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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Allgemeine Ackerbaulehre.
I.
Das Pflanzenleben.

Das Verständniß der Lebensvorgänge in der Pflanze wird wesentlich erleichtert,
wenn die Entwickelungsvorgänge in den elementaren Formbestandtheilen der Pflanze
getrennt betrachtet werden von jenen, welche sich in der Gesammtheit des Pflanzen-
organismus ergeben 1). Die Betrachtung nach der ersten Richtung gewährt Aufklärung
über die Vertheilung des Stoffes und der mit demselben verbundenen Kraft, nach
der anderen Richtung Aufklärung über die Bildung des Stoffes und die Verwendung
der Kraft durch die Lebensthätigkeit der Pflanze.

1. Die Vertheilung des Stoffes im Pflanzenkörper.

Den elementaren Formbestandtheil des Pflanzenorganismus bildet die Zelle.
Dieselbe besteht anfänglich als sog. hautlose oder primordiale Zelle aus einem
Klümpchen einer zähflüssigen, unelastischen, quellbaren Substanz, dem Protoplasma.
Das Protoplasma läßt eine wasserhaltige, hyaline, überwiegend aus stickstoffhaltigen
Eiweißstoffen zusammengesetzte Grundsubstanz erkennen, in welcher Kohlehydrate und,
meist als feine Körnchen, Stärkemehl und Fett vertheilt sind. Dasselbe zeigt die
gleichen chemischen Reactionen wie die Eiweißstoffe Casein, Fibrin und Albumin,
indem es wie diese bei der Behandlung mit Jod gelb bis braun, und bei Behandlung
mit Zuckerlösung und darauf folgendem Zusatze von concentrirter englischer Schwefel-
säure rosenroth gefärbt wird.

Die Primordialzellen kommen bei den Samenpflanzen (Phanerogamen), welche
der Landwirth vorzugsweise zu berücksichtigen hat, nur vorübergehend bei der sog.
freien Zellbildung in dem Embryosacke des weiblichen Blüthentheiles vor.

Bei dem weiteren Vorschreiten der freien Zellbildung entsteht zunächst in dem
[Abbildung] Fig. 1.

Zellen aus dem Vege-
tationskegel e. Kartoffelstengels.
1. Zellkern (nucleus), 2. dessen Ein-
schlüsse Kernkörperchen (nucleoli).

Protoplasmaklümpchen eine Verdichtung zu einem rundlichen
Körper, der Zellkern, Fig. 1, und durch Ausscheidung aus
dem jederzeit körnchenfreien Rande (Hautschicht) des Proto-
plasmas und durch Umwandlung der in diesem enthaltenen
Stärke ein elastisches, stickstofffreies, aus Cellulose bestehendes
dünnes Häutchen, die Zellhaut (Zellmembrane). Die Zell-
haut ist für Wasser durchdringbar, in Alkohol, verdünnten
Säuren und Alkalien unlöslich, dagegen in Kupferoxyd-
Ammoniak (Cuoxam) löslich. Durch Schwefelsäure wird

1) Nachdem es die Grenzen eines Lehrbuches der Landwirthschaft überschreiten würde,
wenn wir über die morphologischen und physiologischen Verhältnisse der Pflanzen mehr als
einen allgemeinen Abriß geben wollten, so empfehlen wir zu eingehenderen Studien: Dr.
J. Sachs, Lehrbuch der Botanik, 2. Auflage, Leipzig 1871, u. W. Hofmeister, Handbuch der
physiologischen Botanik, 4. Bd.: J. Sachs, Handbuch der Experimental-Physiologie der
Pflanzen, Leipzig 1865.
Allgemeine Ackerbaulehre.
I.
Das Pflanzenleben.

Das Verſtändniß der Lebensvorgänge in der Pflanze wird weſentlich erleichtert,
wenn die Entwickelungsvorgänge in den elementaren Formbeſtandtheilen der Pflanze
getrennt betrachtet werden von jenen, welche ſich in der Geſammtheit des Pflanzen-
organismus ergeben 1). Die Betrachtung nach der erſten Richtung gewährt Aufklärung
über die Vertheilung des Stoffes und der mit demſelben verbundenen Kraft, nach
der anderen Richtung Aufklärung über die Bildung des Stoffes und die Verwendung
der Kraft durch die Lebensthätigkeit der Pflanze.

1. Die Vertheilung des Stoffes im Pflanzenkörper.

Den elementaren Formbeſtandtheil des Pflanzenorganismus bildet die Zelle.
Dieſelbe beſteht anfänglich als ſog. hautloſe oder primordiale Zelle aus einem
Klümpchen einer zähflüſſigen, unelaſtiſchen, quellbaren Subſtanz, dem Protoplasma.
Das Protoplasma läßt eine waſſerhaltige, hyaline, überwiegend aus ſtickſtoffhaltigen
Eiweißſtoffen zuſammengeſetzte Grundſubſtanz erkennen, in welcher Kohlehydrate und,
meiſt als feine Körnchen, Stärkemehl und Fett vertheilt ſind. Daſſelbe zeigt die
gleichen chemiſchen Reactionen wie die Eiweißſtoffe Caſeïn, Fibrin und Albumin,
indem es wie dieſe bei der Behandlung mit Jod gelb bis braun, und bei Behandlung
mit Zuckerlöſung und darauf folgendem Zuſatze von concentrirter engliſcher Schwefel-
ſäure roſenroth gefärbt wird.

