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Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821.

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Einleitung. Vorbereitender Theil.
oder stillschweigende c). Wissenschaftlich kann
das positive Völkerrecht, sowohl eines einzelnen
Staates, als auch mehrerer Staaten zusammen,
namentlich der europäischen d), abgehandelt
werden. Obgleich weder alle Völker einen allge-
meinen Weltstaat (§§. 15, 24 u. f.), noch die eu-
ropäischen insbesondere eine VölkerRepublik
bilden, so ist doch gewiss, dass die letzten einan-
der einen gewissen Inbegriff von Rechten einräu-
men, und dass sie, in dieser Hinsicht, sich in
einer bestimmten Rechtsgemeinschaft befinden.
Es ist also das Daseyn eines europäischen Völker-
rechtes eben so einleuchtend, als die Nothwen-
digkeit und Nützlichkeit seiner wissenschaftlichen
Bearbeitung e).

a) Das Wort Volk (Nation) wird in dreifachem Sinn genommen,
in dem metapolitischen, staatsrechtlichen, und völkerrecht-
lichen. Vergl. unten, §. 20, und J. Th. Roth's Archiv für
das Völkerrecht, Heft I, S. 1--12.
b) Von Einigen auch droit politique oder jus politicum, von
Andern freiwilliges oder willkührliches VR., jus gentium vo-
luntarium, jus foederum, usus gentium, genannt.
c) Ueber die Abtheilung des VR. sind die Meinungen verschie-
den. Einige nehmen ausser dem natürlichen, drei Arten des
positiven VR. an; willkührliches d. h. freiwilliges (volunta-
rium), conventionelles (pactitium), und GewohnheitsVölker-
recht (consuetudinarium). Das letzte kann für wahres Völ-
kerrecht nur dann gelten, wenn es nicht auf blossem Völker-
gebrauch, sondern auf stillschweigenden Verträgen beruht.
Der ersten Art fehlt der wesentliche Charakter eines Zwang-
rechtes. -- Andere unterscheiden überhaupt: 1) bloss natür-
liches Völkerrecht; 2) modificirtes natürliches VR., welches
auf der vermutheten Einwilligung polizirter Völker beruhe;
§. 2.

Einleitung. Vorbereitender Theil.
oder stillschweigende c). Wissenschaftlich kann
das positive Völkerrecht, sowohl eines einzelnen
Staates, als auch mehrerer Staaten zusammen,
namentlich der europäischen d), abgehandelt
werden. Obgleich weder alle Völker einen allge-
meinen Weltstaat (§§. 15, 24 u. f.), noch die eu-
ropäischen insbesondere eine VölkerRepublik
bilden, so ist doch gewiſs, daſs die letzten einan-
der einen gewissen Inbegriff von Rechten einräu-
men, und daſs sie, in dieser Hinsicht, sich in
einer bestimmten Rechtsgemeinschaft befinden.
Es ist also das Daseyn eines europäischen Völker-
rechtes eben so einleuchtend, als die Nothwen-
digkeit und Nützlichkeit seiner wissenschaftlichen
Bearbeitung e).

a) Das Wort Volk (Nation) wird in dreifachem Sinn genommen,
in dem metapolitischen, staatsrechtlichen, und völkerrecht-
lichen. Vergl. unten, §. 20, und J. Th. Roth’s Archiv für
das Völkerrecht, Heft I, S. 1—12.
b) Von Einigen auch droit politique oder jus politicum, von
Andern freiwilliges oder willkührliches VR., jus gentium vo-
luntarium, jus foederum, usus gentium, genannt.
c) Ueber die Abtheilung des VR. sind die Meinungen verschie-
den. Einige nehmen ausser dem natürlichen, drei Arten des
positiven VR. an; willkührliches d. h. freiwilliges (volunta-
rium), conventionelles (pactitium), und GewohnheitsVölker-
recht (consuetudinarium). Das letzte kann für wahres Völ-
kerrecht nur dann gelten, wenn es nicht auf blossem Völker-
gebrauch, sondern auf stillschweigenden Verträgen beruht.
Der ersten Art fehlt der wesentliche Charakter eines Zwang-
rechtes. — Andere unterscheiden überhaupt: 1) bloſs natür-
liches Völkerrecht; 2) modificirtes natürliches VR., welches
auf der vermutheten Einwilligung polizirter Völker beruhe;
§. 2.
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[16/0022] Einleitung. Vorbereitender Theil. oder stillschweigende c). Wissenschaftlich kann das positive Völkerrecht, sowohl eines einzelnen Staates, als auch mehrerer Staaten zusammen, namentlich der europäischen d), abgehandelt werden. Obgleich weder alle Völker einen allge- meinen Weltstaat (§§. 15, 24 u. f.), noch die eu- ropäischen insbesondere eine VölkerRepublik bilden, so ist doch gewiſs, daſs die letzten einan- der einen gewissen Inbegriff von Rechten einräu- men, und daſs sie, in dieser Hinsicht, sich in einer bestimmten Rechtsgemeinschaft befinden. Es ist also das Daseyn eines europäischen Völker- rechtes eben so einleuchtend, als die Nothwen- digkeit und Nützlichkeit seiner wissenschaftlichen Bearbeitung e). §. 2. a⁾ Das Wort Volk (Nation) wird in dreifachem Sinn genommen, in dem metapolitischen, staatsrechtlichen, und völkerrecht- lichen. Vergl. unten, §. 20, und J. Th. Roth’s Archiv für das Völkerrecht, Heft I, S. 1—12. b⁾ Von Einigen auch droit politique oder jus politicum, von Andern freiwilliges oder willkührliches VR., jus gentium vo- luntarium, jus foederum, usus gentium, genannt. c⁾ Ueber die Abtheilung des VR. sind die Meinungen verschie- den. Einige nehmen ausser dem natürlichen, drei Arten des positiven VR. an; willkührliches d. h. freiwilliges (volunta- rium), conventionelles (pactitium), und GewohnheitsVölker- recht (consuetudinarium). Das letzte kann für wahres Völ- kerrecht nur dann gelten, wenn es nicht auf blossem Völker- gebrauch, sondern auf stillschweigenden Verträgen beruht. Der ersten Art fehlt der wesentliche Charakter eines Zwang- rechtes. — Andere unterscheiden überhaupt: 1) bloſs natür- liches Völkerrecht; 2) modificirtes natürliches VR., welches auf der vermutheten Einwilligung polizirter Völker beruhe; 3) Ge-

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Zitationshilfe: Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/22>, abgerufen am 19.04.2024.