und derselben Schande und Nachtheil bringt, als die Ausschweifungen des Mannes dies thun; da sie vielmehr von dem äussern Rufe abhängt, als er; endlich da Verschwiegenheit mehr eine männliche, als weibliche Tugend ist; so kann es wohl seltener gut seyn, wenn die Frau ohne ihres Mannes Wissen Schritte un¬ ternimt, und dieselben vor ihm verheimlicht. Er hingegen, der an den Staat geknüpft ist, oft Geheimnisse zu bewahren hat, die nicht ihm gehören, und durch deren Verbreitung er mit Andern in Verlegenheit kommen kann, Er der das Ganze seines Hauswesens übersehn soll, auch vielfältig den Plan, nach welchem er handelt, nicht den schwächern Einsichten unter¬ werfen darf, sondern fest und unverschüttert sei¬ nem Verstande und Herzen folgen und das Ur¬ theil des Volks verachten muß; er kann ohn¬ möglich immer so alles erzählen und mittheilen. Verschiedenheit der Lagen aber kann diesen Ge¬ sichtspunct verrücken. Es giebt Männer, die sehr übel fahren würden, wenn sie einen einzi¬ gen Schritt ohne Rath und Wissen ihrer Wei¬ ber thäten; Es giebt sehr plauderhafte Herrn und sehr verschwiegene Damen. Eine Frau
kann
J 5
und derſelben Schande und Nachtheil bringt, als die Ausſchweifungen des Mannes dies thun; da ſie vielmehr von dem aͤuſſern Rufe abhaͤngt, als er; endlich da Verſchwiegenheit mehr eine maͤnnliche, als weibliche Tugend iſt; ſo kann es wohl ſeltener gut ſeyn, wenn die Frau ohne ihres Mannes Wiſſen Schritte un¬ ternimt, und dieſelben vor ihm verheimlicht. Er hingegen, der an den Staat geknuͤpft iſt, oft Geheimniſſe zu bewahren hat, die nicht ihm gehoͤren, und durch deren Verbreitung er mit Andern in Verlegenheit kommen kann, Er der das Ganze ſeines Hausweſens uͤberſehn ſoll, auch vielfaͤltig den Plan, nach welchem er handelt, nicht den ſchwaͤchern Einſichten unter¬ werfen darf, ſondern feſt und unverſchuͤttert ſei¬ nem Verſtande und Herzen folgen und das Ur¬ theil des Volks verachten muß; er kann ohn¬ moͤglich immer ſo alles erzaͤhlen und mittheilen. Verſchiedenheit der Lagen aber kann dieſen Ge¬ ſichtspunct verruͤcken. Es giebt Maͤnner, die ſehr uͤbel fahren wuͤrden, wenn ſie einen einzi¬ gen Schritt ohne Rath und Wiſſen ihrer Wei¬ ber thaͤten; Es giebt ſehr plauderhafte Herrn und ſehr verſchwiegene Damen. Eine Frau
kann
J 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0167"n="137"/>
und derſelben Schande und Nachtheil bringt,<lb/>
als die Ausſchweifungen des Mannes dies<lb/>
thun; da ſie vielmehr von dem aͤuſſern Rufe<lb/>
abhaͤngt, als er; endlich da Verſchwiegenheit<lb/>
mehr eine maͤnnliche, als weibliche Tugend iſt;<lb/>ſo kann es wohl ſeltener gut ſeyn, wenn die<lb/>
Frau ohne ihres Mannes Wiſſen Schritte un¬<lb/>
ternimt, und dieſelben vor ihm verheimlicht.<lb/>
Er hingegen, der an den Staat geknuͤpft iſt,<lb/>
oft Geheimniſſe zu bewahren hat, die nicht<lb/>
ihm gehoͤren, und durch deren Verbreitung er<lb/>
mit Andern in Verlegenheit kommen kann, Er<lb/>
der das Ganze ſeines Hausweſens uͤberſehn<lb/>ſoll, auch vielfaͤltig den Plan, nach welchem er<lb/>
handelt, nicht den ſchwaͤchern Einſichten unter¬<lb/>
werfen darf, ſondern <choice><sic>ſeſt</sic><corr>feſt</corr></choice> und unverſchuͤttert ſei¬<lb/>
nem Verſtande und Herzen folgen und das Ur¬<lb/>
theil des Volks verachten muß; er kann ohn¬<lb/>
moͤglich immer ſo alles erzaͤhlen und mittheilen.<lb/>
Verſchiedenheit der Lagen aber kann dieſen Ge¬<lb/>ſichtspunct verruͤcken. Es giebt Maͤnner, die<lb/>ſehr uͤbel fahren wuͤrden, wenn ſie einen einzi¬<lb/>
gen Schritt ohne Rath und Wiſſen ihrer Wei¬<lb/>
ber thaͤten; Es giebt <choice><sic>ſebr</sic><corr>ſehr</corr></choice> plauderhafte Herrn<lb/>
und ſehr verſchwiegene Damen. Eine Frau<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kann<lb/></fw><fwplace="bottom"type="sig">J 5<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[137/0167]
und derſelben Schande und Nachtheil bringt,
als die Ausſchweifungen des Mannes dies
thun; da ſie vielmehr von dem aͤuſſern Rufe
abhaͤngt, als er; endlich da Verſchwiegenheit
mehr eine maͤnnliche, als weibliche Tugend iſt;
ſo kann es wohl ſeltener gut ſeyn, wenn die
Frau ohne ihres Mannes Wiſſen Schritte un¬
ternimt, und dieſelben vor ihm verheimlicht.
Er hingegen, der an den Staat geknuͤpft iſt,
oft Geheimniſſe zu bewahren hat, die nicht
ihm gehoͤren, und durch deren Verbreitung er
mit Andern in Verlegenheit kommen kann, Er
der das Ganze ſeines Hausweſens uͤberſehn
ſoll, auch vielfaͤltig den Plan, nach welchem er
handelt, nicht den ſchwaͤchern Einſichten unter¬
werfen darf, ſondern feſt und unverſchuͤttert ſei¬
nem Verſtande und Herzen folgen und das Ur¬
theil des Volks verachten muß; er kann ohn¬
moͤglich immer ſo alles erzaͤhlen und mittheilen.
Verſchiedenheit der Lagen aber kann dieſen Ge¬
ſichtspunct verruͤcken. Es giebt Maͤnner, die
ſehr uͤbel fahren wuͤrden, wenn ſie einen einzi¬
gen Schritt ohne Rath und Wiſſen ihrer Wei¬
ber thaͤten; Es giebt ſehr plauderhafte Herrn
und ſehr verſchwiegene Damen. Eine Frau
kann
J 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/167>, abgerufen am 24.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.