Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

sollt ihr Alles erfahren! Doch Euch, Don Ciccio, bitte ich mit tausend Küssen, kommt mit mir, nach Neapel, dort wollen wir einen Freund holen, dessen ich zu meinem Vorhaben bedarf, wie meiner Augen zum Sehen! -- Aber sagt mir nur, was Ihr wollt? -- In Neapel erfahrt Ihr Alles! Kommt nur, Don Ciccio, verlieren wir keine Zeit!

Schnell waren zwei gesattelte Maulthiere herbeigeschafft, und die beiden Freunde nahmen Abschied: Morgen kommen wir wieder, dann erfahrt ihr Alles! -- Hiemit ließen sie die Andern verwundert stehen und trabten den lustigen Weg nach Castellamare hinunter, wo sie einen zweirädrigen Wagen mit zwei Pferden nahmen, oder, besser gesagt, einen geschnellten Pfeil, auf dem sie längs des Ufers am schönen Golf hinflogen; denn die Pferde liefen, als hätten sie Feuer gefressen! Unterweges fragte Ciccio Giovanni zu wiederholten Malen, wen er aus Neapel holen wolle?

Das werdet Ihr sehen, lieber, lieber Don Ciccio! war Giovanni's einzige Antwort: laß mich, ich bin glückselig, glückselig! und damit fiel der Jüngling dem braven Notar um den Hals, küßte ihn und drückte ihn unaufhörlich so heftig, bis dieser ihm endlich seinen Mantel hinhielt und sagte: Hier, wenn du durchaus so heftig drücken und küssen mußt, nimm meinen Mantel in die Arme, quetsche ihn und balge ihn nach Herzenslust, der hält es aus, aber mit einer lebendigen Seele habe Geduld und lasse sie leben! Wenn Einer

sollt ihr Alles erfahren! Doch Euch, Don Ciccio, bitte ich mit tausend Küssen, kommt mit mir, nach Neapel, dort wollen wir einen Freund holen, dessen ich zu meinem Vorhaben bedarf, wie meiner Augen zum Sehen! — Aber sagt mir nur, was Ihr wollt? — In Neapel erfahrt Ihr Alles! Kommt nur, Don Ciccio, verlieren wir keine Zeit!

Schnell waren zwei gesattelte Maulthiere herbeigeschafft, und die beiden Freunde nahmen Abschied: Morgen kommen wir wieder, dann erfahrt ihr Alles! — Hiemit ließen sie die Andern verwundert stehen und trabten den lustigen Weg nach Castellamare hinunter, wo sie einen zweirädrigen Wagen mit zwei Pferden nahmen, oder, besser gesagt, einen geschnellten Pfeil, auf dem sie längs des Ufers am schönen Golf hinflogen; denn die Pferde liefen, als hätten sie Feuer gefressen! Unterweges fragte Ciccio Giovanni zu wiederholten Malen, wen er aus Neapel holen wolle?

Das werdet Ihr sehen, lieber, lieber Don Ciccio! war Giovanni's einzige Antwort: laß mich, ich bin glückselig, glückselig! und damit fiel der Jüngling dem braven Notar um den Hals, küßte ihn und drückte ihn unaufhörlich so heftig, bis dieser ihm endlich seinen Mantel hinhielt und sagte: Hier, wenn du durchaus so heftig drücken und küssen mußt, nimm meinen Mantel in die Arme, quetsche ihn und balge ihn nach Herzenslust, der hält es aus, aber mit einer lebendigen Seele habe Geduld und lasse sie leben! Wenn Einer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0048"/>
sollt ihr                     Alles erfahren! Doch Euch, Don Ciccio, bitte ich mit tausend Küssen, kommt mit                     mir, nach Neapel, dort wollen wir einen Freund holen, dessen ich zu meinem                     Vorhaben bedarf, wie meiner Augen zum Sehen! &#x2014; Aber sagt mir nur, was Ihr wollt?                     &#x2014; In Neapel erfahrt Ihr Alles! Kommt nur, Don Ciccio, verlieren wir keine                     Zeit!</p><lb/>
        <p>Schnell waren zwei gesattelte Maulthiere herbeigeschafft, und die beiden Freunde                     nahmen Abschied: Morgen kommen wir wieder, dann erfahrt ihr Alles! &#x2014; Hiemit                     ließen sie die Andern verwundert stehen und trabten den lustigen Weg nach                     Castellamare hinunter, wo sie einen zweirädrigen Wagen mit zwei Pferden nahmen,                     oder, besser gesagt, einen geschnellten Pfeil, auf dem sie längs des Ufers am                     schönen Golf hinflogen; denn die Pferde liefen, als hätten sie Feuer gefressen!                     Unterweges fragte Ciccio Giovanni zu wiederholten Malen, wen er aus Neapel holen                     wolle?</p><lb/>
        <p>Das werdet Ihr sehen, lieber, lieber Don Ciccio! war Giovanni's einzige Antwort:                     laß mich, ich bin glückselig, glückselig! und damit fiel der Jüngling dem braven                     Notar um den Hals, küßte ihn und drückte ihn unaufhörlich so heftig, bis dieser                     ihm endlich seinen Mantel hinhielt und sagte: Hier, wenn du durchaus so heftig                     drücken und küssen mußt, nimm meinen Mantel in die Arme, quetsche ihn und balge                     ihn nach Herzenslust, der hält es aus, aber mit einer lebendigen Seele habe                     Geduld und lasse sie leben! Wenn Einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] sollt ihr Alles erfahren! Doch Euch, Don Ciccio, bitte ich mit tausend Küssen, kommt mit mir, nach Neapel, dort wollen wir einen Freund holen, dessen ich zu meinem Vorhaben bedarf, wie meiner Augen zum Sehen! — Aber sagt mir nur, was Ihr wollt? — In Neapel erfahrt Ihr Alles! Kommt nur, Don Ciccio, verlieren wir keine Zeit! Schnell waren zwei gesattelte Maulthiere herbeigeschafft, und die beiden Freunde nahmen Abschied: Morgen kommen wir wieder, dann erfahrt ihr Alles! — Hiemit ließen sie die Andern verwundert stehen und trabten den lustigen Weg nach Castellamare hinunter, wo sie einen zweirädrigen Wagen mit zwei Pferden nahmen, oder, besser gesagt, einen geschnellten Pfeil, auf dem sie längs des Ufers am schönen Golf hinflogen; denn die Pferde liefen, als hätten sie Feuer gefressen! Unterweges fragte Ciccio Giovanni zu wiederholten Malen, wen er aus Neapel holen wolle? Das werdet Ihr sehen, lieber, lieber Don Ciccio! war Giovanni's einzige Antwort: laß mich, ich bin glückselig, glückselig! und damit fiel der Jüngling dem braven Notar um den Hals, küßte ihn und drückte ihn unaufhörlich so heftig, bis dieser ihm endlich seinen Mantel hinhielt und sagte: Hier, wenn du durchaus so heftig drücken und küssen mußt, nimm meinen Mantel in die Arme, quetsche ihn und balge ihn nach Herzenslust, der hält es aus, aber mit einer lebendigen Seele habe Geduld und lasse sie leben! Wenn Einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:35:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/48
Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/48>, abgerufen am 20.04.2024.