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Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Doch seht diese zerknitterte Schlafmütze dahier und vernehmt, was mir diese Nacht geträumt hat.

Bei diesen Worten ward der arme Giovanni leichenblaß. Auf einen Traum seines Nebenbuhlers war er nicht gefaßt, und da er Strintillo's Leidenschaft für Träume kannte, fürchtete er sehr, daß Granco die Oberhand gewinnen könnte.

Der Traum ist, fuhr Granco fort, so gut wie einer sein kann, und ein Morgentraum, er paßt überall ein und schließt zusammen, daß gar keine Fuge bleibt. Hierauf erzählte Granco mit langweiliger Ausführlichkeit: wie ihm Angiolinchen im Traum erschienen sei, um und um mit Blumen besteckt, und ihm eine Rose gegeben habe; wie sie dann zusammen einen großen goldenen Fisch gefangen und mit einem Hammer todtgeschlagen hätten; der Fisch aber habe so viel Rogen gehabt, daß alle seine Kessel und Töpfe nicht langen wollten, ihn aufzunehmen. Als er deßhalb den Hut abgenommen, sich hinter den Ohren zu kratzen, sei er aufgewacht, die Schlafmütze in der Hand, die er vor Freuden über den prächtigen Traum ganz zerküßt und zerbalgt habe. Da seht, wie sie aussieht, überall zerknittert und zerknüllt!

Warum aber dünkt Euch der Traum so gut? fragte Giovanni. Da sagte Don Granco: Wenn Ihr es ihm nicht selber ansehet, will ich Euch belehren; der Traum ist sechsmal gut:

Doch seht diese zerknitterte Schlafmütze dahier und vernehmt, was mir diese Nacht geträumt hat.

Bei diesen Worten ward der arme Giovanni leichenblaß. Auf einen Traum seines Nebenbuhlers war er nicht gefaßt, und da er Strintillo's Leidenschaft für Träume kannte, fürchtete er sehr, daß Granco die Oberhand gewinnen könnte.

Der Traum ist, fuhr Granco fort, so gut wie einer sein kann, und ein Morgentraum, er paßt überall ein und schließt zusammen, daß gar keine Fuge bleibt. Hierauf erzählte Granco mit langweiliger Ausführlichkeit: wie ihm Angiolinchen im Traum erschienen sei, um und um mit Blumen besteckt, und ihm eine Rose gegeben habe; wie sie dann zusammen einen großen goldenen Fisch gefangen und mit einem Hammer todtgeschlagen hätten; der Fisch aber habe so viel Rogen gehabt, daß alle seine Kessel und Töpfe nicht langen wollten, ihn aufzunehmen. Als er deßhalb den Hut abgenommen, sich hinter den Ohren zu kratzen, sei er aufgewacht, die Schlafmütze in der Hand, die er vor Freuden über den prächtigen Traum ganz zerküßt und zerbalgt habe. Da seht, wie sie aussieht, überall zerknittert und zerknüllt!

Warum aber dünkt Euch der Traum so gut? fragte Giovanni. Da sagte Don Granco: Wenn Ihr es ihm nicht selber ansehet, will ich Euch belehren; der Traum ist sechsmal gut:

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Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/13>, abgerufen am 25.04.2024.