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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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mitzutheilen. Sie schwanken natürlich je nach den besonderen Ver-
suchsumständen innerhalb gewisser Grenzen, doch hat sich im Allge-
meinen ergeben, dass z. B. bei K. der Umfang von a für die ein-
fache Reaction den Betrag von 20 s, für die Unterscheidungsreaction
30--40 s und für die Wahlreaction 50--80s nicht oder doch nicht er-
heblich übersteigt. Für die übrigen Versuchspersonen finden sich
ganz ähnliche Verhältnisse; nur bei L. ist der Spielraum ein etwas
weiterer. Die Grösse der medicamentösen Veränderungen der Reac-
tionszeiten bewegt sich daher nicht selten noch im Bereiche von a.
Darum ist ein einzelner Versuch natürlich auch für die Wirkung des
Mittels nicht beweisend. Wol aber wird die Abhängigkeit auch
kleinerer Schwankungen in den Beobachtungswerthen von dem Ein-
flusse des Medicamentes wahrscheinlich, wenn jene Schwankungen sich
bei mehreren oder vielen Versuchen in gleicher Richtung und zu den-
selben Zeitpunkten wiederfinden, vorausgesetzt, dass die Wirksamkeit
anderweitiger Ursachen mit genügender Zuverlässigkeit ausgeschlossen
wurde.

Als ein weiteres wichtiges Ergebniss lässt sich aus den ange-
führten Tabellen die Erfahrung ableiten, dass die allgemeine Ver-
theilung der Beobachtungen an den verschiedenen Versuchstagen keine
erheblichen und constanten Verschiedenheiten erkennen lässt. Daraus
geht hervor, dass die Gültigkeit des Fehlergesetzes hier durch kleinere
Aenderungen in dem Zustande der Versuchsperson nicht wesentlich
gestört wird. Da im Allgemeinen alle Versuche unter Beachtung
derselben Vorsichtsmassregeln durchgeführt worden sind, so dürfen
wir wol weiterhin schliessen, dass der für diese Gruppe von Experi-
menten erbrachte Nachweis ohne schwererwiegende Bedenken auch auf
die übrigen gleichartigen Versuche übertragen werden kann. Stellen
sich hier an 7 verschiedenen Tagen nur unregelmässige und zufällige
Schwankungen in der Vertheilung der Werthe heraus, so darf die
wesentliche Uebereinstimmung der sonstigen, unter ganz gleichen Be-
dingungen gewonnenen Beobachtungsreihen hinsichtlich dieses Punktes
als wahrscheinlich gelten. Diese Annahme gewinnt noch an Berech-
tigung durch den Umstand, dass auch die durch Medicamente beein-
flussten Versuchsreihen derselben Gruppe in der Hauptsache voll-
kommen die gleichen Eigenschaften darbieten, wie die mitgetheilten
Beobachtungsgruppen. Durchaus anders liegt die Sache natürlich mit
dem Werthe a, dessen Grösse durch die Versuchsumstände, den Grad
der Uebung, die Ermüdung u. s. f. in entscheidender Weise verändert
wird, ganz ähnlich, wie das wahrscheinliche Mittel selbst. Gleichheit

mitzutheilen. Sie schwanken natürlich je nach den besonderen Ver-
suchsumständen innerhalb gewisser Grenzen, doch hat sich im Allge-
meinen ergeben, dass z. B. bei K. der Umfang von a für die ein-
fache Reaction den Betrag von 20 σ, für die Unterscheidungsreaction
30—40 σ und für die Wahlreaction 50—80σ nicht oder doch nicht er-
heblich übersteigt. Für die übrigen Versuchspersonen finden sich
ganz ähnliche Verhältnisse; nur bei L. ist der Spielraum ein etwas
weiterer. Die Grösse der medicamentösen Veränderungen der Reac-
tionszeiten bewegt sich daher nicht selten noch im Bereiche von a.
Darum ist ein einzelner Versuch natürlich auch für die Wirkung des
Mittels nicht beweisend. Wol aber wird die Abhängigkeit auch
kleinerer Schwankungen in den Beobachtungswerthen von dem Ein-
flusse des Medicamentes wahrscheinlich, wenn jene Schwankungen sich
bei mehreren oder vielen Versuchen in gleicher Richtung und zu den-
selben Zeitpunkten wiederfinden, vorausgesetzt, dass die Wirksamkeit
anderweitiger Ursachen mit genügender Zuverlässigkeit ausgeschlossen
wurde.

