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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Dreiunddreissigste Vorlesung.
die an den Enden eine bis fünf rundliche Knospen tragen. Jeder der
in der Fig. 173 gezeichneten Ausläufer ist die Anlage Eines ganzen
Milchdrüsenlappens, doch erreichen dieselben bekanntlich erst spät
ihre volle Ausbildung, in welcher Beziehung ich Sie auf die sorg-
fältigen Untersuchungen von Langer verweise. Der Gang der Ent-
wicklung im Allgemeinen ist übrigens wie bei den Talgdrüsen und
lässt sich namentlich bei Neugebornen, bei denen die Milchdrüse in
eine Periode lebhafter Entwicklung eintritt, leicht demonstriren,
dass die Bildung der Höhlungen in den Drüsenanlagen, die ebenso
wie die Oeffnungen an der Warze um diese Zeit auftreten, mit der
Bildung fetthaltiger Zellen im Innern derselben zusammenhängt.
Diese Zellen sammt etwas Flüssigkeit stellen die sogenannte "Milch
der Neugebornen" dar. Bekanntermaassen tritt bei Neugebornen
beider Geschlechter eine Anschwellung der Brustdrüsen ein und
kann man durch Comprimirung derselben ein milchartiges Secret
auspressen, welches nach der Analyse von Schlossberger so ziem-
lich mit der Milch übereinstimmt. Diese Erscheinung wäre ganz
räthselhaft, könnte man nicht nachweisen, dass dieselbe mit der
Entwicklung der Hohlräume in den Anlagen der Drüsenabtheilungen
zusammenhängt. Die eben erwähnte raschere Entwicklung der Milch-
drüsen unmittelbar nach der Geburt, die natürlich einen vermehrten
Blutandrang im Gefolge hat, erklärt dann auch die häufigen Fälle
von Entzündungen des Organes bei Neugebornen oder Kindern der
ersten Wochen.

Ueberblicken Sie nun noch einmal zum Schlusse das Ergebniss,
so sehen Sie, dass alle Anhänge der Haut, zu denen auch die früher
schon besprochenen Meibom'schen Thränen- und Ohrenschmalzdrü-
sen gehören, demselben Typus der Entwicklung folgen und in erster
Linie als solide Wucherungen des embryonalen Hornblattes, genauer
bezeichnet der Schleimschicht der Oberhaut auftreten, zu denen
sich dann nachträglich noch Umhüllungen von der mittleren Keim-
schicht oder von der Cutis gesellen. Gestalten sich die Wuche-
rungen zu Drüsen, so wandeln sich die inneren Zellen derselben zu
Secretzellen um (Talgdrüsen, Milchdrüsen und wahrscheinlich auch
die grossen Schleimdrüsen und die Glandulae ceruminosae) und ent-
steht so ein Gegensatz zwischen den äusseren und inneren Theilen
oder es bilden sich die Drüsenlumina einfach durch eine Ausschei-
dung von Flüssigkeit; werden dagegen aus den Epidermisfortsätzen
Horngebilde, wie z. B. Haare, so wandeln sich die centralen Ele-

Dreiunddreissigste Vorlesung.
die an den Enden eine bis fünf rundliche Knospen tragen. Jeder der
in der Fig. 173 gezeichneten Ausläufer ist die Anlage Eines ganzen
Milchdrüsenlappens, doch erreichen dieselben bekanntlich erst spät
ihre volle Ausbildung, in welcher Beziehung ich Sie auf die sorg-
fältigen Untersuchungen von Langer verweise. Der Gang der Ent-
wicklung im Allgemeinen ist übrigens wie bei den Talgdrüsen und
lässt sich namentlich bei Neugebornen, bei denen die Milchdrüse in
eine Periode lebhafter Entwicklung eintritt, leicht demonstriren,
dass die Bildung der Höhlungen in den Drüsenanlagen, die ebenso
wie die Oeffnungen an der Warze um diese Zeit auftreten, mit der
Bildung fetthaltiger Zellen im Innern derselben zusammenhängt.
Diese Zellen sammt etwas Flüssigkeit stellen die sogenannte «Milch
der Neugebornen» dar. Bekanntermaassen tritt bei Neugebornen
beider Geschlechter eine Anschwellung der Brustdrüsen ein und
kann man durch Comprimirung derselben ein milchartiges Secret
auspressen, welches nach der Analyse von Schlossberger so ziem-
lich mit der Milch übereinstimmt. Diese Erscheinung wäre ganz
räthselhaft, könnte man nicht nachweisen, dass dieselbe mit der
Entwicklung der Hohlräume in den Anlagen der Drüsenabtheilungen
zusammenhängt. Die eben erwähnte raschere Entwicklung der Milch-
drüsen unmittelbar nach der Geburt, die natürlich einen vermehrten
Blutandrang im Gefolge hat, erklärt dann auch die häufigen Fälle
von Entzündungen des Organes bei Neugebornen oder Kindern der
ersten Wochen.

