Wie man sieht, sind die Schwankungen der Zahlen ziemlich gross. Bei der einfachen Reaction beträgt das längste Mittel nahezu das 1 1/2 fache des kürzesten. Diese Unterschiede sind zum Theil auf die Verhältnisse der Uebung zurückzuführen; der Werth bei Mo. wurde an einem der ersten Versuchstage für diese Person gewonnen. Anderer- seits aber spielen hier persönliche Eigenthümlichkeiten bereits eine grosse Rolle. Die 3 ersten Versuchspersonen waren bei der Anstellung der Versuche ohne Zweifel viel weniger eingeübt, als die 4 folgenden, und lieferten trotzdem weit kürzere Zahlen. Für Mo. und R. z. B. war der Uebungsgrad etwa der gleiche, ebenso für L. und T., sowie für Tr. und K. Die Erklärung dieser Verschiedenheiten unter dem Gesichtspunkte der musculären und sensoriellen Reaction liegt sehr nahe. Wir wissen freilich, dass der Einfluss der Uebung diese letztere Reactionsform in jene erstere umzuwandeln bestrebt ist, dass der Act durch immer wachsende Bereitschaft des Bewegungsimpulses sich dabei mehr und mehr dem Reflexe nähert, aber dieser Vorgang vollzieht sich bei verschiedenen Personen gewissermassen parallel. Ihre Reihen- folge nach der Länge der Reactionszeiten ändert sich dabei keineswegs. L. hat am Schlusse unseres lange fortgesetzten Zusammenarbeitens immer noch erheblich langsamer, De. schon von Anfang an beträchtlich schneller reagirt, als ich. Bei Tr. war die Reactionsdauer nach seiner langen Einübung so constant geworden, dass ich die Stärke meines Chronoskopstroms zu controliren pflegte, sobald sich eine Abweichung von mehr als 10--20 s von der mittleren Reactionszeit herausstellte. Selbst diese einfachsten psychischen Zeiten sind demnach ganz sicher etwas individuell Charakteristisches. Aber freilich genügt für die Be- urtheilung ihres persönlichen Werthes nicht die Berücksichtigung der- artiger Mittel, wie sie hier wiedergegeben sind. Da die eigentliche Aufgabe der Untersuchung auf ganz anderem Gebiete lag, so setzen sich diese Mittel aus Beobachtungen zusammen, die unter sehr ver- schiedenartigen Bedingungen gewonnen wurden. Wollte man wirk- lich genau vergleichbare Werthe gewinnen, so müssten natürlich der Uebungsgrad, die Zwischenzeiten zwischen den einzelnen Versuchsreihen, die Dauer dieser letzteren, die Tageszeiten, die Anzahl der Beobach- tungen und alle übrigen in Betracht kommenden Umstände für alle Personen die gleichen sein, oder man müsste wenigstens das Material besitzen, welches die Grösse und Richtung des Einflusses abzuschätzen gestattet, den jene einzelnen Momente auf die Länge der Mittelzahlen ausüben.
Wegen dieser Unsicherheit will ich auch hier auf eine eingehendere
Wie man sieht, sind die Schwankungen der Zahlen ziemlich gross. Bei der einfachen Reaction beträgt das längste Mittel nahezu das 1 ½ fache des kürzesten. Diese Unterschiede sind zum Theil auf die Verhältnisse der Uebung zurückzuführen; der Werth bei Mo. wurde an einem der ersten Versuchstage für diese Person gewonnen. Anderer- seits aber spielen hier persönliche Eigenthümlichkeiten bereits eine grosse Rolle. Die 3 ersten Versuchspersonen waren bei der Anstellung der Versuche ohne Zweifel viel weniger eingeübt, als die 4 folgenden, und lieferten trotzdem weit kürzere Zahlen. Für Mo. und R. z. B. war der Uebungsgrad etwa der gleiche, ebenso für L. und T., sowie für Tr. und K. Die Erklärung dieser Verschiedenheiten unter dem Gesichtspunkte der musculären und sensoriellen Reaction liegt sehr nahe. Wir wissen freilich, dass der Einfluss der Uebung diese letztere Reactionsform in jene erstere umzuwandeln bestrebt ist, dass der Act durch immer wachsende Bereitschaft des Bewegungsimpulses sich dabei mehr und mehr dem Reflexe nähert, aber dieser Vorgang vollzieht sich bei verschiedenen Personen gewissermassen parallel. Ihre Reihen- folge nach der Länge der Reactionszeiten ändert sich dabei keineswegs. L. hat am Schlusse unseres lange fortgesetzten Zusammenarbeitens immer noch erheblich langsamer, De. schon von Anfang an beträchtlich schneller reagirt, als ich. Bei Tr. war die Reactionsdauer nach seiner langen Einübung so constant geworden, dass ich die Stärke meines Chronoskopstroms zu controliren