Als ein weiteres wichtiges Ergebniss lässt sich aus den ange-
führten Tabellen die Erfahrung ableiten, dass die allgemeine Ver-
theilung der Beobachtungen an den verschiedenen Versuchstagen keine
erheblichen und constanten Verschiedenheiten erkennen lässt. Daraus
geht hervor, dass die Gültigkeit des Fehlergesetzes hier durch kleinere
Aenderungen in dem Zustande der Versuchsperson nicht wesentlich
gestört wird. Da im Allgemeinen alle Versuche unter Beachtung
derselben Vorsichtsmassregeln durchgeführt worden sind, so dürfen
wir wol weiterhin schliessen, dass der für diese Gruppe von Experi-
menten erbrachte Nachweis ohne schwererwiegende Bedenken auch auf
die übrigen gleichartigen Versuche übertragen werden kann. Stellen
sich hier an 7 verschiedenen Tagen nur unregelmässige und zufällige
Schwankungen in der Vertheilung der Werthe heraus, so darf die
wesentliche Uebereinstimmung der sonstigen, unter ganz gleichen Be-
dingungen gewonnenen Beobachtungsreihen hinsichtlich dieses Punktes
als wahrscheinlich gelten. Diese Annahme gewinnt noch an Berech-
tigung durch den Umstand, dass auch die durch Medicamente beein-
flussten Versuchsreihen derselben Gruppe in der Hauptsache voll-
kommen die gleichen Eigenschaften darbieten, wie die mitgetheilten
Beobachtungsgruppen. Durchaus anders liegt die Sache natürlich mit
dem Werthe a, dessen Grösse durch die Versuchsumstände, den Grad
der Uebung, die Ermüdung u. s. f. in entscheidender Weise verändert
wird, ganz ähnlich, wie das wahrscheinliche Mittel selbst. Gleichheit

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[30/0046] mitzutheilen. Sie schwanken natürlich je nach den besonderen Ver- suchsumständen innerhalb gewisser Grenzen, doch hat sich im Allge- meinen ergeben, dass z. B. bei K. der Umfang von a für die ein- fache Reaction den Betrag von 20 σ, für die Unterscheidungsreaction 30—40 σ und für die Wahlreaction 50—80σ nicht oder doch nicht er- heblich übersteigt. Für die übrigen Versuchspersonen finden sich ganz ähnliche Verhältnisse; nur bei L. ist der Spielraum ein etwas weiterer. Die Grösse der medicamentösen Veränderungen der Reac- tionszeiten bewegt sich daher nicht selten noch im Bereiche von a. Darum ist ein einzelner Versuch natürlich auch für die Wirkung des Mittels nicht beweisend. Wol aber wird die Abhängigkeit auch kleinerer Schwankungen in den Beobachtungswerthen von dem Ein- flusse des Medicamentes wahrscheinlich, wenn jene Schwankungen sich bei mehreren oder vielen Versuchen in gleicher Richtung und zu den- selben Zeitpunkten wiederfinden, vorausgesetzt, dass die Wirksamkeit anderweitiger Ursachen mit genügender Zuverlässigkeit ausgeschlossen wurde. Als ein weiteres wichtiges Ergebniss lässt sich aus den ange- führten Tabellen die Erfahrung ableiten, dass die allgemeine Ver- theilung der Beobachtungen an den verschiedenen Versuchstagen keine erheblichen und constanten Verschiedenheiten erkennen lässt. Daraus geht hervor, dass die Gültigkeit des Fehlergesetzes hier durch kleinere Aenderungen in dem Zustande der Versuchsperson nicht wesentlich gestört wird. Da im Allgemeinen alle Versuche unter Beachtung derselben Vorsichtsmassregeln durchgeführt worden sind, so dürfen wir wol weiterhin schliessen, dass der für diese Gruppe von Experi- menten erbrachte Nachweis ohne schwererwiegende Bedenken auch auf die übrigen gleichartigen Versuche übertragen werden kann. Stellen sich hier an 7 verschiedenen Tagen nur unregelmässige und zufällige Schwankungen in der Vertheilung der Werthe heraus, so darf die wesentliche Uebereinstimmung der sonstigen, unter ganz gleichen Be- dingungen gewonnenen Beobachtungsreihen hinsichtlich dieses Punktes als wahrscheinlich gelten. Diese Annahme gewinnt noch an Berech- tigung durch den Umstand, dass auch die durch Medicamente beein- flussten Versuchsreihen derselben Gruppe in der Hauptsache voll- kommen die gleichen Eigenschaften darbieten, wie die mitgetheilten Beobachtungsgruppen. Durchaus anders liegt die Sache natürlich mit dem Werthe a, dessen Grösse durch die Versuchsumstände, den Grad der Uebung, die Ermüdung u. s. f. in entscheidender Weise verändert wird, ganz ähnlich, wie das wahrscheinliche Mittel selbst. Gleichheit

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/46>, abgerufen am 29.03.2024.