Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

gleich sie ihn, früher als er sie, auf den Fuß
getreten hatte, war Schuld daran, daß er
nachher aller Orten, wo sein Schicksal ihn
nöthigte, Schutz und Glück zu suchen, Wi¬
derstand und fast unübersteigliches Hinderniß
fand, daß heimliche, durch allerley Wege ge¬
wonnene Verleumder, mit bösem Gerüchte
vor ihm hergiengen, um jeden Schritt zu hin¬
dern, jeden unschuldigen Plan zu vereiteln,
den er zu seinem Fortkommen und zum Wohl
seiner Familie anlegte. Ihm half nicht das
vorsichtigste, untadelhafteste Betragen, nicht
die öffentliche Erklärung, wie sehr er sein Un¬
recht erkenne -- Die rachgierige Frau hörte
nicht auf, ihn zu verfolgen, bis er endlich frey¬
willig allem entsagte, wozu man die Hülfe An¬
drer braucht, und sich auf eine häusliche Exi¬
stenz einschränkte, die sie ihm nicht rauben
kann -- Und das that eine Frau, in deren
Macht es gestanden hätte, viel Menschen glück¬
lich zu machen, und die von der Natur mit
sehr seltenen Vorzügen des Cörpers und des
Geistes ausgerüstet war.

Es scheint übrigens in der Natur zu lie¬
gen, daß Schwächere immer grausamer in ih¬

rer

gleich ſie ihn, fruͤher als er ſie, auf den Fuß
getreten hatte, war Schuld daran, daß er
nachher aller Orten, wo ſein Schickſal ihn
noͤthigte, Schutz und Gluͤck zu ſuchen, Wi¬
derſtand und faſt unuͤberſteigliches Hinderniß
fand, daß heimliche, durch allerley Wege ge¬
wonnene Verleumder, mit boͤſem Geruͤchte
vor ihm hergiengen, um jeden Schritt zu hin¬
dern, jeden unſchuldigen Plan zu vereiteln,
den er zu ſeinem Fortkommen und zum Wohl
ſeiner Familie anlegte. Ihm half nicht das
vorſichtigſte, untadelhafteſte Betragen, nicht
die oͤffentliche Erklaͤrung, wie ſehr er ſein Un¬
recht erkenne — Die rachgierige Frau hoͤrte
nicht auf, ihn zu verfolgen, bis er endlich frey¬
willig allem entſagte, wozu man die Huͤlfe An¬
drer braucht, und ſich auf eine haͤusliche Exi¬
ſtenz einſchraͤnkte, die ſie ihm nicht rauben
kann — Und das that eine Frau, in deren
Macht es geſtanden haͤtte, viel Menſchen gluͤck¬
lich zu machen, und die von der Natur mit
ſehr ſeltenen Vorzuͤgen des Coͤrpers und des
Geiſtes ausgeruͤſtet war.

Es ſcheint uͤbrigens in der Natur zu lie¬
gen, daß Schwaͤchere immer grauſamer in ih¬

rer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0216" n="186"/>
gleich &#x017F;ie ihn, fru&#x0364;her als er &#x017F;ie, auf den Fuß<lb/>
getreten hatte, war Schuld daran, daß er<lb/>
nachher aller Orten, wo &#x017F;ein Schick&#x017F;al ihn<lb/>
no&#x0364;thigte, Schutz und Glu&#x0364;ck zu &#x017F;uchen, Wi¬<lb/>
der&#x017F;tand und fa&#x017F;t unu&#x0364;ber&#x017F;teigliches Hinderniß<lb/>
fand, daß heimliche, durch allerley Wege ge¬<lb/>
wonnene Verleumder, mit bo&#x0364;&#x017F;em Geru&#x0364;chte<lb/>
vor ihm hergiengen, um jeden Schritt zu hin¬<lb/>
dern, jeden un&#x017F;chuldigen Plan zu vereiteln,<lb/>
den er zu &#x017F;einem Fortkommen und zum Wohl<lb/>
&#x017F;einer Familie anlegte. Ihm half nicht das<lb/>
vor&#x017F;ichtig&#x017F;te, untadelhafte&#x017F;te Betragen, nicht<lb/>
die o&#x0364;ffentliche Erkla&#x0364;rung, wie &#x017F;ehr er &#x017F;ein Un¬<lb/>
recht erkenne &#x2014; Die rachgierige Frau ho&#x0364;rte<lb/>
nicht auf, ihn zu verfolgen, bis er endlich frey¬<lb/>
willig allem ent&#x017F;agte, wozu man die Hu&#x0364;lfe An¬<lb/>
drer braucht, und &#x017F;ich auf eine ha&#x0364;usliche Exi¬<lb/>
&#x017F;tenz ein&#x017F;chra&#x0364;nkte, die &#x017F;ie ihm nicht rauben<lb/>
kann &#x2014; Und das that eine Frau, in deren<lb/>
Macht es ge&#x017F;tanden ha&#x0364;tte, viel Men&#x017F;chen glu&#x0364;ck¬<lb/>
lich zu machen, und die von der Natur mit<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;eltenen Vorzu&#x0364;gen des Co&#x0364;rpers und des<lb/>
Gei&#x017F;tes ausgeru&#x0364;&#x017F;tet war.</p><lb/>
            <p>Es &#x017F;cheint u&#x0364;brigens in der Natur zu lie¬<lb/>
gen, daß Schwa&#x0364;chere immer grau&#x017F;amer in ih¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rer<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0216] gleich ſie ihn, fruͤher als er ſie, auf den Fuß getreten hatte, war Schuld daran, daß er nachher aller Orten, wo ſein Schickſal ihn noͤthigte, Schutz und Gluͤck zu ſuchen, Wi¬ derſtand und faſt unuͤberſteigliches Hinderniß fand, daß heimliche, durch allerley Wege ge¬ wonnene Verleumder, mit boͤſem Geruͤchte vor ihm hergiengen, um jeden Schritt zu hin¬ dern, jeden unſchuldigen Plan zu vereiteln, den er zu ſeinem Fortkommen und zum Wohl ſeiner Familie anlegte. Ihm half nicht das vorſichtigſte, untadelhafteſte Betragen, nicht die oͤffentliche Erklaͤrung, wie ſehr er ſein Un¬ recht erkenne — Die rachgierige Frau hoͤrte nicht auf, ihn zu verfolgen, bis er endlich frey¬ willig allem entſagte, wozu man die Huͤlfe An¬ drer braucht, und ſich auf eine haͤusliche Exi¬ ſtenz einſchraͤnkte, die ſie ihm nicht rauben kann — Und das that eine Frau, in deren Macht es geſtanden haͤtte, viel Menſchen gluͤck¬ lich zu machen, und die von der Natur mit ſehr ſeltenen Vorzuͤgen des Coͤrpers und des Geiſtes ausgeruͤſtet war. Es ſcheint uͤbrigens in der Natur zu lie¬ gen, daß Schwaͤchere immer grauſamer in ih¬ rer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/216
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/216>, abgerufen am 24.04.2024.