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Koch, Konrad: Sind Fußball und Lawn Tennis deutsche Spiele? In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Jahrbuch für Jugend- und Volksspiele. 3. Jahrgang. Leipzig, 1894. S. 58-62.

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Buche entnehmen wir die Kenntnis, daß auch das Fußballspiel keines-
wegs in England seinen Ursprung hat, wie das von mir in dem
oben angeführten Vortrage, "Die Entwickelung des Jugendspiels" näher
ausgeführt ist. Beide Spiele, Rasenball und Fußball, sind also ihrem
Ursprunge nach nicht englisch.
Wir werden sie aber doch, da
sie in unserer Zeit von den Engländern zuerst ausgebildet sind und am
eifrigsten betrieben werden, mit Recht als englische auch weiterhin be-
zeichnen können. Da aber, wie die Geschichte lehrt, unsere Vorfahren
im Mittelalter und zu Anfang der Neuzeit beide Spiele in ähnlicher
Form schon gekannt und mit großem Eifer betrieben haben, so werden
wir sie um so mehr ungescheut jetzt wieder hier einführen dürfen.
Verkehrt wäre es jedoch, wollten wir uns dabei genau an die Spiel-
weise der Engländer binden, oder gar die vielen Schwankungen, denen
diese in beiden Spielen drüben bis auf den heutigen Tag unterworfen
ist, jedesmal peinlich genau nachmachen. Vielmehr müssen wir es als
unsere Aufgabe ansehen, sie unserer Eigenart entsprechend zu
gestalten,
und wenn nun die übernommenen Regeln im Widerspruche
zu dieser stehen, auch diese zu ändern uns nicht bedenken; wobei freilich
als leitender Gedanke immer der festzuhalten ist, daß das Spiel als
solches in jeder Beziehung möglichst verfeinert werden soll, um der
rüstigen Jugend den größten Nutzen und die beste Erholung zu ge-
währen. Wenn sich so die beiden Spiele auf unserm Boden ein-
bürgern und selbständig entwickeln, werden wir bald von einem deut-
schen Rasenball und von einem deutschen Fußball sprechen können,
und wahrscheinlich wird sich dann ein Gegensatz zu der englischen
Spielweise herausgebildet haben.

Der Sport ist international, und die Sportsmänner gehen bewußt
darauf aus, ihre Leistungen mit denen anderer Völker messen zu können,
so bei dem Wettrudern, dem Wettlaufen, den Pferderennen u. s. w.
Unsere Bewegungsspiele im Freien kennen solches Streben
nicht; sie stellen sich ganz in den Dienst der Erziehung und ordnen
sich völlig deren Zwecken unter. Fußball und Rasenball können freilich
auch sportsmäßig betrieben werden, aber das trifft ebenso bei vielen
anderen Übungen zu, wie z. B. beim gewöhnlichen Laufen und Springen.
Deshalb brauchen wir also unserer Jugend die beiden Spiele nicht
zu wehren, sondern wir wollen die männliche zu beiden Spielen und
die weibliche zum Rasenball nach Kräften anhalten.


Buche entnehmen wir die Kenntnis, daß auch das Fußballspiel keines-
wegs in England seinen Ursprung hat, wie das von mir in dem
oben angeführten Vortrage, „Die Entwickelung des Jugendspiels“ näher
ausgeführt ist. Beide Spiele, Rasenball und Fußball, sind also ihrem
Ursprunge nach nicht englisch.
Wir werden sie aber doch, da
sie in unserer Zeit von den Engländern zuerst ausgebildet sind und am
eifrigsten betrieben werden, mit Recht als englische auch weiterhin be-
zeichnen können. Da aber, wie die Geschichte lehrt, unsere Vorfahren
im Mittelalter und zu Anfang der Neuzeit beide Spiele in ähnlicher
Form schon gekannt und mit großem Eifer betrieben haben, so werden
wir sie um so mehr ungescheut jetzt wieder hier einführen dürfen.
Verkehrt wäre es jedoch, wollten wir uns dabei genau an die Spiel-
weise der Engländer binden, oder gar die vielen Schwankungen, denen
diese in beiden Spielen drüben bis auf den heutigen Tag unterworfen
ist, jedesmal peinlich genau nachmachen. Vielmehr müssen wir es als
unsere Aufgabe ansehen, sie unserer Eigenart entsprechend zu
gestalten,
und wenn nun die übernommenen Regeln im Widerspruche
zu dieser stehen, auch diese zu ändern uns nicht bedenken; wobei freilich
als leitender Gedanke immer der festzuhalten ist, daß das Spiel als
solches in jeder Beziehung möglichst verfeinert werden soll, um der
rüstigen Jugend den größten Nutzen und die beste Erholung zu ge-
währen. Wenn sich so die beiden Spiele auf unserm Boden ein-
bürgern und selbständig entwickeln, werden wir bald von einem deut-
schen Rasenball und von einem deutschen Fußball sprechen können,
und wahrscheinlich wird sich dann ein Gegensatz zu der englischen
Spielweise herausgebildet haben.

