Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Koch, Konrad: Über die Einrichtung von Wettspielkämpfen durch den Ausschuß. In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Über Jugend- und Volksspiele. Jahrbuch des Zentralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland. 2. Jahrgang. Leipzig, 1893. S. 186-192.

Bild:
<< vorherige Seite

und Vereine, mit ihren schönen Gaufesten und den großartigen allgemeinen
deutschen Turnfesten geben. Unbedenklich dürfen wir darauf rechnen, daß
zu geschickt veranstalteten und eifrig ausgefochtenen Wettspielen sich ebenso
die schaulustige Menge, einsichtsvolle Sachkenner und wohlwollende Gönner
einstellen werden. Unsere deutsche Turnerschaft zeichnet sich durch festes
Zusammenhalten der einzelnen Vereine und durch ihre weite Verbreitung
über ganz Deutschland aus. Deshalb ist es von großem Werte für unsere
Sache, daß Dank den Bemühungen des Dr. Schmidt aus Bonn auf
dem zehnten Turntage in Hannover für das Spiel die volkstümlichen
Wettübungen im Freien eine größere Beachtung auf den Turnfesten und
damit im Turnbetriebe überhaupt gesichert ist. Voraussichtlich werden
die Wettspiele an den Turnfesten in weiten Kreisen anregend wirken, und
hoffentlich werden sich der deutschen Turnerschaft, je mehr sie so auch
diese Seite der Leibesübungen berücksichtigt, um so mehr rüstige Jünglinge
um Männer anschließen. Möge der auf dem Turnfeste in München ge-
machte gute Anfang und der in Hannover erzielte Fortschritt zu einem
glücklichen Ergebnisse führen!

Zu einem deutschen Volksfeste, wie es von Jahn geplant war, eignet
sich der Sedantag wegen der meist günstigen Witterung im Spätsommer
ganz vortrefflich. Ein Siegesfest soll das Fest nicht mehr sein, aber wenn
Jahn unter Anderem sagt, daß ein Staat nicht nach Belieben ein Volks-
fest anordnen könne ohne sich lächerlich zu machen, und wo Volksfeste ge-
feiert werden sollen, vorher ein Volk sein müsse, so erscheint danach der
zweite September als Geburtstag unseres neuen deutschen Reiches auch
seiner Bedeutung nach als besonders geeignet. So haben denn auch Schulen
und Turnvereine, die sich die Pflege vaterländischer Gesinnung zur Auf-
gabe machen, an diesem Tage vielfach Wettübungen und Wettspiele ver-
anstaltet. Ein wirkliches Volksfest für alle Deutschen ist der Tag aber
leider immer noch nicht. Unter den Orten, an denen es gelungen ist, eine
gemeinschaftliche Feier aller Volksklassen durchzuführen, zeichnet sich Braun-
schweig dadurch aus, daß schon seit 1875 im Mittelpunkte der dortigen
Feier regelmäßig gelungene Volkswettübungen (bekanntlich unter Leitung
des Turninspektors Hermann) stehen. Daß diese Wettkämpfe den Eifer
unserer Jugend für solche Übungen außerordentlich erhöht haben, ist un-
verkennbar. Leider sind daneben die eigentlichen Spiele am Sedantage
in den Hintergrund getreten, und die damit gemachten Versuche haben, von
einem Stoßballspiel des Männerturnvereins im Jahre 1891 abgesehen,
nicht mehr als einen Achtungserfolg erzielt. Geplant war für 1892 als
erster Versuch ein möglichst einfaches Spiel, ein Wett-Tauziehen von Riegen

und Vereine, mit ihren schönen Gaufesten und den großartigen allgemeinen
deutschen Turnfesten geben. Unbedenklich dürfen wir darauf rechnen, daß
zu geschickt veranstalteten und eifrig ausgefochtenen Wettspielen sich ebenso
die schaulustige Menge, einsichtsvolle Sachkenner und wohlwollende Gönner
einstellen werden. Unsere deutsche Turnerschaft zeichnet sich durch festes
Zusammenhalten der einzelnen Vereine und durch ihre weite Verbreitung
über ganz Deutschland aus. Deshalb ist es von großem Werte für unsere
Sache, daß Dank den Bemühungen des Dr. Schmidt aus Bonn auf
dem zehnten Turntage in Hannover für das Spiel die volkstümlichen
Wettübungen im Freien eine größere Beachtung auf den Turnfesten und
damit im Turnbetriebe überhaupt gesichert ist. Voraussichtlich werden
die Wettspiele an den Turnfesten in weiten Kreisen anregend wirken, und
hoffentlich werden sich der deutschen Turnerschaft, je mehr sie so auch
diese Seite der Leibesübungen berücksichtigt, um so mehr rüstige Jünglinge
um Männer anschließen. Möge der auf dem Turnfeste in München ge-
machte gute Anfang und der in Hannover erzielte Fortschritt zu einem
glücklichen Ergebnisse führen!

