Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Arme Blättchen, ihr werdet nun ferner in Schlum-
mer und Wehmuth
Emma nicht säuseln. Ihr rollt
Hoch in der brausenden Luft, und bald verwes't ihr,
und stiebet
Staub im Aether umher.

Emma, ich irr' hinauf und hinab im schaurigen
Garten,
Wühl' im raschelnden Laub,
Und es hüllet mir Dämmrung die Seele, Dämmrung
das Auge.
Denn es prediget mir
Jedes welkende Blatt und jedes sterbende Gräschen:
"Einstens grünt' ich, wie du!
"Einstens welkst du, wie ich. Wie Gras auf dem
Felde sind Menschen,
"Grünen und welken, wie wir."
Rauschendes Blättchen, du irrst. Du täuschest dich,
welkendes Blättchen;
Denn ich bin nicht, wie du.
Zwar ich werde verwelken in meiner grünenden
Jugend.
Jünglingsstärke zerschillt;
Mädchenschöne verblüht. Wir welken, wie Gras
auf dem Felde;
Aber wir welken nicht ganz.

Arme Blättchen, ihr werdet nun ferner in Schlum-
mer und Wehmuth
Emma nicht säuseln. Ihr rollt
Hoch in der brausenden Luft, und bald verwes't ihr,
und stiebet
Staub im Aether umher.

Emma, ich irr' hinauf und hinab im schaurigen
Garten,
Wühl' im raschelnden Laub,
Und es hüllet mir Dämmrung die Seele, Dämmrung
das Auge.
Denn es prediget mir
Jedes welkende Blatt und jedes sterbende Gräschen:
„Einstens grünt' ich, wie du!
„Einstens welkst du, wie ich. Wie Gras auf dem
Felde sind Menschen,
„Grünen und welken, wie wir.“
Rauschendes Blättchen, du irrst. Du täuschest dich,
welkendes Blättchen;
Denn ich bin nicht, wie du.
Zwar ich werde verwelken in meiner grünenden
Jugend.
Jünglingsstärke zerschillt;
Mädchenschöne verblüht. Wir welken, wie Gras
auf dem Felde;
Aber wir welken nicht ganz.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0110" n="70"/>
              <l>Arme Blättchen, ihr werdet nun ferner in Schlum-</l><lb/>
              <l>mer und Wehmuth</l><lb/>
              <l>Emma nicht säuseln. Ihr rollt</l><lb/>
              <l>Hoch in der brausenden Luft, und bald verwes't ihr,</l><lb/>
              <l>und stiebet</l><lb/>
              <l>Staub im Aether umher.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Emma, ich irr' hinauf und hinab im schaurigen</l><lb/>
              <l>Garten,</l><lb/>
              <l>Wühl' im raschelnden Laub,</l><lb/>
              <l>Und es hüllet mir Dämmrung die Seele, Dämmrung</l><lb/>
              <l>das Auge.</l><lb/>
              <l>Denn es prediget mir</l><lb/>
              <l>Jedes welkende Blatt und jedes sterbende Gräschen:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Einstens grünt' ich, wie du!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Einstens welkst du, wie ich. Wie Gras auf dem</l><lb/>
              <l>Felde sind Menschen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Grünen und welken, wie wir.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Rauschendes Blättchen, du irrst. Du täuschest dich,</l><lb/>
              <l>welkendes Blättchen;</l><lb/>
              <l>Denn ich bin nicht, wie du.</l><lb/>
              <l>Zwar ich werde verwelken in meiner grünenden</l><lb/>
              <l>Jugend.</l><lb/>
              <l>Jünglingsstärke zerschillt;</l><lb/>
              <l>Mädchenschöne verblüht. Wir welken, wie Gras</l><lb/>
              <l>auf dem Felde;</l><lb/>
              <l>Aber wir welken nicht ganz.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0110] Arme Blättchen, ihr werdet nun ferner in Schlum- mer und Wehmuth Emma nicht säuseln. Ihr rollt Hoch in der brausenden Luft, und bald verwes't ihr, und stiebet Staub im Aether umher. Emma, ich irr' hinauf und hinab im schaurigen Garten, Wühl' im raschelnden Laub, Und es hüllet mir Dämmrung die Seele, Dämmrung das Auge. Denn es prediget mir Jedes welkende Blatt und jedes sterbende Gräschen: „Einstens grünt' ich, wie du! „Einstens welkst du, wie ich. Wie Gras auf dem Felde sind Menschen, „Grünen und welken, wie wir.“ Rauschendes Blättchen, du irrst. Du täuschest dich, welkendes Blättchen; Denn ich bin nicht, wie du. Zwar ich werde verwelken in meiner grünenden Jugend. Jünglingsstärke zerschillt; Mädchenschöne verblüht. Wir welken, wie Gras auf dem Felde; Aber wir welken nicht ganz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/110
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/110>, abgerufen am 28.03.2024.