Der Sport ist international, und die Sportsmänner gehen bewußt
darauf aus, ihre Leistungen mit denen anderer Völker messen zu können,
so bei dem Wettrudern, dem Wettlaufen, den Pferderennen u. s. w.
Unsere Bewegungsspiele im Freien kennen solches Streben
nicht; sie stellen sich ganz in den Dienst der Erziehung und ordnen
sich völlig deren Zwecken unter. Fußball und Rasenball können freilich
auch sportsmäßig betrieben werden, aber das trifft ebenso bei vielen
anderen Übungen zu, wie z. B. beim gewöhnlichen Laufen und Springen.
Deshalb brauchen wir also unserer Jugend die beiden Spiele nicht
zu wehren, sondern wir wollen die männliche zu beiden Spielen und
die weibliche zum Rasenball nach Kräften anhalten.


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[62/0005] Buche entnehmen wir die Kenntnis, daß auch das Fußballspiel keines- wegs in England seinen Ursprung hat, wie das von mir in dem oben angeführten Vortrage, „Die Entwickelung des Jugendspiels“ näher ausgeführt ist. Beide Spiele, Rasenball und Fußball, sind also ihrem Ursprunge nach nicht englisch. Wir werden sie aber doch, da sie in unserer Zeit von den Engländern zuerst ausgebildet sind und am eifrigsten betrieben werden, mit Recht als englische auch weiterhin be- zeichnen können. Da aber, wie die Geschichte lehrt, unsere Vorfahren im Mittelalter und zu Anfang der Neuzeit beide Spiele in ähnlicher Form schon gekannt und mit großem Eifer betrieben haben, so werden wir sie um so mehr ungescheut jetzt wieder hier einführen dürfen. Verkehrt wäre es jedoch, wollten wir uns dabei genau an die Spiel- weise der Engländer binden, oder gar die vielen Schwankungen, denen diese in beiden Spielen drüben bis auf den heutigen Tag unterworfen ist, jedesmal peinlich genau nachmachen. Vielmehr müssen wir es als unsere Aufgabe ansehen, sie unserer Eigenart entsprechend zu gestalten, und wenn nun die übernommenen Regeln im Widerspruche zu dieser stehen, auch diese zu ändern uns nicht bedenken; wobei freilich als leitender Gedanke immer der festzuhalten ist, daß das Spiel als solches in jeder Beziehung möglichst verfeinert werden soll, um der rüstigen Jugend den größten Nutzen und die beste Erholung zu ge- währen. Wenn sich so die beiden Spiele auf unserm Boden ein- bürgern und selbständig entwickeln, werden wir bald von einem deut- schen Rasenball und von einem deutschen Fußball sprechen können, und wahrscheinlich wird sich dann ein Gegensatz zu der englischen Spielweise herausgebildet haben. Der Sport ist international, und die Sportsmänner gehen bewußt darauf aus, ihre Leistungen mit denen anderer Völker messen zu können, so bei dem Wettrudern, dem Wettlaufen, den Pferderennen u. s. w. Unsere Bewegungsspiele im Freien kennen solches Streben nicht; sie stellen sich ganz in den Dienst der Erziehung und ordnen sich völlig deren Zwecken unter. Fußball und Rasenball können freilich auch sportsmäßig betrieben werden, aber das trifft ebenso bei vielen anderen Übungen zu, wie z. B. beim gewöhnlichen Laufen und Springen. Deshalb brauchen wir also unserer Jugend die beiden Spiele nicht zu wehren, sondern wir wollen die männliche zu beiden Spielen und die weibliche zum Rasenball nach Kräften anhalten.

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  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.




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Zitationshilfe: Koch, Konrad: Sind Fußball und Lawn Tennis deutsche Spiele? In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Jahrbuch für Jugend- und Volksspiele. 3. Jahrgang. Leipzig, 1894. S. 58-62, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_deutschespiele_1894/6>, abgerufen am 23.04.2024.