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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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die psychischen Vorgänge auszuüben. Trotzdem die Gabe dieses
Mittels, welche ich anwendete, die im täglichen Leben gebrauchten
zweifellos übertraf, sind wir bei der Besprechung der einzelnen Ver-
suchsergebnisse doch mehrfach im Zweifel geblieben, ob die beobachteten
Veränderungen bestimmt als Theewirkungen aufzufassen seien oder nicht.
Darin zeigt sich nicht nur die Schwierigkeit derartiger Untersuchungen
überhaupt, sondern auch das geringere Gewicht, mit welchem der
Thee auf die Gestaltung der psychischen Vorgänge einwirkt. Etwas
entschiedenere Resultate erhielt Dehio, der mit der doppelten Thee-
dosis arbeitete. Ungeachtet dieser relativ schwächeren Ausprägung
aller Eigenthümlichkeiten des Mittels erscheinen doch einzelne Er-
fahrungen aus unseren Versuchen so unzweideutig, dass wir ohne Be-
denken an sie anknüpfen können, um uns ein Bild von der Gesammt-
wirkung des Thees zu entwerfen. Ganz besonders erleichtert wird
dieses Unternehmen durch die auf allen Punkten mögliche Vergleichung
mit dem Alkohol.

Die erste Thatsache, von welcher die Betrachtung der psychischen
Theewirkung am zweckmässigsten auszugehen hat, ist die schon von
Dehio gefundene Beschleunigung der Wort- und Associations-
reactionen. Diese Beschleunigung beginnt sehr bald nach dem Ge-
nusse des Thees, jedenfalls schon innerhalb der ersten Viertelstunde,
und dauert längere Zeit an, unter Umständen 1--1 1/2 Stunden. Bis-
weilen schliesst sich dann noch eine mässige Verlängerung der psy-
chischen Zeiten an, von welcher kaum mit Sicherheit gesagt werden
kann, ob sie noch als Theewirkung anzusehen ist oder auf physiolo-
gischer Ermüdung beruht. Wir können aus diesen Erfahrungen mit
grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass der Thee die Auffassung
äusserer Eindrücke und die Verbindung der Vorstellungen erleichtert,
denn diese beiden Vorgänge sind es, welche wesentlich die Dauer der
bei den Versuchen gemessenen Zeiten bestimmen. Zur Gewissheit
wird diese Anschauung durch den Ausfall der einfachen und der
Wahlreactionen unter dem Einflusse des Thees. In den betreffenden
Versuchen liess sich eine irgendwie deutliche Veränderung der Zeiten
kaum nachweisen; die geringfügige, aber langdauernde Beschleunigung
kann jedenfalls nicht auf den motorischen Act bezogen werden,
welcher den Hauptinhalt jener Vorgänge ausmacht. Zudem lehrt
auch das Beispiel des Alkohols, dass die erleichterte Auslösung von
Bewegungen sich gerade bei diesen Reactionsformen in sehr deutlicher
Weise auszuprägen pflegt.

Die Associationsarten, welche von Dehio untersucht wurden,

die psychischen Vorgänge auszuüben. Trotzdem die Gabe dieses
Mittels, welche ich anwendete, die im täglichen Leben gebrauchten
zweifellos übertraf, sind wir bei der Besprechung der einzelnen Ver-
suchsergebnisse doch mehrfach im Zweifel geblieben, ob die beobachteten
Veränderungen bestimmt als Theewirkungen aufzufassen seien oder nicht.
Darin zeigt sich nicht nur die Schwierigkeit derartiger Untersuchungen
überhaupt, sondern auch das geringere Gewicht, mit welchem der
Thee auf die Gestaltung der psychischen Vorgänge einwirkt. Etwas
entschiedenere Resultate erhielt Dehio, der mit der doppelten Thee-
dosis arbeitete. Ungeachtet dieser relativ schwächeren Ausprägung
aller Eigenthümlichkeiten des Mittels erscheinen doch einzelne Er-
fahrungen aus unseren Versuchen so unzweideutig, dass wir ohne Be-
denken an sie anknüpfen können, um uns ein Bild von der Gesammt-
wirkung des Thees zu entwerfen. Ganz besonders erleichtert wird
dieses Unternehmen durch die auf allen Punkten mögliche Vergleichung
mit dem Alkohol.

