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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Sechste Vorlesung.

Ursprung der
Kerne der Fur-
chungskugeln.
Meine Herren! Ich habe Ihnen das vorige Mal den Furchungs-
process des Säugethiereies in seinen Hauptstadien geschildert und
meine Ansicht über denselben dahin abgegeben, dass die Dotterthei-
lung von der Bildung von Kernen im Innern des Dotters und von der
Vermehrung dieser Kerne abhänge. Der Ursprung dieser Kerne ist
jedoch bis jetzt noch in ein gewisses Dunkel gehüllt und ist nament-
lich die Herkunft des Kernes der ersten Furchungskugel noch nicht
hinreichend aufgeklärt. Die Mehrzahl der Forscher ist der Ansicht,
dass das Keimbläschen mit der Befruchtung schwinde und somit
der Kern der ersten Furchungskugel ein ganz neu entstandenes Ge-
bilde sei, es sind jedoch auch gegentheilige Stimmen laut geworden
und haben namentlich J. Müller (bei Entoconcha mirabilis) und spä-
ter auch Leydig und Gegenbaur, Beobachtungen vorgebracht, denen
zufolge das Keimbläschen nicht schwinden soll, in welchem Falle
der erste Furchungskern als mit demselben identisch anzusehen
wäre. Im Ganzen ist diese Frage für die Auffassung des Furchungs-
processes selbst nicht von grossem Belang, dagegen hat dieselbe
allerdings eine nicht geringe allgemeine Tragweite, denn wäre der
Kern der ersten Furchungskugel in der That nichts anderes als das
Keimbläschen oder der Kern der Eizelle, so ergäbe sich ein vollstän-
diger Zusammenhang aller zusammengehörenden Generationen und
wären nicht blos die Zellen des Embryo Abkömmlinge der Eizelle,
sondern auch alle Kerne desselben Nachkommen des Kernes dersel-
ben. Im anderen Falle dagegen fände eine Unterbrechung der Ge-
nerationen mit Bezug auf die Kerne statt, und wäre jedes Individuum
wenigstens in dieser Beziehung vom mütterlichen Organismus un-
abhängig.


Sechste Vorlesung.

Ursprung der
Kerne der Fur-
chungskugeln.
Meine Herren! Ich habe Ihnen das vorige Mal den Furchungs-
process des Säugethiereies in seinen Hauptstadien geschildert und
meine Ansicht über denselben dahin abgegeben, dass die Dotterthei-
lung von der Bildung von Kernen im Innern des Dotters und von der
Vermehrung dieser Kerne abhänge. Der Ursprung dieser Kerne ist
jedoch bis jetzt noch in ein gewisses Dunkel gehüllt und ist nament-
lich die Herkunft des Kernes der ersten Furchungskugel noch nicht
hinreichend aufgeklärt. Die Mehrzahl der Forscher ist der Ansicht,
dass das Keimbläschen mit der Befruchtung schwinde und somit
der Kern der ersten Furchungskugel ein ganz neu entstandenes Ge-
bilde sei, es sind jedoch auch gegentheilige Stimmen laut geworden
und haben namentlich J. Müller (bei Entoconcha mirabilis) und spä-
ter auch Leydig und Gegenbaur, Beobachtungen vorgebracht, denen
zufolge das Keimbläschen nicht schwinden soll, in welchem Falle
der erste Furchungskern als mit demselben identisch anzusehen
wäre. Im Ganzen ist diese Frage für die Auffassung des Furchungs-
processes selbst nicht von grossem Belang, dagegen hat dieselbe
allerdings eine nicht geringe allgemeine Tragweite, denn wäre der
Kern der ersten Furchungskugel in der That nichts anderes als das
Keimbläschen oder der Kern der Eizelle, so ergäbe sich ein vollstän-
diger Zusammenhang aller zusammengehörenden Generationen und
wären nicht blos die Zellen des Embryo Abkömmlinge der Eizelle,
sondern auch alle Kerne desselben Nachkommen des Kernes dersel-
ben. Im anderen Falle dagegen fände eine Unterbrechung der Ge-
nerationen mit Bezug auf die Kerne statt, und wäre jedes Individuum
wenigstens in dieser Beziehung vom mütterlichen Organismus un-
abhängig.


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[[32]/0048] Sechste Vorlesung. Meine Herren! Ich habe Ihnen das vorige Mal den Furchungs- process des Säugethiereies in seinen Hauptstadien geschildert und meine Ansicht über denselben dahin abgegeben, dass die Dotterthei- lung von der Bildung von Kernen im Innern des Dotters und von der Vermehrung dieser Kerne abhänge. Der Ursprung dieser Kerne ist jedoch bis jetzt noch in ein gewisses Dunkel gehüllt und ist nament- lich die Herkunft des Kernes der ersten Furchungskugel noch nicht hinreichend aufgeklärt. Die Mehrzahl der Forscher ist der Ansicht, dass das Keimbläschen mit der Befruchtung schwinde und somit der Kern der ersten Furchungskugel ein ganz neu entstandenes Ge- bilde sei, es sind jedoch auch gegentheilige Stimmen laut geworden und haben namentlich J. Müller (bei Entoconcha mirabilis) und spä- ter auch Leydig und Gegenbaur, Beobachtungen vorgebracht, denen zufolge das Keimbläschen nicht schwinden soll, in welchem Falle der erste Furchungskern als mit demselben identisch anzusehen wäre. Im Ganzen ist diese Frage für die Auffassung des Furchungs- processes selbst nicht von grossem Belang, dagegen hat dieselbe allerdings eine nicht geringe allgemeine Tragweite, denn wäre der Kern der ersten Furchungskugel in der That nichts anderes als das Keimbläschen oder der Kern der Eizelle, so ergäbe sich ein vollstän- diger Zusammenhang aller zusammengehörenden Generationen und wären nicht blos die Zellen des Embryo Abkömmlinge der Eizelle, sondern auch alle Kerne desselben Nachkommen des Kernes dersel- ben. Im anderen Falle dagegen fände eine Unterbrechung der Ge- nerationen mit Bezug auf die Kerne statt, und wäre jedes Individuum wenigstens in dieser Beziehung vom mütterlichen Organismus un- abhängig. Ursprung der Kerne der Fur- chungskugeln.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. [32]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/48>, abgerufen am 19.04.2024.