ja! in Betheuerungen und Schwüren, daß man ohne Scheu ein unter dem Siegel des Still¬ schweigens uns anvertrauetes Geheimniß gewis¬ senloserweise ausbreitet. Andre Menschen, die weniger pflichtvergessen, aber höchst leichtsinnig sind, können ihrer Redseligkeit keinen Zaum an¬ legen. Sie vergessen, daß man sie gebethen hat, zu schweigen, und so erzählen sie, aus unverzeyh¬ licher Unvorsichtigkeit, die wichtigsten Geheim¬ nisse ihrer Freunde an öffentlichen Wirthstafeln. Oder, indem sie Jedem, der ihnen in dem Drange sich zu entladen in den Wurf kömmt, für einen treuen Freund ansehen, vertrauen sie das, was sie doch nicht als ihr Eigenthum betrachten soll¬ ten, eben so leichtsinnigen Leuten an, als sie selbst sind. Solche Menschen gehen denn auch nicht weniger unklug mit ihren eigenen Heimlichkeiten, Planen und Begebenheiten um, zerstöhren dadurch sehr oft ihre zeitliche Glückseligkeit, und vernich¬ ten ihre Absichten.
Welchen Nachtheil überhaupt solche unvor¬ sichtige Bewahrung fremder und eigener Geheim¬ nisse gewährt, das bedarf wohl keiner weitläufti¬ gen Auseinandersetzung. Es giebt aber eine
Men¬
ja! in Betheuerungen und Schwuͤren, daß man ohne Scheu ein unter dem Siegel des Still¬ ſchweigens uns anvertrauetes Geheimniß gewiſ¬ ſenloſerweiſe ausbreitet. Andre Menſchen, die weniger pflichtvergeſſen, aber hoͤchſt leichtſinnig ſind, koͤnnen ihrer Redſeligkeit keinen Zaum an¬ legen. Sie vergeſſen, daß man ſie gebethen hat, zu ſchweigen, und ſo erzaͤhlen ſie, aus unverzeyh¬ licher Unvorſichtigkeit, die wichtigſten Geheim¬ niſſe ihrer Freunde an oͤffentlichen Wirthstafeln. Oder, indem ſie Jedem, der ihnen in dem Drange ſich zu entladen in den Wurf koͤmmt, fuͤr einen treuen Freund anſehen, vertrauen ſie das, was ſie doch nicht als ihr Eigenthum betrachten ſoll¬ ten, eben ſo leichtſinnigen Leuten an, als ſie ſelbſt ſind. Solche Menſchen gehen denn auch nicht weniger unklug mit ihren eigenen Heimlichkeiten, Planen und Begebenheiten um, zerſtoͤhren dadurch ſehr oft ihre zeitliche Gluͤckſeligkeit, und vernich¬ ten ihre Abſichten.
Welchen Nachtheil uͤberhaupt ſolche unvor¬ ſichtige Bewahrung fremder und eigener Geheim¬ niſſe gewaͤhrt, das bedarf wohl keiner weitlaͤufti¬ gen Auseinanderſetzung. Es giebt aber eine
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[84/0114]
ja! in Betheuerungen und Schwuͤren, daß man
ohne Scheu ein unter dem Siegel des Still¬
ſchweigens uns anvertrauetes Geheimniß gewiſ¬
ſenloſerweiſe ausbreitet. Andre Menſchen, die
weniger pflichtvergeſſen, aber hoͤchſt leichtſinnig
ſind, koͤnnen ihrer Redſeligkeit keinen Zaum an¬
legen. Sie vergeſſen, daß man ſie gebethen hat,
zu ſchweigen, und ſo erzaͤhlen ſie, aus unverzeyh¬
licher Unvorſichtigkeit, die wichtigſten Geheim¬
niſſe ihrer Freunde an oͤffentlichen Wirthstafeln.
Oder, indem ſie Jedem, der ihnen in dem Drange
ſich zu entladen in den Wurf koͤmmt, fuͤr einen
treuen Freund anſehen, vertrauen ſie das, was
ſie doch nicht als ihr Eigenthum betrachten ſoll¬
ten, eben ſo leichtſinnigen Leuten an, als ſie ſelbſt
ſind. Solche Menſchen gehen denn auch nicht
weniger unklug mit ihren eigenen Heimlichkeiten,
Planen und Begebenheiten um, zerſtoͤhren dadurch
ſehr oft ihre zeitliche Gluͤckſeligkeit, und vernich¬
ten ihre Abſichten.
Welchen Nachtheil uͤberhaupt ſolche unvor¬
ſichtige Bewahrung fremder und eigener Geheim¬
niſſe gewaͤhrt, das bedarf wohl keiner weitlaͤufti¬
gen Auseinanderſetzung. Es giebt aber eine
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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/114>, abgerufen am 25.04.2024.
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