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Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821.

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II. Cap. Recht der Verträge.
nach einseitigem Willen zurückzunehmen; so
muss die Heiligkeit a), die unverbrüchliche Hal-
tung der Völkerverträge (sanctitas pactorum gen-
tium publicorum), durch den Staatszweck ge-
botener Grundsatz eines jeden Volkes seyn b).
Heilig sind sie für den Staat, für den ganzen
Staat; denn im Namen des ganzen Staates wer-
den sie geschlossen. Nur mit dem ganzen Staat
hört demnach, im Zweifel, ihre Verbindlichkeit
auf (pacta aeterna et realia); nicht mit der gleich-
zeitigen Staatsverfassung oder Person des regie-
renden Subjectes. Der ewige Staat spricht durch
jeden Regenten c). Wer behauptet, dass die
Verbindlichkeit eines einzelnen Völkervertrags,
oder einer einzelnen Stipulation desselben, ein-
geschränkt sey auf die physische Person des Re-
genten (pactum personale), oder auf die Regen-
ten aus einem bestimmten Stamm d), oder auf
eine bestimmte Staatsverfassung, muss den Be-
weis der von ihm behaupteten Einschränkung
übernehmen e).

a) Kaum bedarf es einer Erinnerung, dass diese Heiligkeit
keine religiöse Beziehung habe; dass also der aufgestellte
Grundsatz ganz unabhängig sey von dem kirchlichen Lehr-
begriff und von der ReligionsVerschiedenheit der Völker.
b) Vergl. Leviathan, or the Matter, Form et Power of a
Common-Wealth, by Thom. Hobres (Lond. 1651. fol.), p. 68.
Corn. van Bynkershoer quaest. jur. publ. lib. II. c. 10. in
s. Operib. omn. T. II. p. 256. G. S. Treuer de auctoritate
et fide gentium. Lips. 1747. 4. Wächter diss. cit. §. 39.
Henr. Fagel diss. de foederum sanctitate (Lugd. Bat. 1785.
4.), cap. 2. p. 14. sqq., besonders p. 23. sqq. u. cap. 4. p.

II. Cap. Recht der Verträge.
nach einseitigem Willen zurückzunehmen; so
muſs die Heiligkeit a), die unverbrüchliche Hal-
tung der Völkerverträge (sanctitas pactorum gen-
tium publicorum), durch den Staatszweck ge-
botener Grundsatz eines jeden Volkes seyn b).
Heilig sind sie für den Staat, für den ganzen
Staat; denn im Namen des ganzen Staates wer-
den sie geschlossen. Nur mit dem ganzen Staat
hört demnach, im Zweifel, ihre Verbindlichkeit
auf (pacta aeterna et realia); nicht mit der gleich-
zeitigen Staatsverfassung oder Person des regie-
renden Subjectes. Der ewige Staat spricht durch
jeden Regenten c). Wer behauptet, daſs die
Verbindlichkeit eines einzelnen Völkervertrags,
oder einer einzelnen Stipulation desselben, ein-
geschränkt sey auf die physische Person des Re-
genten (pactum personale), oder auf die Regen-
ten aus einem bestimmten Stamm d), oder auf
eine bestimmte Staatsverfassung, muſs den Be-
weis der von ihm behaupteten Einschränkung
übernehmen e).

a) Kaum bedarf es einer Erinnerung, daſs diese Heiligkeit
keine religiöse Beziehung habe; daſs also der aufgestellte
Grundsatz ganz unabhängig sey von dem kirchlichen Lehr-
begriff und von der ReligionsVerschiedenheit der Völker.
b) Vergl. Leviathan, or the Matter, Form et Power of a
Common-Wealth, by Thom. Hobres (Lond. 1651. fol.), p. 68.
Corn. van Bynkershoer quaest. jur. publ. lib. II. c. 10. in
s. Operib. omn. T. II. p. 256. G. S. Treuer de auctoritate
et fide gentium. Lips. 1747. 4. Wächter diss. cit. §. 39.
Henr. Fagel diss. de foederum sanctitate (Lugd. Bat. 1785.
4.), cap. 2. p. 14. sqq., besonders p. 23. sqq. u. cap. 4. p.
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[235/0241] II. Cap. Recht der Verträge. nach einseitigem Willen zurückzunehmen; so muſs die Heiligkeit a), die unverbrüchliche Hal- tung der Völkerverträge (sanctitas pactorum gen- tium publicorum), durch den Staatszweck ge- botener Grundsatz eines jeden Volkes seyn b). Heilig sind sie für den Staat, für den ganzen Staat; denn im Namen des ganzen Staates wer- den sie geschlossen. Nur mit dem ganzen Staat hört demnach, im Zweifel, ihre Verbindlichkeit auf (pacta aeterna et realia); nicht mit der gleich- zeitigen Staatsverfassung oder Person des regie- renden Subjectes. Der ewige Staat spricht durch jeden Regenten c). Wer behauptet, daſs die Verbindlichkeit eines einzelnen Völkervertrags, oder einer einzelnen Stipulation desselben, ein- geschränkt sey auf die physische Person des Re- genten (pactum personale), oder auf die Regen- ten aus einem bestimmten Stamm d), oder auf eine bestimmte Staatsverfassung, muſs den Be- weis der von ihm behaupteten Einschränkung übernehmen e). a⁾ Kaum bedarf es einer Erinnerung, daſs diese Heiligkeit keine religiöse Beziehung habe; daſs also der aufgestellte Grundsatz ganz unabhängig sey von dem kirchlichen Lehr- begriff und von der ReligionsVerschiedenheit der Völker. b⁾ Vergl. Leviathan, or the Matter, Form et Power of a Common-Wealth, by Thom. Hobres (Lond. 1651. fol.), p. 68. Corn. van Bynkershoer quaest. jur. publ. lib. II. c. 10. in s. Operib. omn. T. II. p. 256. G. S. Treuer de auctoritate et fide gentium. Lips. 1747. 4. Wächter diss. cit. §. 39. Henr. Fagel diss. de foederum sanctitate (Lugd. Bat. 1785. 4.), cap. 2. p. 14. sqq., besonders p. 23. sqq. u. cap. 4. p.

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Zitationshilfe: Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/241>, abgerufen am 29.03.2024.