Zu einem deutschen Volksfeste, wie es von Jahn geplant war, eignet
sich der Sedantag wegen der meist günstigen Witterung im Spätsommer
ganz vortrefflich. Ein Siegesfest soll das Fest nicht mehr sein, aber wenn
Jahn unter Anderem sagt, daß ein Staat nicht nach Belieben ein Volks-
fest anordnen könne ohne sich lächerlich zu machen, und wo Volksfeste ge-
feiert werden sollen, vorher ein Volk sein müsse, so erscheint danach der
zweite September als Geburtstag unseres neuen deutschen Reiches auch
seiner Bedeutung nach als besonders geeignet. So haben denn auch Schulen
und Turnvereine, die sich die Pflege vaterländischer Gesinnung zur Auf-
gabe machen, an diesem Tage vielfach Wettübungen und Wettspiele ver-
anstaltet. Ein wirkliches Volksfest für alle Deutschen ist der Tag aber
leider immer noch nicht. Unter den Orten, an denen es gelungen ist, eine
gemeinschaftliche Feier aller Volksklassen durchzuführen, zeichnet sich Braun-
schweig dadurch aus, daß schon seit 1875 im Mittelpunkte der dortigen
Feier regelmäßig gelungene Volkswettübungen (bekanntlich unter Leitung
des Turninspektors Hermann) stehen. Daß diese Wettkämpfe den Eifer
unserer Jugend für solche Übungen außerordentlich erhöht haben, ist un-
verkennbar. Leider sind daneben die eigentlichen Spiele am Sedantage
in den Hintergrund getreten, und die damit gemachten Versuche haben, von
einem Stoßballspiel des Männerturnvereins im Jahre 1891 abgesehen,
nicht mehr als einen Achtungserfolg erzielt. Geplant war für 1892 als
erster Versuch ein möglichst einfaches Spiel, ein Wett-Tauziehen von Riegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0005" n="189"/>
und Vereine, mit ihren schönen Gaufesten und den                     großartigen allgemeinen<lb/>
deutschen Turnfesten geben. Unbedenklich dürfen wir                     darauf rechnen, daß<lb/>
zu geschickt veranstalteten und eifrig ausgefochtenen                     Wettspielen sich ebenso<lb/>
die schaulustige Menge, einsichtsvolle Sachkenner                     und wohlwollende Gönner<lb/>
einstellen werden. Unsere deutsche Turnerschaft                     zeichnet sich durch festes<lb/>
Zusammenhalten der einzelnen Vereine und durch                     ihre weite Verbreitung<lb/>
über ganz Deutschland aus. Deshalb ist es von großem                     Werte für unsere<lb/>
Sache, daß Dank den Bemühungen des Dr. Schmidt aus Bonn                     auf<lb/>
dem zehnten Turntage in Hannover für das Spiel die                     volkstümlichen<lb/>
Wettübungen im Freien eine größere Beachtung auf den                     Turnfesten und<lb/>
damit im Turnbetriebe überhaupt gesichert ist.                     Voraussichtlich werden<lb/>
die Wettspiele an den Turnfesten in weiten Kreisen                     anregend wirken, und<lb/>
hoffentlich werden sich der deutschen Turnerschaft, je                     mehr sie so auch<lb/>
diese Seite der Leibesübungen berücksichtigt, um so mehr                     rüstige Jünglinge<lb/>
um Männer anschließen. Möge der auf dem Turnfeste in                     München ge-<lb/>
machte gute Anfang und der in Hannover erzielte Fortschritt zu                     einem<lb/>
glücklichen Ergebnisse führen!</p><lb/>
        <p>Zu einem deutschen Volksfeste, wie es von Jahn geplant war, eignet<lb/>
sich der Sedantag wegen
 der meist günstigen Witterung im Spätsommer<lb/>
ganz vortrefflich. Ein Siegesfest soll das Fest
 nicht mehr sein, aber wenn<lb/>
Jahn unter Anderem sagt, daß ein Staat nicht nach Belieben ein
 Volks-<lb/>
fest anordnen könne ohne sich lächerlich zu machen, und wo Volksfeste ge-<lb/>
feiert
 werden sollen, vorher ein Volk sein müsse, so erscheint danach der<lb/>
zweite September als
 Geburtstag unseres neuen deutschen Reiches auch<lb/>
seiner Bedeutung nach als besonders geeignet.
 So haben denn auch Schulen<lb/>
und Turnvereine, die sich die Pflege vaterländischer Gesinnung zur
 Auf-<lb/>
gabe machen, an diesem Tage vielfach Wettübungen und Wettspiele ver-<lb/>
anstaltet. Ein
 wirkliches Volksfest für alle Deutschen ist der Tag aber<lb/>
leider immer noch nicht. Unter den
 Orten, an denen es gelungen ist, eine<lb/>
gemeinschaftliche Feier aller Volksklassen durchzuführen,
 zeichnet sich Braun-<lb/>
