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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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und derselben Schande und Nachtheil bringt,
als die Ausschweifungen des Mannes dies
thun; da sie vielmehr von dem äussern Rufe
abhängt, als er; endlich da Verschwiegenheit
mehr eine männliche, als weibliche Tugend ist;
so kann es wohl seltener gut seyn, wenn die
Frau ohne ihres Mannes Wissen Schritte un¬
ternimt, und dieselben vor ihm verheimlicht.
Er hingegen, der an den Staat geknüpft ist,
oft Geheimnisse zu bewahren hat, die nicht
ihm gehören, und durch deren Verbreitung er
mit Andern in Verlegenheit kommen kann, Er
der das Ganze seines Hauswesens übersehn
soll, auch vielfältig den Plan, nach welchem er
handelt, nicht den schwächern Einsichten unter¬
werfen darf, sondern fest und unverschüttert sei¬
nem Verstande und Herzen folgen und das Ur¬
theil des Volks verachten muß; er kann ohn¬
möglich immer so alles erzählen und mittheilen.
Verschiedenheit der Lagen aber kann diesen Ge¬
sichtspunct verrücken. Es giebt Männer, die
sehr übel fahren würden, wenn sie einen einzi¬
gen Schritt ohne Rath und Wissen ihrer Wei¬
ber thäten; Es giebt sehr plauderhafte Herrn
und sehr verschwiegene Damen. Eine Frau

kann
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und derſelben Schande und Nachtheil bringt,
als die Ausſchweifungen des Mannes dies
thun; da ſie vielmehr von dem aͤuſſern Rufe
abhaͤngt, als er; endlich da Verſchwiegenheit
mehr eine maͤnnliche, als weibliche Tugend iſt;
ſo kann es wohl ſeltener gut ſeyn, wenn die
Frau ohne ihres Mannes Wiſſen Schritte un¬
ternimt, und dieſelben vor ihm verheimlicht.
Er hingegen, der an den Staat geknuͤpft iſt,
oft Geheimniſſe zu bewahren hat, die nicht
ihm gehoͤren, und durch deren Verbreitung er
mit Andern in Verlegenheit kommen kann, Er
der das Ganze ſeines Hausweſens uͤberſehn
ſoll, auch vielfaͤltig den Plan, nach welchem er
handelt, nicht den ſchwaͤchern Einſichten unter¬
werfen darf, ſondern feſt und unverſchuͤttert ſei¬
nem Verſtande und Herzen folgen und das Ur¬
theil des Volks verachten muß; er kann ohn¬
moͤglich immer ſo alles erzaͤhlen und mittheilen.
Verſchiedenheit der Lagen aber kann dieſen Ge¬
ſichtspunct verruͤcken. Es giebt Maͤnner, die
ſehr uͤbel fahren wuͤrden, wenn ſie einen einzi¬
gen Schritt ohne Rath und Wiſſen ihrer Wei¬
ber thaͤten; Es giebt ſehr plauderhafte Herrn
und ſehr verſchwiegene Damen. Eine Frau

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[137/0167] und derſelben Schande und Nachtheil bringt, als die Ausſchweifungen des Mannes dies thun; da ſie vielmehr von dem aͤuſſern Rufe abhaͤngt, als er; endlich da Verſchwiegenheit mehr eine maͤnnliche, als weibliche Tugend iſt; ſo kann es wohl ſeltener gut ſeyn, wenn die Frau ohne ihres Mannes Wiſſen Schritte un¬ ternimt, und dieſelben vor ihm verheimlicht. Er hingegen, der an den Staat geknuͤpft iſt, oft Geheimniſſe zu bewahren hat, die nicht ihm gehoͤren, und durch deren Verbreitung er mit Andern in Verlegenheit kommen kann, Er der das Ganze ſeines Hausweſens uͤberſehn ſoll, auch vielfaͤltig den Plan, nach welchem er handelt, nicht den ſchwaͤchern Einſichten unter¬ werfen darf, ſondern feſt und unverſchuͤttert ſei¬ nem Verſtande und Herzen folgen und das Ur¬ theil des Volks verachten muß; er kann ohn¬ moͤglich immer ſo alles erzaͤhlen und mittheilen. Verſchiedenheit der Lagen aber kann dieſen Ge¬ ſichtspunct verruͤcken. Es giebt Maͤnner, die ſehr uͤbel fahren wuͤrden, wenn ſie einen einzi¬ gen Schritt ohne Rath und Wiſſen ihrer Wei¬ ber thaͤten; Es giebt ſehr plauderhafte Herrn und ſehr verſchwiegene Damen. Eine Frau kann J 5

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/167>, abgerufen am 24.04.2024.