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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Dreissigste Vorlesung.
B. Entwicklung des Gehörorganes.

Entwicklungs-
plan des
Gehörorganes
im Allgemeinen.
Meine Herren! Das Gehörorgan, zu dem wir heute über-
gehen, entwickelt sich auf den ersten Blick ähnlich wie das Auge
und findet man auch bei diesem Organe beim Embryo eine Bildung,
welche vom Hornblatte und vielleicht von der gesammten äusseren
Haut ausgeht, dann einen Theil, welchen das Nervensystem liefert
und endlich eine Mitbetheiligung des mittleren Keimblattes; es zeigt
sich jedoch bei näherer Betrachtung doch eine nicht unbedeutende
Verschiedenheit zwischen beiden Sinnesapparaten. Während näm-
lich das Auge, wie ich Ihnen ausführlich auseinandergesetzt habe,
ursprünglich als eine Ausstülpung aus dem Medullarrohre auftritt,
zu welcher sich dann von aussen her die nach innen wuchernde und
zu dem Glaskörper und der Linse sich umgestaltende Haut gesellt,
zeigt sich, dass das Gehörorgan niemals die Form einer hohlen, mit
dem Hirnrohre zusammenhängenden Blase besitzt, ja dass dasselbe
mit Inbegriff des Hörnerven ganz unabhängig vom centralen Nerven-
systeme seinen Ursprung nimmt. Genauer bezeichnet entsteht der
Hörnerv nach Art der gangliösen Kopfnerven selbständig in den Ur-
wirbelplatten des Kopfes und setzt sich erst in zweiter Linie einer-
seits mit der dritten Hirnblase, d. h. dem Nachhirn, und anderseits
mit dem Labyrinthe in Verbindung, welches, d. h. die häutigen
Säckchen und halbkreisförmigen Kanäle, so wie der eigentliche
Schneckenkanal, seinerseits von der äusseren Haut aus seinen Ur-
sprung nimmt und uranfänglich ein nach aussen geöffnetes Bläschen
darstellt. Zu diesen zwei wesentlichsten Bestandtheilen des Gehör-
organes gesellen sich dann noch Anlagerungen vom mittleren Keim-
blatte her, welche die knorpeligen und zum Theil auch die häutigen
Umhüllungen des Labyrinthes liefern, so wie endlich gewisse Theile

Dreissigste Vorlesung.
B. Entwicklung des Gehörorganes.

Entwicklungs-
plan des
Gehörorganes
im Allgemeinen.
Meine Herren! Das Gehörorgan, zu dem wir heute über-
gehen, entwickelt sich auf den ersten Blick ähnlich wie das Auge
und findet man auch bei diesem Organe beim Embryo eine Bildung,
welche vom Hornblatte und vielleicht von der gesammten äusseren
Haut ausgeht, dann einen Theil, welchen das Nervensystem liefert
und endlich eine Mitbetheiligung des mittleren Keimblattes; es zeigt
sich jedoch bei näherer Betrachtung doch eine nicht unbedeutende
Verschiedenheit zwischen beiden Sinnesapparaten. Während näm-
lich das Auge, wie ich Ihnen ausführlich auseinandergesetzt habe,
ursprünglich als eine Ausstülpung aus dem Medullarrohre auftritt,
zu welcher sich dann von aussen her die nach innen wuchernde und
zu dem Glaskörper und der Linse sich umgestaltende Haut gesellt,
zeigt sich, dass das Gehörorgan niemals die Form einer hohlen, mit
dem Hirnrohre zusammenhängenden Blase besitzt, ja dass dasselbe
mit Inbegriff des Hörnerven ganz unabhängig vom centralen Nerven-
systeme seinen Ursprung nimmt. Genauer bezeichnet entsteht der
Hörnerv nach Art der gangliösen Kopfnerven selbständig in den Ur-
wirbelplatten des Kopfes und setzt sich erst in zweiter Linie einer-
seits mit der dritten Hirnblase, d. h. dem Nachhirn, und anderseits
mit dem Labyrinthe in Verbindung, welches, d. h. die häutigen
Säckchen und halbkreisförmigen Kanäle, so wie der eigentliche
Schneckenkanal, seinerseits von der äusseren Haut aus seinen Ur-
sprung nimmt und uranfänglich ein nach aussen geöffnetes Bläschen
darstellt. Zu diesen zwei wesentlichsten Bestandtheilen des Gehör-
organes gesellen sich dann noch Anlagerungen vom mittleren Keim-
blatte her, welche die knorpeligen und zum Theil auch die häutigen
Umhüllungen des Labyrinthes liefern, so wie endlich gewisse Theile

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[[300]/0316] Dreissigste Vorlesung. B. Entwicklung des Gehörorganes. Meine Herren! Das Gehörorgan, zu dem wir heute über- gehen, entwickelt sich auf den ersten Blick ähnlich wie das Auge und findet man auch bei diesem Organe beim Embryo eine Bildung, welche vom Hornblatte und vielleicht von der gesammten äusseren Haut ausgeht, dann einen Theil, welchen das Nervensystem liefert und endlich eine Mitbetheiligung des mittleren Keimblattes; es zeigt sich jedoch bei näherer Betrachtung doch eine nicht unbedeutende Verschiedenheit zwischen beiden Sinnesapparaten. Während näm- lich das Auge, wie ich Ihnen ausführlich auseinandergesetzt habe, ursprünglich als eine Ausstülpung aus dem Medullarrohre auftritt, zu welcher sich dann von aussen her die nach innen wuchernde und zu dem Glaskörper und der Linse sich umgestaltende Haut gesellt, zeigt sich, dass das Gehörorgan niemals die Form einer hohlen, mit dem Hirnrohre zusammenhängenden Blase besitzt, ja dass dasselbe mit Inbegriff des Hörnerven ganz unabhängig vom centralen Nerven- systeme seinen Ursprung nimmt. Genauer bezeichnet entsteht der Hörnerv nach Art der gangliösen Kopfnerven selbständig in den Ur- wirbelplatten des Kopfes und setzt sich erst in zweiter Linie einer- seits mit der dritten Hirnblase, d. h. dem Nachhirn, und anderseits mit dem Labyrinthe in Verbindung, welches, d. h. die häutigen Säckchen und halbkreisförmigen Kanäle, so wie der eigentliche Schneckenkanal, seinerseits von der äusseren Haut aus seinen Ur- sprung nimmt und uranfänglich ein nach aussen geöffnetes Bläschen darstellt. Zu diesen zwei wesentlichsten Bestandtheilen des Gehör- organes gesellen sich dann noch Anlagerungen vom mittleren Keim- blatte her, welche die knorpeligen und zum Theil auch die häutigen Umhüllungen des Labyrinthes liefern, so wie endlich gewisse Theile Entwicklungs- plan des Gehörorganes im Allgemeinen.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. [300]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/316>, abgerufen am 19.03.2024.