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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Drob empfind' ich Wehmuth mich umschleyern.
Meine Seele wölkt Melancholie.
Deinen Tag, mein Bruder, wollt' ich feyern;
Doch der goldnen Saiten Harmonie
Weinet in gebrochnen Dissonanzen,
Und des Brautgesanges sanfte Stanzen,
Statt des Hymenäus Tanz zu tanzen,
Schleichen trägen Gang, wie Threnodie.
Haucht nicht Frühling schon in lauern Lüften?
Goldet sich nicht schon der Berge Moos?
Weint der Halbmond nicht aus weissen Düften?
Kreisst nicht schon der Erde Mutterschooss?
Wann am Blüthenbaum die Knospe schwellet,
Wann der Haiden düstres Braun sich hellet,
Und der Unke Lied im Schilfe gellet,
Reiss' ich mich von meinen Lieben los;
Eile, ungehemmt von ihren Klagen,
Hin, wo mir dein Finger, Vorsicht, winkt;
Wo der Sonne goldgeschirrter Wagen
Früher steigt, und früher niedersinkt;
Wo der Belte Grundeis später thauet,
Später das erfrorne Jahr erlauet,
Wo Fomahant nie dem Meer entschauet,
Mirach nie des Oceanes trinkt.

Drob empfind' ich Wehmuth mich umschleyern.
Meine Seele wölkt Melancholie.
Deinen Tag, mein Bruder, wollt' ich feyern;
Doch der goldnen Saiten Harmonie
Weinet in gebrochnen Dissonanzen,
Und des Brautgesanges sanfte Stanzen,
Statt des Hymenäus Tanz zu tanzen,
Schleichen trägen Gang, wie Threnodie.
Haucht nicht Frühling schon in lauern Lüften?
Goldet sich nicht schon der Berge Moos?
Weint der Halbmond nicht aus weissen Düften?
Kreisst nicht schon der Erde Mutterschooss?
Wann am Blüthenbaum die Knospe schwellet,
Wann der Haiden düstres Braun sich hellet,
Und der Unke Lied im Schilfe gellet,
Reiss' ich mich von meinen Lieben los;
Eile, ungehemmt von ihren Klagen,
Hin, wo mir dein Finger, Vorsicht, winkt;
Wo der Sonne goldgeschirrter Wagen
Früher steigt, und früher niedersinkt;
Wo der Belte Grundeis später thauet,
Später das erfrorne Jahr erlauet,
Wo Fomahant nie dem Meer entschauet,
Mirach nie des Oceanes trinkt.

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[158/0174] Drob empfind' ich Wehmuth mich umschleyern. Meine Seele wölkt Melancholie. Deinen Tag, mein Bruder, wollt' ich feyern; Doch der goldnen Saiten Harmonie Weinet in gebrochnen Dissonanzen, Und des Brautgesanges sanfte Stanzen, Statt des Hymenäus Tanz zu tanzen, Schleichen trägen Gang, wie Threnodie. Haucht nicht Frühling schon in lauern Lüften? Goldet sich nicht schon der Berge Moos? Weint der Halbmond nicht aus weissen Düften? Kreisst nicht schon der Erde Mutterschooss? Wann am Blüthenbaum die Knospe schwellet, Wann der Haiden düstres Braun sich hellet, Und der Unke Lied im Schilfe gellet, Reiss' ich mich von meinen Lieben los; Eile, ungehemmt von ihren Klagen, Hin, wo mir dein Finger, Vorsicht, winkt; Wo der Sonne goldgeschirrter Wagen Früher steigt, und früher niedersinkt; Wo der Belte Grundeis später thauet, Später das erfrorne Jahr erlauet, Wo Fomahant nie dem Meer entschauet, Mirach nie des Oceanes trinkt.

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen02_1798/174>, abgerufen am 18.04.2024.