schweig dadurch aus, daß schon seit 1875 im Mittelpunkte der dortigen<lb/>
Feier regelmäßig gelungene Volkswettübungen (bekanntlich unter Leitung<lb/>
des Turninspektors
 Hermann) stehen. Daß diese Wettkämpfe den Eifer<lb/>
unserer Jugend für solche Übungen
 außerordentlich erhöht haben, ist un-<lb/>
verkennbar. Leider sind daneben die eigentlichen Spiele
 am Sedantage<lb/>
in den Hintergrund getreten, und die damit gemachten Versuche haben, von<lb/>
einem Stoßballspiel des Männerturnvereins im Jahre 1891 abgesehen,<lb/>
nicht mehr als einen
 Achtungserfolg erzielt. Geplant war für 1892 als<lb/>
erster Versuch ein möglichst einfaches Spiel,
 ein Wett-Tauziehen von Riegen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0005] und Vereine, mit ihren schönen Gaufesten und den großartigen allgemeinen deutschen Turnfesten geben. Unbedenklich dürfen wir darauf rechnen, daß zu geschickt veranstalteten und eifrig ausgefochtenen Wettspielen sich ebenso die schaulustige Menge, einsichtsvolle Sachkenner und wohlwollende Gönner einstellen werden. Unsere deutsche Turnerschaft zeichnet sich durch festes Zusammenhalten der einzelnen Vereine und durch ihre weite Verbreitung über ganz Deutschland aus. Deshalb ist es von großem Werte für unsere Sache, daß Dank den Bemühungen des Dr. Schmidt aus Bonn auf dem zehnten Turntage in Hannover für das Spiel die volkstümlichen Wettübungen im Freien eine größere Beachtung auf den Turnfesten und damit im Turnbetriebe überhaupt gesichert ist. Voraussichtlich werden die Wettspiele an den Turnfesten in weiten Kreisen anregend wirken, und hoffentlich werden sich der deutschen Turnerschaft, je mehr sie so auch diese Seite der Leibesübungen berücksichtigt, um so mehr rüstige Jünglinge um Männer anschließen. Möge der auf dem Turnfeste in München ge- machte gute Anfang und der in Hannover erzielte Fortschritt zu einem glücklichen Ergebnisse führen! Zu einem deutschen Volksfeste, wie es von Jahn geplant war, eignet sich der Sedantag wegen der meist günstigen Witterung im Spätsommer ganz vortrefflich. Ein Siegesfest soll das Fest nicht mehr sein, aber wenn Jahn unter Anderem sagt, daß ein Staat nicht nach Belieben ein Volks- fest anordnen könne ohne sich lächerlich zu machen, und wo Volksfeste ge- feiert werden sollen, vorher ein Volk sein müsse, so erscheint danach der zweite September als Geburtstag unseres neuen deutschen Reiches auch seiner Bedeutung nach als besonders geeignet. So haben denn auch Schulen und Turnvereine, die sich die Pflege vaterländischer Gesinnung zur Auf- gabe machen, an diesem Tage vielfach Wettübungen und Wettspiele ver- anstaltet. Ein wirkliches Volksfest für alle Deutschen ist der Tag aber leider immer noch nicht. Unter den Orten, an denen es gelungen ist, eine gemeinschaftliche Feier aller Volksklassen durchzuführen, zeichnet sich Braun- schweig dadurch aus, daß schon seit 1875 im Mittelpunkte der dortigen Feier regelmäßig gelungene Volkswettübungen (bekanntlich unter Leitung des Turninspektors Hermann) stehen. Daß diese Wettkämpfe den Eifer unserer Jugend für solche Übungen außerordentlich erhöht haben, ist un- verkennbar. Leider sind daneben die eigentlichen Spiele am Sedantage in den Hintergrund getreten, und die damit gemachten Versuche haben, von einem Stoßballspiel des Männerturnvereins im Jahre 1891 abgesehen, nicht mehr als einen Achtungserfolg erzielt. Geplant war für 1892 als erster Versuch ein möglichst einfaches Spiel, ein Wett-Tauziehen von Riegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Jurgita Baranauskaite, Thomas Gloning, Heike Müller, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien, Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-05-14T11:00:00Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-05-14T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wettspielkaempfe_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wettspielkaempfe_1893/5
Zitationshilfe: Koch, Konrad: Über die Einrichtung von Wettspielkämpfen durch den Ausschuß. In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Über Jugend- und Volksspiele. Jahrbuch des Zentralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland. 2. Jahrgang. Leipzig, 1893. S. 186-192, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wettspielkaempfe_1893/5>, abgerufen am 28.03.2024.