Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite
2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.
2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.

Zugleich mit den eben beschriebenen Septicämiebacillen habe
ich einige Male bei Mäusen nach Einspritzung mit faulendem Blut
in der Umgebung der Injectionsstelle einen Mikrokokkus gefun¬
den, der sich durch seine schnelle Vermehrung und durch regel¬
mässige Kettenbildung bemerklich machte. Gewöhnlich sind von
der grossen Menge Bakterien, die mit dem faulenden Blute ein¬
gespritzt wurden, wenn das Thier ungefähr nach zwei Tagen an
Septicämie stirbt, ausser den Septicämiebacillen nichts oder doch
nur wenige kümmerlich vegetirende Reste zu finden. Es liess sich
also annehmen, dass alle anderen zugleich eingespritzten Bakte¬
rien im Körper der lebenden Maus keinen geeigneten Nährboden
finden und schneller oder langsamer zu Grunde gehen. Deswegen
fiel es sofort auf, wenn ausnahmsweise massenhaft wuchernde und
gleichmässig charakteristisch geformte Mikrokokken gefunden wur¬
den. Im Blute waren sie nicht zu bemerken und durch Impfung
mit dem Blut wurden immer nur die Septicämiebacillen über¬
tragen. Um ihre Impffähigkeit zu prüfen, musste also die Impf¬
substanz aus der Nähe der Injectionsstelle genommen werden. In
dieser Weise vorgenommene Impfungen waren denn auch erfolg¬
reich und die Virulenz des die Mikrokokken enthaltenden aus
dem subcutanen Bindegewebe entnommenen Serum war ebenso
bedeutend wie die des septicämischen Blutes. Wenn eine gut
gereinigte Messerspitze mit dem subcutanen Gewebe an einem von
der Injections- oder Impfstelle ungefähr anderthalb Centimeter
entfernten Punkt nur eben in Berührung gebracht und damit ein
anderes Thier geimpft wurde, dann glückte die Impfung jedes¬
mal. Natürlich wurde weil das Serum auch Septicämiebacillen
enthielt, immer Septicämie zugleich verimpft. Der Einfluss dieser
Mikrokokken auf thierische Gewebe und ihre Weiterverbreitung
lässt sich am besten am Ohr einer Maus verfolgen und besonders
lehrreich ist es, ein Ohr, auf das nur Septicämiebacillen und ein
anderes auf das Bacillen und kettenförmige Mikrokokken geimpft
wurden, zu vergleichen. Bei jenem Ohr ist das Zellgewebe von
rothen Blutkörperchen und Lymphkörperchen dicht erfüllt, so dass
die Bacillen oft schwer unter der Menge von Zellkernen zu er¬
kennen sind. Das zweite Ohr hat dagegen ein vollständig an¬
deres Ansehen. Von der Impfstelle ausgehend sieht man theils zu
dichteren Massen zusammengedrängt, theils weitläufig angeordnet

2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.
2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.

