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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

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Neunzehnter Gesang.
Wie auf Flügeln des Sturms, in dem der Ewige mandelt,
Schwung sich Abbadona empor, und eilte zum Throne!
Als er daher durch die Himmel ging, erwachte die Schönheit
Seiner heiligen Jugend im betenden Auge, das Gott sah;
Und die Ruh der Unsterblichen kam in des Seraphs Gebehrde!
So hat keiner von uns an der Auferstehungen Tage
Ueber dem Staube gestanden, wie Abbadona daherging,
Abdiel konnte nicht mehr des Kommenden Anblik ertragen,
Schwung sich durch die Gerechten hervor; mit verbreiteten Armen
Jauchzt' er laut durch die Himmel. Die Wange glüht' ihm; die Krone
Klang um sein Haupt; er zittert' auf Abbadona herunter,
Und umarmt' ihn! Der Liebende riß sich aus seiner Umarmung,
Und sank jezt zu den Füssen des Richters aufs Angesicht nieder.
Nun erhub sich in allen Himmeln des lauten Weinens
Stimme; die Stimme der sanfteren Wonne; der leiseren Harfen
Jubel entglitt den Stülen der vier und zwanzig Gerechten,
Kam zu dem Stule des Sohns, und sang von dem Todten, der lebte!
Wie kann ich reden die Worte, die Abbadona gesagt hat,
Da er am Thron' aufstand, und zu dem auf dem Throne sich wandte.
Also sagt' er, und lächelte Wonne des ewigen Lebens:

O mit welchen festlichen Namen, mit welchen Gebeten,
Soll ich zuerst dich nennen, der also sich meiner erbarmt hat?
Kinder des Lichts, die ich liebte, zu euch bin ich wiedergekommen!
Erstgeborne der Schöpfung, und ihr durch die Wunden des Sohnes
Erben des ewigen Lebens, wohin bin ich wiedergekommen?
Sagt mir, o sagt mir, wer rief mich? weß war die Stimme vom Throne,
Die beym Namen mich nennte? Du bist die Quelle des Lebens!
Fülle

Neunzehnter Geſang.
Wie auf Fluͤgeln des Sturms, in dem der Ewige mandelt,
Schwung ſich Abbadona empor, und eilte zum Throne!
Als er daher durch die Himmel ging, erwachte die Schoͤnheit
Seiner heiligen Jugend im betenden Auge, das Gott ſah;
Und die Ruh der Unſterblichen kam in des Seraphs Gebehrde!
So hat keiner von uns an der Auferſtehungen Tage
Ueber dem Staube geſtanden, wie Abbadona daherging,
Abdiel konnte nicht mehr des Kommenden Anblik ertragen,
Schwung ſich durch die Gerechten hervor; mit verbreiteten Armen
Jauchzt’ er laut durch die Himmel. Die Wange gluͤht’ ihm; die Krone
Klang um ſein Haupt; er zittert’ auf Abbadona herunter,
Und umarmt’ ihn! Der Liebende riß ſich aus ſeiner Umarmung,
Und ſank jezt zu den Fuͤſſen des Richters aufs Angeſicht nieder.
Nun erhub ſich in allen Himmeln des lauten Weinens
Stimme; die Stimme der ſanfteren Wonne; der leiſeren Harfen
Jubel entglitt den Stuͤlen der vier und zwanzig Gerechten,
Kam zu dem Stule des Sohns, und ſang von dem Todten, der lebte!
Wie kann ich reden die Worte, die Abbadona geſagt hat,
Da er am Thron’ aufſtand, und zu dem auf dem Throne ſich wandte.
Alſo ſagt’ er, und laͤchelte Wonne des ewigen Lebens:

O mit welchen feſtlichen Namen, mit welchen Gebeten,
Soll ich zuerſt dich nennen, der alſo ſich meiner erbarmt hat?
Kinder des Lichts, die ich liebte, zu euch bin ich wiedergekommen!
Erſtgeborne der Schoͤpfung, und ihr durch die Wunden des Sohnes
Erben des ewigen Lebens, wohin bin ich wiedergekommen?
Sagt mir, o ſagt mir, wer rief mich? weß war die Stimme vom Throne,
Die beym Namen mich nennte? Du biſt die Quelle des Lebens!
Fuͤlle
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[125/0125] Neunzehnter Geſang. Wie auf Fluͤgeln des Sturms, in dem der Ewige mandelt, Schwung ſich Abbadona empor, und eilte zum Throne! Als er daher durch die Himmel ging, erwachte die Schoͤnheit Seiner heiligen Jugend im betenden Auge, das Gott ſah; Und die Ruh der Unſterblichen kam in des Seraphs Gebehrde! So hat keiner von uns an der Auferſtehungen Tage Ueber dem Staube geſtanden, wie Abbadona daherging, Abdiel konnte nicht mehr des Kommenden Anblik ertragen, Schwung ſich durch die Gerechten hervor; mit verbreiteten Armen Jauchzt’ er laut durch die Himmel. Die Wange gluͤht’ ihm; die Krone Klang um ſein Haupt; er zittert’ auf Abbadona herunter, Und umarmt’ ihn! Der Liebende riß ſich aus ſeiner Umarmung, Und ſank jezt zu den Fuͤſſen des Richters aufs Angeſicht nieder. Nun erhub ſich in allen Himmeln des lauten Weinens Stimme; die Stimme der ſanfteren Wonne; der leiſeren Harfen Jubel entglitt den Stuͤlen der vier und zwanzig Gerechten, Kam zu dem Stule des Sohns, und ſang von dem Todten, der lebte! Wie kann ich reden die Worte, die Abbadona geſagt hat, Da er am Thron’ aufſtand, und zu dem auf dem Throne ſich wandte. Alſo ſagt’ er, und laͤchelte Wonne des ewigen Lebens: O mit welchen feſtlichen Namen, mit welchen Gebeten, Soll ich zuerſt dich nennen, der alſo ſich meiner erbarmt hat? Kinder des Lichts, die ich liebte, zu euch bin ich wiedergekommen! Erſtgeborne der Schoͤpfung, und ihr durch die Wunden des Sohnes Erben des ewigen Lebens, wohin bin ich wiedergekommen? Sagt mir, o ſagt mir, wer rief mich? weß war die Stimme vom Throne, Die beym Namen mich nennte? Du biſt die Quelle des Lebens! Fuͤlle

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/125>, abgerufen am 28.03.2024.