Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Heinrich mußte nun exerciren lernen, mußte
den Stok eines versoffenen Korporals täglich
empfinden, durfte sich mit keinem Wort verant-
worten, und schon eine verdrossene Mine zog
ihm Schläge nach. Er klagte dies seinen Kame-
raden, diese beredten ihn zur Flucht; er dachte
an seine Marie und nahm den Vorschlag an.
Sie stiegen über die Stadtmauer, legten eine
halbe Meile in steter Furcht zurük, wurden von
Bauern umzingelt, und an das Regiment abge-
liefert. Heinrich mußte vier und zwanzig mal
Gassen laufen. Sein Körper war einer solchen
Behandlung nicht gewohnt, und er sank unter den
Streichen seiner Kameraden zu Boden. Tages
darauf starb er, und sein lezter Hauch war Ma-
rie. Dort wo kein tirannischer Vater, keine
barbarische Krieger sind, werden sie sich wieder
finden und glüklich sein.


H 3

Heinrich mußte nun exerciren lernen, mußte
den Stok eines verſoffenen Korporals taͤglich
empfinden, durfte ſich mit keinem Wort verant-
worten, und ſchon eine verdroſſene Mine zog
ihm Schlaͤge nach. Er klagte dies ſeinen Kame-
raden, dieſe beredten ihn zur Flucht; er dachte
an ſeine Marie und nahm den Vorſchlag an.
Sie ſtiegen uͤber die Stadtmauer, legten eine
halbe Meile in ſteter Furcht zuruͤk, wurden von
Bauern umzingelt, und an das Regiment abge-
liefert. Heinrich mußte vier und zwanzig mal
Gaſſen laufen. Sein Koͤrper war einer ſolchen
Behandlung nicht gewohnt, und er ſank unter den
Streichen ſeiner Kameraden zu Boden. Tages
darauf ſtarb er, und ſein lezter Hauch war Ma-
rie. Dort wo kein tiranniſcher Vater, keine
barbariſche Krieger ſind, werden ſie ſich wieder
finden und gluͤklich ſein.


H 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0125" n="117"/>
          <p><hi rendition="#fr">Heinrich</hi> mußte nun exerciren lernen, mußte<lb/>
den Stok eines ver&#x017F;offenen Korporals ta&#x0364;glich<lb/>
empfinden, durfte &#x017F;ich mit keinem Wort verant-<lb/>
worten, und &#x017F;chon eine verdro&#x017F;&#x017F;ene Mine zog<lb/>
ihm Schla&#x0364;ge nach. Er klagte dies &#x017F;einen Kame-<lb/>
raden, die&#x017F;e beredten ihn zur Flucht; er dachte<lb/>
an &#x017F;eine <hi rendition="#fr">Marie</hi> und nahm den Vor&#x017F;chlag an.<lb/>
Sie &#x017F;tiegen u&#x0364;ber die Stadtmauer, legten eine<lb/>
halbe Meile in &#x017F;teter Furcht zuru&#x0364;k, wurden von<lb/>
Bauern umzingelt, und an das Regiment abge-<lb/>
liefert. <hi rendition="#fr">Heinrich</hi> mußte vier und zwanzig mal<lb/>
Ga&#x017F;&#x017F;en laufen. Sein Ko&#x0364;rper war einer &#x017F;olchen<lb/>
Behandlung nicht gewohnt, und er &#x017F;ank unter den<lb/>
Streichen &#x017F;einer Kameraden zu Boden. Tages<lb/>
darauf &#x017F;tarb er, und &#x017F;ein lezter Hauch war <hi rendition="#fr">Ma-<lb/>
rie.</hi> Dort wo kein tiranni&#x017F;cher Vater, keine<lb/>
barbari&#x017F;che Krieger &#x017F;ind, werden &#x017F;ie &#x017F;ich wieder<lb/>
finden und glu&#x0364;klich &#x017F;ein.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">H 3</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0125] Heinrich mußte nun exerciren lernen, mußte den Stok eines verſoffenen Korporals taͤglich empfinden, durfte ſich mit keinem Wort verant- worten, und ſchon eine verdroſſene Mine zog ihm Schlaͤge nach. Er klagte dies ſeinen Kame- raden, dieſe beredten ihn zur Flucht; er dachte an ſeine Marie und nahm den Vorſchlag an. Sie ſtiegen uͤber die Stadtmauer, legten eine halbe Meile in ſteter Furcht zuruͤk, wurden von Bauern umzingelt, und an das Regiment abge- liefert. Heinrich mußte vier und zwanzig mal Gaſſen laufen. Sein Koͤrper war einer ſolchen Behandlung nicht gewohnt, und er ſank unter den Streichen ſeiner Kameraden zu Boden. Tages darauf ſtarb er, und ſein lezter Hauch war Ma- rie. Dort wo kein tiranniſcher Vater, keine barbariſche Krieger ſind, werden ſie ſich wieder finden und gluͤklich ſein. H 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/125
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/125>, abgerufen am 25.04.2024.