Zugleich mit den eben beschriebenen Septicämiebacillen habe
ich einige Male bei Mäusen nach Einspritzung mit faulendem Blut
in der Umgebung der Injectionsstelle einen Mikrokokkus gefun¬
den, der sich durch seine schnelle Vermehrung und durch regel¬
mässige Kettenbildung bemerklich machte. Gewöhnlich sind von
der grossen Menge Bakterien, die mit dem faulenden Blute ein¬
gespritzt wurden, wenn das Thier ungefähr nach zwei Tagen an
Septicämie stirbt, ausser den Septicämiebacillen nichts oder doch
nur wenige kümmerlich vegetirende Reste zu finden. Es liess sich
also annehmen, dass alle anderen zugleich eingespritzten Bakte¬
rien im Körper der lebenden Maus keinen geeigneten Nährboden
finden und schneller oder langsamer zu Grunde gehen. Deswegen
fiel es sofort auf, wenn ausnahmsweise massenhaft wuchernde und
gleichmässig charakteristisch geformte Mikrokokken gefunden wur¬
den. Im Blute waren sie nicht zu bemerken und durch Impfung
mit dem Blut wurden immer nur die Septicämiebacillen über¬
tragen. Um ihre Impffähigkeit zu prüfen, musste also die Impf¬
substanz aus der Nähe der Injectionsstelle genommen werden. In
dieser Weise vorgenommene Impfungen waren denn auch erfolg¬
reich und die Virulenz des die Mikrokokken enthaltenden aus
dem subcutanen Bindegewebe entnommenen Serum war ebenso
bedeutend wie die des septicämischen Blutes. Wenn eine gut
gereinigte Messerspitze mit dem subcutanen Gewebe an einem von
der Injections- oder Impfstelle ungefähr anderthalb Centimeter
entfernten Punkt nur eben in Berührung gebracht und damit ein
anderes Thier geimpft wurde, dann glückte die Impfung jedes¬
mal. Natürlich wurde weil das Serum auch Septicämiebacillen
enthielt, immer Septicämie zugleich verimpft. Der Einfluss dieser
Mikrokokken auf thierische Gewebe und ihre Weiterverbreitung
lässt sich am besten am Ohr einer Maus verfolgen und besonders
lehrreich ist es, ein Ohr, auf das nur Septicämiebacillen und ein
anderes auf das Bacillen und kettenförmige Mikrokokken geimpft
wurden, zu vergleichen. Bei jenem Ohr ist das Zellgewebe von
rothen Blutkörperchen und Lymphkörperchen dicht erfüllt, so dass
die Bacillen oft schwer unter der Menge von Zellkernen zu er¬
kennen sind. Das zweite Ohr hat dagegen ein vollständig an¬
deres Ansehen. Von der Impfstelle ausgehend sieht man theils zu
dichteren Massen zusammengedrängt, theils weitläufig angeordnet

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0057" n="47"/>
          <fw place="top" type="header">2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen.<lb/></fw>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen</hi>.<lb/></head>
          <p>Zugleich mit den eben beschriebenen Septicämiebacillen habe<lb/>
ich einige Male bei Mäusen nach Einspritzung mit faulendem Blut<lb/>
in der Umgebung der Injectionsstelle einen Mikrokokkus gefun¬<lb/>
den, der sich durch seine schnelle Vermehrung und durch regel¬<lb/>
mässige Kettenbildung bemerklich machte. Gewöhnlich sind von<lb/>
der grossen Menge Bakterien, die mit dem faulenden Blute ein¬<lb/>
gespritzt wurden, wenn das Thier ungefähr nach zwei Tagen an<lb/>
Septicämie stirbt, ausser den Septicämiebacillen nichts oder doch<lb/>
nur wenige kümmerlich vegetirende Reste zu finden. Es liess sich<lb/>
also annehmen, dass alle anderen zugleich eingespritzten Bakte¬<lb/>
rien im Körper der lebenden Maus keinen geeigneten Nährboden<lb/>
finden und schneller oder langsamer zu Grunde gehen. Deswegen<lb/>
fiel es sofort auf, wenn ausnahmsweise massenhaft wuchernde und<lb/>
gleichmässig charakteristisch geformte Mikrokokken gefunden wur¬<lb/>
den. Im Blute waren sie nicht zu bemerken und durch Impfung<lb/>
mit dem Blut wurden immer nur die Septicämiebacillen über¬<lb/>
tragen. Um ihre Impffähigkeit zu prüfen, musste also die Impf¬<lb/>
substanz aus der Nähe der Injectionsstelle genommen werden. In<lb/>
dieser Weise vorgenommene Impfungen waren denn auch erfolg¬<lb/>