Ueberblicken Sie nun noch einmal zum Schlusse das Ergebniss,
so sehen Sie, dass alle Anhänge der Haut, zu denen auch die früher
schon besprochenen Meibom’schen Thränen- und Ohrenschmalzdrü-
sen gehören, demselben Typus der Entwicklung folgen und in erster
Linie als solide Wucherungen des embryonalen Hornblattes, genauer
bezeichnet der Schleimschicht der Oberhaut auftreten, zu denen
sich dann nachträglich noch Umhüllungen von der mittleren Keim-
schicht oder von der Cutis gesellen. Gestalten sich die Wuche-
rungen zu Drüsen, so wandeln sich die inneren Zellen derselben zu
Secretzellen um (Talgdrüsen, Milchdrüsen und wahrscheinlich auch
die grossen Schleimdrüsen und die Glandulae ceruminosae) und ent-
steht so ein Gegensatz zwischen den äusseren und inneren Theilen
oder es bilden sich die Drüsenlumina einfach durch eine Ausschei-
dung von Flüssigkeit; werden dagegen aus den Epidermisfortsätzen
Horngebilde, wie z. B. Haare, so wandeln sich die centralen Ele-

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[346/0362] Dreiunddreissigste Vorlesung. die an den Enden eine bis fünf rundliche Knospen tragen. Jeder der in der Fig. 173 gezeichneten Ausläufer ist die Anlage Eines ganzen Milchdrüsenlappens, doch erreichen dieselben bekanntlich erst spät ihre volle Ausbildung, in welcher Beziehung ich Sie auf die sorg- fältigen Untersuchungen von Langer verweise. Der Gang der Ent- wicklung im Allgemeinen ist übrigens wie bei den Talgdrüsen und lässt sich namentlich bei Neugebornen, bei denen die Milchdrüse in eine Periode lebhafter Entwicklung eintritt, leicht demonstriren, dass die Bildung der Höhlungen in den Drüsenanlagen, die ebenso wie die Oeffnungen an der Warze um diese Zeit auftreten, mit der Bildung fetthaltiger Zellen im Innern derselben zusammenhängt. Diese Zellen sammt etwas Flüssigkeit stellen die sogenannte «Milch der Neugebornen» dar. Bekanntermaassen tritt bei Neugebornen beider Geschlechter eine Anschwellung der Brustdrüsen ein und kann man durch Comprimirung derselben ein milchartiges Secret auspressen, welches nach der Analyse von Schlossberger so ziem- lich mit der Milch übereinstimmt. Diese Erscheinung wäre ganz räthselhaft, könnte man nicht nachweisen, dass dieselbe mit der Entwicklung der Hohlräume in den Anlagen der Drüsenabtheilungen zusammenhängt. Die eben erwähnte raschere Entwicklung der Milch- drüsen unmittelbar nach der Geburt, die natürlich einen vermehrten Blutandrang im Gefolge hat, erklärt dann auch die häufigen Fälle von Entzündungen des Organes bei Neugebornen oder Kindern der ersten Wochen. Ueberblicken Sie nun noch einmal zum Schlusse das Ergebniss, so sehen Sie, dass alle Anhänge der Haut, zu denen auch die früher schon besprochenen Meibom’schen Thränen- und Ohrenschmalzdrü- sen gehören, demselben Typus der Entwicklung folgen und in erster Linie als solide Wucherungen des embryonalen Hornblattes, genauer bezeichnet der Schleimschicht der Oberhaut auftreten, zu denen sich dann nachträglich noch Umhüllungen von der mittleren Keim- schicht oder von der Cutis gesellen. Gestalten sich die Wuche- rungen zu Drüsen, so wandeln sich die inneren Zellen derselben zu Secretzellen um (Talgdrüsen, Milchdrüsen und wahrscheinlich auch die grossen Schleimdrüsen und die Glandulae ceruminosae) und ent- steht so ein Gegensatz zwischen den äusseren und inneren Theilen oder es bilden sich die Drüsenlumina einfach durch eine Ausschei- dung von Flüssigkeit; werden dagegen aus den Epidermisfortsätzen Horngebilde, wie z. B. Haare, so wandeln sich die centralen Ele-

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/362>, abgerufen am 23.04.2024.