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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.

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"Ein's Morgens misst' ich auf dem Hügel ihn,
"Ihn auf der Hayd', ihn unterm Buchendach.
"Der zweyte Morgen dämmert'; er erschien
"Nicht auf dem Berg, im Busch nicht, nicht am Bach.
"Am dritten trugen sie mit Sang und Klang
"Den Kirchweg ihn daher durchs hohe Korn
"Du kannst ja lesen -- lies dann den Gesang
"Auf jenem Stein mir unterm Hagedorn."
Die Grabschrift.
Dem Glücke nicht, und nicht dem Ruhm bekannt,
Schläft hier ein Jüngling in dem stillen Staub.
Sein Herz hat für die Weisheit früh gebrannt,
Doch frühe ward sein Geist der Schwermuth Raub.
Fromm war sein Sinn, und harmlos sein Gemüth,
Und süss das Loos, das ihm der Himmel gab.
Er gab dem Himmel, was er hatt', ein Lied!
Ihm gab der Himmel, was er wünscht, ein Grab!
Nicht ferner decke seine Tugend auf,
Nicht seine Schwächen, nicht sein trübes Loos.
Bangharrend ruht er nach durchmessnem Lauf
In seines Gottes, seines Vaters Schooss.

„Ein's Morgens misst' ich auf dem Hügel ihn,
„Ihn auf der Hayd', ihn unterm Buchendach.
„Der zweyte Morgen dämmert'; er erschien
„Nicht auf dem Berg, im Busch nicht, nicht am Bach.
„Am dritten trugen sie mit Sang und Klang
„Den Kirchweg ihn daher durchs hohe Korn
„Du kannst ja lesen — lies dann den Gesang
„Auf jenem Stein mir unterm Hagedorn.“
Die Grabschrift.
Dem Glücke nicht, und nicht dem Ruhm bekannt,
Schläft hier ein Jüngling in dem stillen Staub.
Sein Herz hat für die Weisheit früh gebrannt,
Doch frühe ward sein Geist der Schwermuth Raub.
Fromm war sein Sinn, und harmlos sein Gemüth,
Und süſs das Loos, das ihm der Himmel gab.
Er gab dem Himmel, was er hatt', ein Lied!
Ihm gab der Himmel, was er wünscht, ein Grab!
Nicht ferner decke seine Tugend auf,
Nicht seine Schwächen, nicht sein trübes Loos.
Bangharrend ruht er nach durchmeſsnem Lauf
In seines Gottes, seines Vaters Schooſs.

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[53/0073] „Ein's Morgens misst' ich auf dem Hügel ihn, „Ihn auf der Hayd', ihn unterm Buchendach. „Der zweyte Morgen dämmert'; er erschien „Nicht auf dem Berg, im Busch nicht, nicht am Bach. „Am dritten trugen sie mit Sang und Klang „Den Kirchweg ihn daher durchs hohe Korn „Du kannst ja lesen — lies dann den Gesang „Auf jenem Stein mir unterm Hagedorn.“ Die Grabschrift. Dem Glücke nicht, und nicht dem Ruhm bekannt, Schläft hier ein Jüngling in dem stillen Staub. Sein Herz hat für die Weisheit früh gebrannt, Doch frühe ward sein Geist der Schwermuth Raub. Fromm war sein Sinn, und harmlos sein Gemüth, Und süſs das Loos, das ihm der Himmel gab. Er gab dem Himmel, was er hatt', ein Lied! Ihm gab der Himmel, was er wünscht, ein Grab! Nicht ferner decke seine Tugend auf, Nicht seine Schwächen, nicht sein trübes Loos. Bangharrend ruht er nach durchmeſsnem Lauf In seines Gottes, seines Vaters Schooſs.

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen03_1802/73>, abgerufen am 28.03.2024.