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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788.

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dieser Augenblick vorüber ist. Vielleicht fühlt
er gar nichts bey seiner Freundlichkeit, wechselt
Mienen, wie Andre Kleider wechseln, ist grade
in der Verdauungs-Stunde zu unthätigem
Wohlwollen gestimmt, oder will einen Andern
von seinen Sclaven dadurch demüthigen. Man
bleibe mit dieser Gattung Menschen immer in
seinen Schranken, mache sich nicht gemein mit
ihnen, und vernachlässige nie die äussere unter¬
scheidende Höflichkeit und Ehrerbiethung, die
man ihrem Stande schuldig ist, sollten sie sich
auch noch so sehr herablassen! Früh oder spät
fällt es ihnen doch ein, ihr Haupt wieder empor
zu heben, oder sie verabsäumen uns, wenn ein
andrer Schmeichler sie an sich zieht, und dann
setzt man sich unangenehmen Demüthigungen
aus, die man mit weiser Vorsicht vermeiden kann.

6.

Ueberschreite nicht bey Deiner Gefälligkeit
gegen die Großen der Erde, in deren Händen
Dein bürgerliches Glücke ist, die Grenzen der
wahren Ehre! Es ist eine große Versuchung für
einen armen oder ehrbegierigen jungen Men¬
schen, der in dem Dienst eines schwachen Für¬

sten

dieſer Augenblick voruͤber iſt. Vielleicht fuͤhlt
er gar nichts bey ſeiner Freundlichkeit, wechſelt
Mienen, wie Andre Kleider wechſeln, iſt grade
in der Verdauungs-Stunde zu unthaͤtigem
Wohlwollen geſtimmt, oder will einen Andern
von ſeinen Sclaven dadurch demuͤthigen. Man
bleibe mit dieſer Gattung Menſchen immer in
ſeinen Schranken, mache ſich nicht gemein mit
ihnen, und vernachlaͤſſige nie die aͤuſſere unter¬
ſcheidende Hoͤflichkeit und Ehrerbiethung, die
man ihrem Stande ſchuldig iſt, ſollten ſie ſich
auch noch ſo ſehr herablaſſen! Fruͤh oder ſpaͤt
faͤllt es ihnen doch ein, ihr Haupt wieder empor
zu heben, oder ſie verabſaͤumen uns, wenn ein
andrer Schmeichler ſie an ſich zieht, und dann
ſetzt man ſich unangenehmen Demuͤthigungen
aus, die man mit weiſer Vorſicht vermeiden kann.

6.

Ueberſchreite nicht bey Deiner Gefaͤlligkeit
gegen die Großen der Erde, in deren Haͤnden
Dein buͤrgerliches Gluͤcke iſt, die Grenzen der
wahren Ehre! Es iſt eine große Verſuchung fuͤr
einen armen oder ehrbegierigen jungen Men¬
ſchen, der in dem Dienſt eines ſchwachen Fuͤr¬

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[8/0030] dieſer Augenblick voruͤber iſt. Vielleicht fuͤhlt er gar nichts bey ſeiner Freundlichkeit, wechſelt Mienen, wie Andre Kleider wechſeln, iſt grade in der Verdauungs-Stunde zu unthaͤtigem Wohlwollen geſtimmt, oder will einen Andern von ſeinen Sclaven dadurch demuͤthigen. Man bleibe mit dieſer Gattung Menſchen immer in ſeinen Schranken, mache ſich nicht gemein mit ihnen, und vernachlaͤſſige nie die aͤuſſere unter¬ ſcheidende Hoͤflichkeit und Ehrerbiethung, die man ihrem Stande ſchuldig iſt, ſollten ſie ſich auch noch ſo ſehr herablaſſen! Fruͤh oder ſpaͤt faͤllt es ihnen doch ein, ihr Haupt wieder empor zu heben, oder ſie verabſaͤumen uns, wenn ein andrer Schmeichler ſie an ſich zieht, und dann ſetzt man ſich unangenehmen Demuͤthigungen aus, die man mit weiſer Vorſicht vermeiden kann. 6. Ueberſchreite nicht bey Deiner Gefaͤlligkeit gegen die Großen der Erde, in deren Haͤnden Dein buͤrgerliches Gluͤcke iſt, die Grenzen der wahren Ehre! Es iſt eine große Verſuchung fuͤr einen armen oder ehrbegierigen jungen Men¬ ſchen, der in dem Dienſt eines ſchwachen Fuͤr¬ ſten

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 2. Hannover, 1788, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang02_1788/30>, abgerufen am 29.03.2024.