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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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Unterscheidung beim Beginn der Reactionsbewegung bereits vollzogen
war. Ganz ähnlich liegt die Sache für die Wort- und Associations-
reactionen. Der Verdacht vorzeitiger Auslösung des motorischen
Impulses kann hier bei Anwendung des einfachen Tasters nirgends
mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Aus diesem Grunde habe ich
mich in den letzten 6 Jahren zur Reaction bei diesen Versuchen
überall des oben beschriebenen Lippenschlüssels bedient. Der Strom,
dessen Unterbrechung das Zeigerwerk des Chronoskopes zum Still-
stand brachte, ging durch den ersten Contact jenes Apparates. Er
wurde durch einen leichten Druck mit der Unterlippe geschlossen
gehalten und durch den Beginn der Sprechbewegung selbst geöffnet.
Die Bequemlichkeit und Sicherheit dieser Reactionsmethode lässt, wie
auch die Gleichförmigkeit der Versuchsresultate mir gezeigt hat, kaum
etwas zu wünschen übrig. Bei den Wahlreactionen benutzte ich überall
in gleicher Weise zwei Taster, die ich mit je einer Hand geschlossen
hielt. Auf e wurde rechts, auf o links reagirt. Vorzeitige Reactionen
sind hier durch die Versuchsanordnung selbst unmöglich gemacht.

c. Berechnung der Zahlen.

Eine viel umstrittene Angelegenheit bei der Verwerthung psycho-
metrischer Versuche ist die Berechnung der Zahlen. Um einiger-
massen die Schwankungen der Einzelbeobachtungen übersehen zu
können, ist es natürlich nothwendig, sowol für die Normalversuche,
wie für die einzelnen Stadien der Medicamentwirkung möglichst kurze
Zahlenausdrücke zu finden. Am nächsten liegt dabei die bisher auch
fast überall geübte Methode der arithmetischen Mittelziehung. Sämmt-
liche Normalzahlen ergeben dann ein einziges Mittel, während man
die späteren Versuche zu kleineren oder grösseren Gruppen zusammen-
fassen kann, deren Mittel den Gang der psychischen Leistungsfähig-
keit in mehr oder weniger summarischer Weise wiedergeben. Nach
diesem Verfahren habe ich früher alle Versuche berechnet, indem ich
nach der Einwirkung des Medicamentes immer je 3--4 Zahlen, bis-
weilen auch, um nur die allgemeinsten Umrisse der Veränderung fest-
zuhalten, grössere Gruppen von 20--25 Beobachtungen zu einem Mittel
zusammenfasste. Die Berechnung der mittleren Variationen ergiebt
dabei gleichzeitig ein ganz brauchbares Mass für die Gleichmässigkeit
der Aufmerksamkeitsspannung.

Schon seit langer Zeit indessen ist bei dieser Berechnungsmethode
eine sehr schwierige Frage den Untersuchern entgegengetreten und in

Unterscheidung beim Beginn der Reactionsbewegung bereits vollzogen
war. Ganz ähnlich liegt die Sache für die Wort- und Associations-
reactionen. Der Verdacht vorzeitiger Auslösung des motorischen
Impulses kann hier bei Anwendung des einfachen Tasters nirgends
mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Aus diesem Grunde habe ich
mich in den letzten 6 Jahren zur Reaction bei diesen Versuchen
überall des oben beschriebenen Lippenschlüssels bedient. Der Strom,
dessen Unterbrechung das Zeigerwerk des Chronoskopes zum Still-
stand brachte, ging durch den ersten Contact jenes Apparates. Er
wurde durch einen leichten Druck mit der Unterlippe geschlossen
gehalten und durch den Beginn der Sprechbewegung selbst geöffnet.
Die Bequemlichkeit und Sicherheit dieser Reactionsmethode lässt, wie
auch die Gleichförmigkeit der Versuchsresultate mir gezeigt hat, kaum
etwas zu wünschen übrig. Bei den Wahlreactionen benutzte ich überall
in gleicher Weise zwei Taster, die ich mit je einer Hand geschlossen
hielt. Auf e wurde rechts, auf o links reagirt. Vorzeitige Reactionen
sind hier durch die Versuchsanordnung selbst unmöglich gemacht.

c. Berechnung der Zahlen.