pflegte, sobald sich eine Abweichung von mehr als 10—20 σ von der mittleren Reactionszeit herausstellte. Selbst diese einfachsten psychischen Zeiten sind demnach ganz sicher etwas individuell Charakteristisches. Aber freilich genügt für die Be- urtheilung ihres persönlichen Werthes nicht die Berücksichtigung der- artiger Mittel, wie sie hier wiedergegeben sind. Da die eigentliche Aufgabe der Untersuchung auf ganz anderem Gebiete lag, so setzen sich diese Mittel aus Beobachtungen zusammen, die unter sehr ver- schiedenartigen Bedingungen gewonnen wurden. Wollte man wirk- lich genau vergleichbare Werthe gewinnen, so müssten natürlich der Uebungsgrad, die Zwischenzeiten zwischen den einzelnen Versuchsreihen, die Dauer dieser letzteren, die Tageszeiten, die Anzahl der Beobach- tungen und alle übrigen in Betracht kommenden Umstände für alle Personen die gleichen sein, oder man müsste wenigstens das Material besitzen, welches die Grösse und Richtung des Einflusses abzuschätzen gestattet, den jene einzelnen Momente auf die Länge der Mittelzahlen ausüben.
Wegen dieser Unsicherheit will ich auch hier auf eine eingehendere
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0250"n="234"/><p>Wie man sieht, sind die Schwankungen der Zahlen ziemlich gross.<lb/>
Bei der einfachen Reaction beträgt das längste Mittel nahezu das<lb/>
1 ½ fache des kürzesten. Diese Unterschiede sind zum Theil auf die<lb/>
Verhältnisse der Uebung zurückzuführen; der Werth bei Mo. wurde<lb/>
an einem der ersten Versuchstage für diese Person gewonnen. Anderer-<lb/>
seits aber spielen hier persönliche Eigenthümlichkeiten bereits eine<lb/>
grosse Rolle. Die 3 ersten Versuchspersonen waren bei der Anstellung<lb/>
der Versuche ohne Zweifel viel weniger eingeübt, als die 4 folgenden,<lb/>
und lieferten trotzdem weit kürzere Zahlen. Für Mo. und R. z. B.<lb/>
war der Uebungsgrad etwa der gleiche, ebenso für L. und T., sowie<lb/>
für Tr. und K. Die Erklärung dieser Verschiedenheiten unter dem<lb/>
Gesichtspunkte der musculären und sensoriellen Reaction liegt sehr<lb/>
nahe. Wir wissen freilich, dass der Einfluss der Uebung diese letztere<lb/>
Reactionsform in jene erstere umzuwandeln bestrebt ist, dass der Act<lb/>
durch immer wachsende Bereitschaft des Bewegungsimpulses sich dabei<lb/>
mehr und mehr dem Reflexe nähert, aber dieser Vorgang vollzieht<lb/>
sich bei verschiedenen Personen gewissermassen parallel. Ihre Reihen-<lb/>
folge nach der Länge der Reactionszeiten ändert sich dabei keineswegs.<lb/>
L. hat am Schlusse unseres lange fortgesetzten Zusammenarbeitens<lb/>
immer noch erheblich langsamer, De. schon von Anfang an beträchtlich<lb/>
schneller reagirt, als ich. Bei Tr. war die Reactionsdauer nach seiner<lb/>
langen Einübung so constant geworden, dass ich die Stärke meines<lb/>
Chronoskopstroms zu controliren pflegte, sobald sich eine Abweichung<lb/>
von mehr als 10—20 σ von der mittleren Reactionszeit herausstellte.<lb/>
Selbst diese einfachsten psychischen Zeiten sind demnach ganz sicher<lb/>
etwas individuell Charakteristisches. Aber freilich genügt für die Be-<lb/>
urtheilung ihres persönlichen Werthes nicht die Berücksichtigung der-<lb/>
artiger Mittel, wie sie hier wiedergegeben sind. Da die eigentliche<lb/>
Aufgabe der Untersuchung auf ganz anderem Gebiete lag, so setzen<lb/>
sich diese Mittel aus Beobachtungen zusammen, die unter sehr ver-<lb/>
schiedenartigen Bedingungen gewonnen wurden. Wollte man wirk-<lb/>
lich genau vergleichbare Werthe gewinnen, so müssten natürlich der<lb/>
Uebungsgrad, die Zwischenzeiten zwischen den einzelnen Versuchsreihen,<lb/>
die Dauer dieser letzteren, die Tageszeiten, die Anzahl der Beobach-<lb/>
tungen und alle übrigen in Betracht kommenden Umstände für alle<lb/>
Personen die gleichen sein, oder man müsste wenigstens das Material<lb/>
besitzen, welches die Grösse und Richtung des Einflusses abzuschätzen<lb/>
gestattet, den jene einzelnen Momente auf die Länge der Mittelzahlen<lb/>
ausüben.</p><lb/><p>Wegen dieser Unsicherheit will ich auch hier auf eine eingehendere<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[234/0250]
Wie man sieht, sind die Schwankungen der Zahlen ziemlich gross.
