt!
Dort dürfen die Gelehrten doch noch mit so
vielen Stimmen Aussprüche thun, als ihnen
zu haben beliebet! und das hat denn lange
Zeit so fortgewährt. Da sind sie zulezt so er-
bittert auf einander worden, daß sie (Saure
Pflicht, die einem Herolde obliegt, so was an-
zeigen zu müssen!) daß sie sich theils in die
Haare, und theils an die Ohren, oder auch
zugleich einerwärts, und anderwärts hingera-
then sind. Die Nachricht wurde mit Lachen
angehört, und die wenigen, welche ernsthaft
werden, und die Meutmacher, des Einfädelns
und Anzettelns wegen, auf der Stelle Landes
verweisen wolten, konten damit nicht durch-
dringen. Gleichwol haben die Meutmacher
ihre Zeit bis zu ihrem Abzuge, wegen der ih-
nen bevorstehenden Verweisung, in grossen
Schrecken zugebracht. Man kann diese ihre
unnötige Furcht nicht wol anders als daraus
erklären, daß Leute solcher Art die Sachen im-
mer nur halb zu hören, und halb zu wissen
pflegen.



Der

noch bluͤhen! Dort zuͤnden keine neue Nerone
Rom zum zweytenmal an! Und die Ausrufer
haben geſchrien: Nach England! Denn dort
wird doch noch freyes Kunſtgericht gehegt!
Dort duͤrfen die Gelehrten doch noch mit ſo
vielen Stimmen Ausſpruͤche thun, als ihnen
zu haben beliebet! und das hat denn lange
Zeit ſo fortgewaͤhrt. Da ſind ſie zulezt ſo er-
bittert auf einander worden, daß ſie (Saure
Pflicht, die einem Herolde obliegt, ſo was an-
zeigen zu muͤſſen!) daß ſie ſich theils in die
Haare, und theils an die Ohren, oder auch
zugleich einerwaͤrts, und anderwaͤrts hingera-
then ſind. Die Nachricht wurde mit Lachen
angehoͤrt, und die wenigen, welche ernſthaft
werden, und die Meutmacher, des Einfaͤdelns
und Anzettelns wegen, auf der Stelle Landes
verweiſen wolten, konten damit nicht durch-
dringen. Gleichwol haben die Meutmacher
ihre Zeit bis zu ihrem Abzuge, wegen der ih-
nen bevorſtehenden Verweiſung, in groſſen
Schrecken zugebracht. Man kann dieſe ihre
unnoͤtige Furcht nicht wol anders als daraus
erklaͤren, daß Leute ſolcher Art die Sachen im-
mer nur halb zu hoͤren, und halb zu wiſſen
pflegen.



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[319/0395] noch bluͤhen! Dort zuͤnden keine neue Nerone Rom zum zweytenmal an! Und die Ausrufer haben geſchrien: Nach England! Denn dort wird doch noch freyes Kunſtgericht gehegt! Dort duͤrfen die Gelehrten doch noch mit ſo vielen Stimmen Ausſpruͤche thun, als ihnen zu haben beliebet! und das hat denn lange Zeit ſo fortgewaͤhrt. Da ſind ſie zulezt ſo er- bittert auf einander worden, daß ſie (Saure Pflicht, die einem Herolde obliegt, ſo was an- zeigen zu muͤſſen!) daß ſie ſich theils in die Haare, und theils an die Ohren, oder auch zugleich einerwaͤrts, und anderwaͤrts hingera- then ſind. Die Nachricht wurde mit Lachen angehoͤrt, und die wenigen, welche ernſthaft werden, und die Meutmacher, des Einfaͤdelns und Anzettelns wegen, auf der Stelle Landes verweiſen wolten, konten damit nicht durch- dringen. Gleichwol haben die Meutmacher ihre Zeit bis zu ihrem Abzuge, wegen der ih- nen bevorſtehenden Verweiſung, in groſſen Schrecken zugebracht. Man kann dieſe ihre unnoͤtige Furcht nicht wol anders als daraus erklaͤren, daß Leute ſolcher Art die Sachen im- mer nur halb zu hoͤren, und halb zu wiſſen pflegen. Der

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Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/395>, abgerufen am 28.03.2024.