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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Urnieren.
dieses Blattes an dieser Stelle zu keiner Zeit irgend eine Spur ergibt.
So auffallend es mithin auch ist, dass die Urnierengänge und, wie wir
sehen werden, auch die Urnieren aus dem mittleren Keimblatte her-
vorgehen, während sonst die grosse Mehrzal der Drüsen in ihren
epithelialen Elementen aus dem Hornblatte und dem Darmdrüsen-
blatte sich hervorbildet, so bleibt doch nichts anderes übrig, als
den Thatsachen ihr Recht einzuräumen, auch wenn wir dieselben
vorläufig nicht begreifen. Wir werden übrigens später sehen, dass
auch andere ächte Drüsen, wie die Hoden und Eierstöcke, ohne Be-
theiligung der Epithelialblätter des Keimes entstehen.

Der Ausführungsgang der Wolff'schen Körper scheint anfangs
solid zu sein und erst in zweiter Linie eine Höhle in seinem Innern
zu entwickeln. Wenigstens sieht man im Anfange keine Spur einer
Höhle (Fig. 25), während später deutlich ein Lumen in dem Kanal
wahrzunehmen ist. Im weiteren Verlaufe nun rückt dieser Kanal gegen
das Darmdrüsenblatt und immer näher gegen die Aorta zu, welche
ihrerseits gegen die Mittellinie vorrückt, so dass er nach und nach
seitlich von den Urwirbeln, beinahe an die Stelle zu liegen kommt,
die früher die Aorta einnahm. Während dieser Lageveränderung
des Kanals, deren Ursache wahrscheinlich in besonderen Wachs-
thumsverhältnissen des Hornblattes und der Hautplatten zu suchen
ist (s. Fig. 25 und 57), bemerkt man auch an der inneren, unteren
Seite desselben unterhalb der Urwirbel eine Zellenmasse (Fig. 25. uw),
aus welcher sich die Urniere selbst gestaltet. Auch von dieser Zel-
lenmasse ist nur das sicher, dass sie aus dem mittleren Keimblatte
hervorgeht, dagegen bleibt es auch hier zweifelhaft, ob dieselbe aus
den Urwirbeln oder aus den Seitenplatten, d. h. den Mittelplatten
hervorgeht. Nach dem, was ich zu ermitteln im Stande war, ist
letzteres das wahrscheinlichste, auch sieht man in gewissen Fällen
deutlich nach innen von den Anlagen der Urnieren eine ziemlich
scharfe Begrenzung der Urwirbel ganz in derselben Weise wie
früher, von welcher allerdings in dem in Fig. 25 dargestellten
Schnitte nichts zu sehen war.

Beim Hühnerembryo, den Remak sorgfältig untersucht hat, er-Urnieren des
Hühnerembryo.

scheint die Urniere, sobald sie einigermaassen entwickelt ist, in fol-
gender Weise: der Ausführungsgang verläuft an der untern Seite
der Urwirbel mehr nach aussen und mit ihm stehen nach innen
kurze, einfache, quere Drüsenkanälchen in Verbindung, so dass die
ganze Drüse wie halb gefiedert erscheint; ausser diesen queren Ka-

Urnieren.
dieses Blattes an dieser Stelle zu keiner Zeit irgend eine Spur ergibt.
So auffallend es mithin auch ist, dass die Urnierengänge und, wie wir
sehen werden, auch die Urnieren aus dem mittleren Keimblatte her-
vorgehen, während sonst die grosse Mehrzal der Drüsen in ihren
epithelialen Elementen aus dem Hornblatte und dem Darmdrüsen-
blatte sich hervorbildet, so bleibt doch nichts anderes übrig, als
den Thatsachen ihr Recht einzuräumen, auch wenn wir dieselben
vorläufig nicht begreifen. Wir werden übrigens später sehen, dass
auch andere ächte Drüsen, wie die Hoden und Eierstöcke, ohne Be-
theiligung der Epithelialblätter des Keimes entstehen.