Die Primordialzellen kommen bei den Samenpflanzen (Phanerogamen), welche
der Landwirth vorzugsweiſe zu berückſichtigen hat, nur vorübergehend bei der ſog.
freien Zellbildung in dem Embryoſacke des weiblichen Blüthentheiles vor.

Bei dem weiteren Vorſchreiten der freien Zellbildung entſteht zunächſt in dem
[Abbildung] Fig. 1.

Zellen aus dem Vege-
tationskegel e. Kartoffelſtengels.
1. Zellkern (nucleus), 2. deſſen Ein-
ſchlüſſe Kernkörperchen (nucleoli).

Protoplasmaklümpchen eine Verdichtung zu einem rundlichen
Körper, der Zellkern, Fig. 1, und durch Ausſcheidung aus
dem jederzeit körnchenfreien Rande (Hautſchicht) des Proto-
plasmas und durch Umwandlung der in dieſem enthaltenen
Stärke ein elaſtiſches, ſtickſtofffreies, aus Celluloſe beſtehendes
dünnes Häutchen, die Zellhaut (Zellmembrane). Die Zell-
haut iſt für Waſſer durchdringbar, in Alkohol, verdünnten
Säuren und Alkalien unlöslich, dagegen in Kupferoxyd-
Ammoniak (Cuoxam) löslich. Durch Schwefelſäure wird

1) Nachdem es die Grenzen eines Lehrbuches der Landwirthſchaft überſchreiten würde,
wenn wir über die morphologiſchen und phyſiologiſchen Verhältniſſe der Pflanzen mehr als
einen allgemeinen Abriß geben wollten, ſo empfehlen wir zu eingehenderen Studien: Dr.
J. Sachs, Lehrbuch der Botanik, 2. Auflage, Leipzig 1871, u. W. Hofmeiſter, Handbuch der
phyſiologiſchen Botanik, 4. Bd.: J. Sachs, Handbuch der Experimental-Phyſiologie der
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[6/0024] Allgemeine Ackerbaulehre. I. Das Pflanzenleben. Das Verſtändniß der Lebensvorgänge in der Pflanze wird weſentlich erleichtert, wenn die Entwickelungsvorgänge in den elementaren Formbeſtandtheilen der Pflanze getrennt betrachtet werden von jenen, welche ſich in der Geſammtheit des Pflanzen- organismus ergeben 1). Die Betrachtung nach der erſten Richtung gewährt Aufklärung über die Vertheilung des Stoffes und der mit demſelben verbundenen Kraft, nach der anderen Richtung Aufklärung über die Bildung des Stoffes und die Verwendung der Kraft durch die Lebensthätigkeit der Pflanze. 1. Die Vertheilung des Stoffes im Pflanzenkörper. Den elementaren Formbeſtandtheil des Pflanzenorganismus bildet die Zelle. Dieſelbe beſteht anfänglich als ſog. hautloſe oder primordiale Zelle aus einem Klümpchen einer zähflüſſigen, unelaſtiſchen, quellbaren Subſtanz, dem Protoplasma. Das Protoplasma läßt eine waſſerhaltige, hyaline, überwiegend aus ſtickſtoffhaltigen Eiweißſtoffen zuſammengeſetzte Grundſubſtanz erkennen, in welcher Kohlehydrate und, meiſt als feine Körnchen, Stärkemehl und Fett vertheilt ſind. Daſſelbe zeigt die gleichen chemiſchen Reactionen wie die Eiweißſtoffe Caſeïn, Fibrin und Albumin, indem es wie dieſe bei der Behandlung mit Jod gelb bis braun, und bei Behandlung mit Zuckerlöſung und darauf folgendem Zuſatze von concentrirter engliſcher Schwefel- ſäure roſenroth gefärbt wird. Die Primordialzellen kommen bei den Samenpflanzen (Phanerogamen), welche der Landwirth vorzugsweiſe zu berückſichtigen hat, nur vorübergehend bei der ſog. freien Zellbildung in dem Embryoſacke des weiblichen Blüthentheiles vor. Bei dem weiteren Vorſchreiten der freien Zellbildung entſteht zunächſt in dem [Abbildung Fig. 1. Zellen aus dem Vege- tationskegel e. Kartoffelſtengels. 1. Zellkern (nucleus), 2. deſſen Ein- ſchlüſſe Kernkörperchen (nucleoli).] Protoplasmaklümpchen eine Verdichtung zu einem rundlichen Körper, der Zellkern, Fig. 1, und durch Ausſcheidung aus dem jederzeit körnchenfreien Rande (Hautſchicht) des Proto- plasmas und durch Umwandlung der in dieſem enthaltenen Stärke ein elaſtiſches, ſtickſtofffreies, aus Celluloſe beſtehendes dünnes Häutchen, die Zellhaut (Zellmembrane). Die Zell- haut iſt für Waſſer durchdringbar, in Alkohol, verdünnten Säuren und Alkalien unlöslich, dagegen in Kupferoxyd- Ammoniak (Cuoxam) löslich. Durch Schwefelſäure wird 1) Nachdem es die Grenzen eines Lehrbuches der Landwirthſchaft überſchreiten würde, wenn wir über die morphologiſchen und phyſiologiſchen Verhältniſſe der Pflanzen mehr als einen allgemeinen Abriß geben wollten, ſo empfehlen wir zu eingehenderen Studien: Dr. J. Sachs, Lehrbuch der Botanik, 2. Auflage, Leipzig 1871, u. W. Hofmeiſter, Handbuch der phyſiologiſchen Botanik, 4. Bd.: J. Sachs, Handbuch der Experimental-Phyſiologie der Pflanzen, Leipzig 1865.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/24>, abgerufen am 25.04.2024.