Eine viel umstrittene Angelegenheit bei der Verwerthung psycho-
metrischer Versuche ist die Berechnung der Zahlen. Um einiger-
massen die Schwankungen der Einzelbeobachtungen übersehen zu
können, ist es natürlich nothwendig, sowol für die Normalversuche,
wie für die einzelnen Stadien der Medicamentwirkung möglichst kurze
Zahlenausdrücke zu finden. Am nächsten liegt dabei die bisher auch
fast überall geübte Methode der arithmetischen Mittelziehung. Sämmt-
liche Normalzahlen ergeben dann ein einziges Mittel, während man
die späteren Versuche zu kleineren oder grösseren Gruppen zusammen-
fassen kann, deren Mittel den Gang der psychischen Leistungsfähig-
keit in mehr oder weniger summarischer Weise wiedergeben. Nach
diesem Verfahren habe ich früher alle Versuche berechnet, indem ich
nach der Einwirkung des Medicamentes immer je 3—4 Zahlen, bis-
weilen auch, um nur die allgemeinsten Umrisse der Veränderung fest-
zuhalten, grössere Gruppen von 20—25 Beobachtungen zu einem Mittel
zusammenfasste. Die Berechnung der mittleren Variationen ergiebt
dabei gleichzeitig ein ganz brauchbares Mass für die Gleichmässigkeit
der Aufmerksamkeitsspannung.

Schon seit langer Zeit indessen ist bei dieser Berechnungsmethode
eine sehr schwierige Frage den Untersuchern entgegengetreten und in

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[22/0038] Unterscheidung beim Beginn der Reactionsbewegung bereits vollzogen war. Ganz ähnlich liegt die Sache für die Wort- und Associations- reactionen. Der Verdacht vorzeitiger Auslösung des motorischen Impulses kann hier bei Anwendung des einfachen Tasters nirgends mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Aus diesem Grunde habe ich mich in den letzten 6 Jahren zur Reaction bei diesen Versuchen überall des oben beschriebenen Lippenschlüssels bedient. Der Strom, dessen Unterbrechung das Zeigerwerk des Chronoskopes zum Still- stand brachte, ging durch den ersten Contact jenes Apparates. Er wurde durch einen leichten Druck mit der Unterlippe geschlossen gehalten und durch den Beginn der Sprechbewegung selbst geöffnet. Die Bequemlichkeit und Sicherheit dieser Reactionsmethode lässt, wie auch die Gleichförmigkeit der Versuchsresultate mir gezeigt hat, kaum etwas zu wünschen übrig. Bei den Wahlreactionen benutzte ich überall in gleicher Weise zwei Taster, die ich mit je einer Hand geschlossen hielt. Auf e wurde rechts, auf o links reagirt. Vorzeitige Reactionen sind hier durch die Versuchsanordnung selbst unmöglich gemacht. c. Berechnung der Zahlen. Eine viel umstrittene Angelegenheit bei der Verwerthung psycho- metrischer Versuche ist die Berechnung der Zahlen. Um einiger- massen die Schwankungen der Einzelbeobachtungen übersehen zu können, ist es natürlich nothwendig, sowol für die Normalversuche, wie für die einzelnen Stadien der Medicamentwirkung möglichst kurze Zahlenausdrücke zu finden. Am nächsten liegt dabei die bisher auch fast überall geübte Methode der arithmetischen Mittelziehung. Sämmt- liche Normalzahlen ergeben dann ein einziges Mittel, während man die späteren Versuche zu kleineren oder grösseren Gruppen zusammen- fassen kann, deren Mittel den Gang der psychischen Leistungsfähig- keit in mehr oder weniger summarischer Weise wiedergeben. Nach diesem Verfahren habe ich früher alle Versuche berechnet, indem ich nach der Einwirkung des Medicamentes immer je 3—4 Zahlen, bis- weilen auch, um nur die allgemeinsten Umrisse der Veränderung fest- zuhalten, grössere Gruppen von 20—25 Beobachtungen zu einem Mittel zusammenfasste. Die Berechnung der mittleren Variationen ergiebt dabei gleichzeitig ein ganz brauchbares Mass für die Gleichmässigkeit der Aufmerksamkeitsspannung. Schon seit langer Zeit indessen ist bei dieser Berechnungsmethode eine sehr schwierige Frage den Untersuchern entgegengetreten und in

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/38>, abgerufen am 29.03.2024.