Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Haushaltung den Ehemann und Vater in
Armuth gestürzt hat, und er nun den Blick
umherwirft auf die Personen seiner Familie,
die von ihm Unterhalt, Nahrung, Wartung,
Erziehung, Vergnügen fordern; wenn er dann
oft nicht weiß, woher er auf morgen Brod
nehmen, wovon er die großen Mädchen kleiden
soll, die ihre jetzigen Lumpen bald aufgerissen
haben; oder wenn seine bürgerliche Ehre, seine
Beförderung, die Versorgung seiner Kinder
davon abhängt, daß er mit den Seinigen in
einem gewissen anständigen Aufzuge, vielleicht
gar mit einigem Glanze erscheine, und es doch
von allen Seiten dazu fehlt; Wenn das Sil¬
ber-Geräthe vom Wucherer, wo es im Versatze
steht, auf einen Mittag geborgt werden muß,
um Gäste darauf bewirthen zu können, indeß
unten im Hause ein Knabe wartet, der es
gleich nach der Mahlzeit wieder in Empfang
nehmen soll; Wenn Gläubiger und Advocaten
ihn in die Enge treiben, und Juden an den
Zipfeln seines schlaffen Geldbeutels melken;
dann fallen böse Launen, Krankheit des Leibes
und der Seele den Unglücklichen an; Verzweif¬
lung ergreift ihn; er sucht sich zu betäuben,

ver

Haushaltung den Ehemann und Vater in
Armuth geſtuͤrzt hat, und er nun den Blick
umherwirft auf die Perſonen ſeiner Familie,
die von ihm Unterhalt, Nahrung, Wartung,
Erziehung, Vergnuͤgen fordern; wenn er dann
oft nicht weiß, woher er auf morgen Brod
nehmen, wovon er die großen Maͤdchen kleiden
ſoll, die ihre jetzigen Lumpen bald aufgeriſſen
haben; oder wenn ſeine buͤrgerliche Ehre, ſeine
Befoͤrderung, die Verſorgung ſeiner Kinder
davon abhaͤngt, daß er mit den Seinigen in
einem gewiſſen anſtaͤndigen Aufzuge, vielleicht
gar mit einigem Glanze erſcheine, und es doch
von allen Seiten dazu fehlt; Wenn das Sil¬
ber-Geraͤthe vom Wucherer, wo es im Verſatze
ſteht, auf einen Mittag geborgt werden muß,
um Gaͤſte darauf bewirthen zu koͤnnen, indeß
unten im Hauſe ein Knabe wartet, der es
gleich nach der Mahlzeit wieder in Empfang
nehmen ſoll; Wenn Glaͤubiger und Advocaten
ihn in die Enge treiben, und Juden an den
Zipfeln ſeines ſchlaffen Geldbeutels melken;
dann fallen boͤſe Launen, Krankheit des Leibes
und der Seele den Ungluͤcklichen an; Verzweif¬
lung ergreift ihn; er ſucht ſich zu betaͤuben,

ver
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0172" n="142"/>
Haushaltung den Ehemann und Vater in<lb/>
Armuth ge&#x017F;tu&#x0364;rzt hat, und er nun den Blick<lb/>
umherwirft auf die Per&#x017F;onen &#x017F;einer Familie,<lb/>
die von ihm Unterhalt, Nahrung, Wartung,<lb/>
Erziehung, Vergnu&#x0364;gen fordern; wenn er dann<lb/>
oft nicht weiß, woher er auf morgen Brod<lb/>
nehmen, wovon er die großen Ma&#x0364;dchen kleiden<lb/>
&#x017F;oll, die ihre jetzigen Lumpen bald aufgeri&#x017F;&#x017F;en<lb/>
haben; oder wenn &#x017F;eine bu&#x0364;rgerliche Ehre, &#x017F;eine<lb/>
Befo&#x0364;rderung, die Ver&#x017F;orgung &#x017F;einer Kinder<lb/>
davon abha&#x0364;ngt, daß er mit den Seinigen in<lb/>
einem gewi&#x017F;&#x017F;en an&#x017F;ta&#x0364;ndigen Aufzuge, vielleicht<lb/>
gar mit einigem Glanze er&#x017F;cheine, und es doch<lb/>
von allen Seiten dazu fehlt; Wenn das Sil¬<lb/>
ber-Gera&#x0364;the vom Wucherer, wo es im Ver&#x017F;atze<lb/>
&#x017F;teht, auf einen Mittag geborgt werden muß,<lb/>
um Ga&#x0364;&#x017F;te darauf bewirthen zu ko&#x0364;nnen, indeß<lb/>
unten im Hau&#x017F;e ein Knabe wartet, der es<lb/>
gleich nach der Mahlzeit wieder in Empfang<lb/>
nehmen &#x017F;oll; Wenn Gla&#x0364;ubiger und Advocaten<lb/>
ihn in die Enge treiben, und Juden an den<lb/>
Zipfeln &#x017F;eines &#x017F;chlaffen Geldbeutels melken;<lb/>
dann fallen bo&#x0364;&#x017F;e Launen, Krankheit des Leibes<lb/>
und der Seele den Unglu&#x0364;cklichen an; Verzweif¬<lb/>
lung ergreift ihn; er &#x017F;ucht &#x017F;ich zu beta&#x0364;uben,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0172] Haushaltung den Ehemann und Vater in Armuth geſtuͤrzt hat, und er nun den Blick umherwirft auf die Perſonen ſeiner Familie, die von ihm Unterhalt, Nahrung, Wartung, Erziehung, Vergnuͤgen fordern; wenn er dann oft nicht weiß, woher er auf morgen Brod nehmen, wovon er die großen Maͤdchen kleiden ſoll, die ihre jetzigen Lumpen bald aufgeriſſen haben; oder wenn ſeine buͤrgerliche Ehre, ſeine Befoͤrderung, die Verſorgung ſeiner Kinder davon abhaͤngt, daß er mit den Seinigen in einem gewiſſen anſtaͤndigen Aufzuge, vielleicht gar mit einigem Glanze erſcheine, und es doch von allen Seiten dazu fehlt; Wenn das Sil¬ ber-Geraͤthe vom Wucherer, wo es im Verſatze ſteht, auf einen Mittag geborgt werden muß, um Gaͤſte darauf bewirthen zu koͤnnen, indeß unten im Hauſe ein Knabe wartet, der es gleich nach der Mahlzeit wieder in Empfang nehmen ſoll; Wenn Glaͤubiger und Advocaten ihn in die Enge treiben, und Juden an den Zipfeln ſeines ſchlaffen Geldbeutels melken; dann fallen boͤſe Launen, Krankheit des Leibes und der Seele den Ungluͤcklichen an; Verzweif¬ lung ergreift ihn; er ſucht ſich zu betaͤuben, ver

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/172
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/172>, abgerufen am 23.04.2024.