Der Ausführungsgang der Wolff’schen Körper scheint anfangs
solid zu sein und erst in zweiter Linie eine Höhle in seinem Innern
zu entwickeln. Wenigstens sieht man im Anfange keine Spur einer
Höhle (Fig. 25), während später deutlich ein Lumen in dem Kanal
wahrzunehmen ist. Im weiteren Verlaufe nun rückt dieser Kanal gegen
das Darmdrüsenblatt und immer näher gegen die Aorta zu, welche
ihrerseits gegen die Mittellinie vorrückt, so dass er nach und nach
seitlich von den Urwirbeln, beinahe an die Stelle zu liegen kommt,
die früher die Aorta einnahm. Während dieser Lageveränderung
des Kanals, deren Ursache wahrscheinlich in besonderen Wachs-
thumsverhältnissen des Hornblattes und der Hautplatten zu suchen
ist (s. Fig. 25 und 57), bemerkt man auch an der inneren, unteren
Seite desselben unterhalb der Urwirbel eine Zellenmasse (Fig. 25. uw),
aus welcher sich die Urniere selbst gestaltet. Auch von dieser Zel-
lenmasse ist nur das sicher, dass sie aus dem mittleren Keimblatte
hervorgeht, dagegen bleibt es auch hier zweifelhaft, ob dieselbe aus
den Urwirbeln oder aus den Seitenplatten, d. h. den Mittelplatten
hervorgeht. Nach dem, was ich zu ermitteln im Stande war, ist
letzteres das wahrscheinlichste, auch sieht man in gewissen Fällen
deutlich nach innen von den Anlagen der Urnieren eine ziemlich
scharfe Begrenzung der Urwirbel ganz in derselben Weise wie
früher, von welcher allerdings in dem in Fig. 25 dargestellten
Schnitte nichts zu sehen war.

Beim Hühnerembryo, den Remak sorgfältig untersucht hat, er-Urnieren des
Hühnerembryo.

scheint die Urniere, sobald sie einigermaassen entwickelt ist, in fol-
gender Weise: der Ausführungsgang verläuft an der untern Seite
der Urwirbel mehr nach aussen und mit ihm stehen nach innen
kurze, einfache, quere Drüsenkanälchen in Verbindung, so dass die
ganze Drüse wie halb gefiedert erscheint; ausser diesen queren Ka-

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[111/0127] Urnieren. dieses Blattes an dieser Stelle zu keiner Zeit irgend eine Spur ergibt. So auffallend es mithin auch ist, dass die Urnierengänge und, wie wir sehen werden, auch die Urnieren aus dem mittleren Keimblatte her- vorgehen, während sonst die grosse Mehrzal der Drüsen in ihren epithelialen Elementen aus dem Hornblatte und dem Darmdrüsen- blatte sich hervorbildet, so bleibt doch nichts anderes übrig, als den Thatsachen ihr Recht einzuräumen, auch wenn wir dieselben vorläufig nicht begreifen. Wir werden übrigens später sehen, dass auch andere ächte Drüsen, wie die Hoden und Eierstöcke, ohne Be- theiligung der Epithelialblätter des Keimes entstehen. Der Ausführungsgang der Wolff’schen Körper scheint anfangs solid zu sein und erst in zweiter Linie eine Höhle in seinem Innern zu entwickeln. Wenigstens sieht man im Anfange keine Spur einer Höhle (Fig. 25), während später deutlich ein Lumen in dem Kanal wahrzunehmen ist. Im weiteren Verlaufe nun rückt dieser Kanal gegen das Darmdrüsenblatt und immer näher gegen die Aorta zu, welche ihrerseits gegen die Mittellinie vorrückt, so dass er nach und nach seitlich von den Urwirbeln, beinahe an die Stelle zu liegen kommt, die früher die Aorta einnahm. Während dieser Lageveränderung des Kanals, deren Ursache wahrscheinlich in besonderen Wachs- thumsverhältnissen des Hornblattes und der Hautplatten zu suchen ist (s. Fig. 25 und 57), bemerkt man auch an der inneren, unteren Seite desselben unterhalb der Urwirbel eine Zellenmasse (Fig. 25. uw), aus welcher sich die Urniere selbst gestaltet. Auch von dieser Zel- lenmasse ist nur das sicher, dass sie aus dem mittleren Keimblatte hervorgeht, dagegen bleibt es auch hier zweifelhaft, ob dieselbe aus den Urwirbeln oder aus den Seitenplatten, d. h. den Mittelplatten hervorgeht. Nach dem, was ich zu ermitteln im Stande war, ist letzteres das wahrscheinlichste, auch sieht man in gewissen Fällen deutlich nach innen von den Anlagen der Urnieren eine ziemlich scharfe Begrenzung der Urwirbel ganz in derselben Weise wie früher, von welcher allerdings in dem in Fig. 25 dargestellten Schnitte nichts zu sehen war. Beim Hühnerembryo, den Remak sorgfältig untersucht hat, er- scheint die Urniere, sobald sie einigermaassen entwickelt ist, in fol- gender Weise: der Ausführungsgang verläuft an der untern Seite der Urwirbel mehr nach aussen und mit ihm stehen nach innen kurze, einfache, quere Drüsenkanälchen in Verbindung, so dass die ganze Drüse wie halb gefiedert erscheint; ausser diesen queren Ka- Urnieren des Hühnerembryo.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/127>, abgerufen am 25.04.2024.