Bei der einfachen Reaction beträgt das längste Mittel nahezu das
1 ½ fache des kürzesten. Diese Unterschiede sind zum Theil auf die
Verhältnisse der Uebung zurückzuführen; der Werth bei Mo. wurde
an einem der ersten Versuchstage für diese Person gewonnen. Anderer-
seits aber spielen hier persönliche Eigenthümlichkeiten bereits eine
grosse Rolle. Die 3 ersten Versuchspersonen waren bei der Anstellung
der Versuche ohne Zweifel viel weniger eingeübt, als die 4 folgenden,
und lieferten trotzdem weit kürzere Zahlen. Für Mo. und R. z. B.
war der Uebungsgrad etwa der gleiche, ebenso für L. und T., sowie
für Tr. und K. Die Erklärung dieser Verschiedenheiten unter dem
Gesichtspunkte der musculären und sensoriellen Reaction liegt sehr
nahe. Wir wissen freilich, dass der Einfluss der Uebung diese letztere
Reactionsform in jene erstere umzuwandeln bestrebt ist, dass der Act
durch immer wachsende Bereitschaft des Bewegungsimpulses sich dabei
mehr und mehr dem Reflexe nähert, aber dieser Vorgang vollzieht
sich bei verschiedenen Personen gewissermassen parallel. Ihre Reihen-
folge nach der Länge der Reactionszeiten ändert sich dabei keineswegs.
L. hat am Schlusse unseres lange fortgesetzten Zusammenarbeitens
immer noch erheblich langsamer, De. schon von Anfang an beträchtlich
schneller reagirt, als ich. Bei Tr. war die Reactionsdauer nach seiner
langen Einübung so constant geworden, dass ich die Stärke meines
Chronoskopstroms zu controliren pflegte, sobald sich eine Abweichung
von mehr als 10—20 σ von der mittleren Reactionszeit herausstellte.
Selbst diese einfachsten psychischen Zeiten sind demnach ganz sicher
etwas individuell Charakteristisches. Aber freilich genügt für die Be-
urtheilung ihres persönlichen Werthes nicht die Berücksichtigung der-
artiger Mittel, wie sie hier wiedergegeben sind. Da die eigentliche
Aufgabe der Untersuchung auf ganz anderem Gebiete lag, so setzen
sich diese Mittel aus Beobachtungen zusammen, die unter sehr ver-
schiedenartigen Bedingungen gewonnen wurden. Wollte man wirk-
lich genau vergleichbare Werthe gewinnen, so müssten natürlich der
Uebungsgrad, die Zwischenzeiten zwischen den einzelnen Versuchsreihen,
die Dauer dieser letzteren, die Tageszeiten, die Anzahl der Beobach-
tungen und alle übrigen in Betracht kommenden Umstände für alle
Personen die gleichen sein, oder man müsste wenigstens das Material
besitzen, welches die Grösse und Richtung des Einflusses abzuschätzen
gestattet, den jene einzelnen Momente auf die Länge der Mittelzahlen
ausüben.
Wegen dieser Unsicherheit will ich auch hier auf eine eingehendere
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/250>, abgerufen am 25.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.