Die erste Thatsache, von welcher die Betrachtung der psychischen
Theewirkung am zweckmässigsten auszugehen hat, ist die schon von
Dehio gefundene Beschleunigung der Wort- und Associations-
reactionen. Diese Beschleunigung beginnt sehr bald nach dem Ge-
nusse des Thees, jedenfalls schon innerhalb der ersten Viertelstunde,
und dauert längere Zeit an, unter Umständen 1—1 ½ Stunden. Bis-
weilen schliesst sich dann noch eine mässige Verlängerung der psy-
chischen Zeiten an, von welcher kaum mit Sicherheit gesagt werden
kann, ob sie noch als Theewirkung anzusehen ist oder auf physiolo-
gischer Ermüdung beruht. Wir können aus diesen Erfahrungen mit
grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass der Thee die Auffassung
äusserer Eindrücke und die Verbindung der Vorstellungen erleichtert,
denn diese beiden Vorgänge sind es, welche wesentlich die Dauer der
bei den Versuchen gemessenen Zeiten bestimmen. Zur Gewissheit
wird diese Anschauung durch den Ausfall der einfachen und der
Wahlreactionen unter dem Einflusse des Thees. In den betreffenden
Versuchen liess sich eine irgendwie deutliche Veränderung der Zeiten
kaum nachweisen; die geringfügige, aber langdauernde Beschleunigung
kann jedenfalls nicht auf den motorischen Act bezogen werden,
welcher den Hauptinhalt jener Vorgänge ausmacht. Zudem lehrt
auch das Beispiel des Alkohols, dass die erleichterte Auslösung von
Bewegungen sich gerade bei diesen Reactionsformen in sehr deutlicher
Weise auszuprägen pflegt.

Die Associationsarten, welche von Dehio untersucht wurden,

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[217/0233] die psychischen Vorgänge auszuüben. Trotzdem die Gabe dieses Mittels, welche ich anwendete, die im täglichen Leben gebrauchten zweifellos übertraf, sind wir bei der Besprechung der einzelnen Ver- suchsergebnisse doch mehrfach im Zweifel geblieben, ob die beobachteten Veränderungen bestimmt als Theewirkungen aufzufassen seien oder nicht. Darin zeigt sich nicht nur die Schwierigkeit derartiger Untersuchungen überhaupt, sondern auch das geringere Gewicht, mit welchem der Thee auf die Gestaltung der psychischen Vorgänge einwirkt. Etwas entschiedenere Resultate erhielt Dehio, der mit der doppelten Thee- dosis arbeitete. Ungeachtet dieser relativ schwächeren Ausprägung aller Eigenthümlichkeiten des Mittels erscheinen doch einzelne Er- fahrungen aus unseren Versuchen so unzweideutig, dass wir ohne Be- denken an sie anknüpfen können, um uns ein Bild von der Gesammt- wirkung des Thees zu entwerfen. Ganz besonders erleichtert wird dieses Unternehmen durch die auf allen Punkten mögliche Vergleichung mit dem Alkohol. Die erste Thatsache, von welcher die Betrachtung der psychischen Theewirkung am zweckmässigsten auszugehen hat, ist die schon von Dehio gefundene Beschleunigung der Wort- und Associations- reactionen. Diese Beschleunigung beginnt sehr bald nach dem Ge- nusse des Thees, jedenfalls schon innerhalb der ersten Viertelstunde, und dauert längere Zeit an, unter Umständen 1—1 ½ Stunden. Bis- weilen schliesst sich dann noch eine mässige Verlängerung der psy- chischen Zeiten an, von welcher kaum mit Sicherheit gesagt werden kann, ob sie noch als Theewirkung anzusehen ist oder auf physiolo- gischer Ermüdung beruht. Wir können aus diesen Erfahrungen mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass der Thee die Auffassung äusserer Eindrücke und die Verbindung der Vorstellungen erleichtert, denn diese beiden Vorgänge sind es, welche wesentlich die Dauer der bei den Versuchen gemessenen Zeiten bestimmen. Zur Gewissheit wird diese Anschauung durch den Ausfall der einfachen und der Wahlreactionen unter dem Einflusse des Thees. In den betreffenden Versuchen liess sich eine irgendwie deutliche Veränderung der Zeiten kaum nachweisen; die geringfügige, aber langdauernde Beschleunigung kann jedenfalls nicht auf den motorischen Act bezogen werden, welcher den Hauptinhalt jener Vorgänge ausmacht. Zudem lehrt auch das Beispiel des Alkohols, dass die erleichterte Auslösung von Bewegungen sich gerade bei diesen Reactionsformen in sehr deutlicher Weise auszuprägen pflegt. Die Associationsarten, welche von Dehio untersucht wurden,

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/233>, abgerufen am 29.03.2024.