reich und die Virulenz des die Mikrokokken enthaltenden aus<lb/>
dem subcutanen Bindegewebe entnommenen Serum war ebenso<lb/>
bedeutend wie die des septicämischen Blutes. Wenn eine gut<lb/>
gereinigte Messerspitze mit dem subcutanen Gewebe an einem von<lb/>
der Injections- oder Impfstelle ungefähr anderthalb Centimeter<lb/>
entfernten Punkt nur eben in Berührung gebracht und damit ein<lb/>
anderes Thier geimpft wurde, dann glückte die Impfung jedes¬<lb/>
mal. Natürlich wurde weil das Serum auch Septicämiebacillen<lb/>
enthielt, immer Septicämie zugleich verimpft. Der Einfluss dieser<lb/>
Mikrokokken auf thierische Gewebe und ihre Weiterverbreitung<lb/>
lässt sich am besten am Ohr einer Maus verfolgen und besonders<lb/>
lehrreich ist es, ein Ohr, auf das nur Septicämiebacillen und ein<lb/>
anderes auf das Bacillen und kettenförmige Mikrokokken geimpft<lb/>
wurden, zu vergleichen. Bei jenem Ohr ist das Zellgewebe von<lb/>
rothen Blutkörperchen und Lymphkörperchen dicht erfüllt, so dass<lb/>
die Bacillen oft schwer unter der Menge von Zellkernen zu er¬<lb/>
kennen sind. Das zweite Ohr hat dagegen ein vollständig an¬<lb/>
deres Ansehen. Von der Impfstelle ausgehend sieht man theils zu<lb/>
dichteren Massen zusammengedrängt, theils weitläufig angeordnet<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0057] 2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen. 2. Progressive Gewebsnekrose (Gangrän) bei Mäusen. Zugleich mit den eben beschriebenen Septicämiebacillen habe ich einige Male bei Mäusen nach Einspritzung mit faulendem Blut in der Umgebung der Injectionsstelle einen Mikrokokkus gefun¬ den, der sich durch seine schnelle Vermehrung und durch regel¬ mässige Kettenbildung bemerklich machte. Gewöhnlich sind von der grossen Menge Bakterien, die mit dem faulenden Blute ein¬ gespritzt wurden, wenn das Thier ungefähr nach zwei Tagen an Septicämie stirbt, ausser den Septicämiebacillen nichts oder doch nur wenige kümmerlich vegetirende Reste zu finden. Es liess sich also annehmen, dass alle anderen zugleich eingespritzten Bakte¬ rien im Körper der lebenden Maus keinen geeigneten Nährboden finden und schneller oder langsamer zu Grunde gehen. Deswegen fiel es sofort auf, wenn ausnahmsweise massenhaft wuchernde und gleichmässig charakteristisch geformte Mikrokokken gefunden wur¬ den. Im Blute waren sie nicht zu bemerken und durch Impfung mit dem Blut wurden immer nur die Septicämiebacillen über¬ tragen. Um ihre Impffähigkeit zu prüfen, musste also die Impf¬ substanz aus der Nähe der Injectionsstelle genommen werden. In dieser Weise vorgenommene Impfungen waren denn auch erfolg¬ reich und die Virulenz des die Mikrokokken enthaltenden aus dem subcutanen Bindegewebe entnommenen Serum war ebenso bedeutend wie die des septicämischen Blutes. Wenn eine gut gereinigte Messerspitze mit dem subcutanen Gewebe an einem von der Injections- oder Impfstelle ungefähr anderthalb Centimeter entfernten Punkt nur eben in Berührung gebracht und damit ein anderes Thier geimpft wurde, dann glückte die Impfung jedes¬ mal. Natürlich wurde weil das Serum auch Septicämiebacillen enthielt, immer Septicämie zugleich verimpft. Der Einfluss dieser Mikrokokken auf thierische Gewebe und ihre Weiterverbreitung lässt sich am besten am Ohr einer Maus verfolgen und besonders lehrreich ist es, ein Ohr, auf das nur Septicämiebacillen und ein anderes auf das Bacillen und kettenförmige Mikrokokken geimpft wurden, zu vergleichen. Bei jenem Ohr ist das Zellgewebe von rothen Blutkörperchen und Lymphkörperchen dicht erfüllt, so dass die Bacillen oft schwer unter der Menge von Zellkernen zu er¬ kennen sind. Das zweite Ohr hat dagegen ein vollständig an¬ deres Ansehen. Von der Impfstelle ausgehend sieht man theils zu dichteren Massen zusammengedrängt, theils weitläufig angeordnet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/57
Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/57>, abgerufen am 19.04.2024.