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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die natürliche Lage.
mit der Annäherung an den Pol die Vegetationszeit der Pflanzen verkürzt, unge-
achtet die Temperatur sich erniedrigt.

4. Die Wärme.

Neben dem Boden, welcher der Pflanze die nöthigen mineralischen Nährstoffe
und den geeigneten Standort liefert, und dem Wasser, welches jene zur Lösung bringt,
ist auch noch die Kraft, mit welcher die Aufnahme und Bewegung der Nährstoffe
vor sich geht, zu beachten. Diese Kraft wird durch das Licht und durch den Ver-
brauch einer entsprechenden Wärmemenge geliefert.

Die aufgenommene Wärme wird entweder bei der Aufnahme der Aschenbestand-
theile und der atmosphärischen Nahrungsstoffe oder bei der Verdunstung des Wassers
aus den Blättern oder bei der Ausstrahlung, welche Ursache der Bethauung und
Bereifung der Pflanzen ist, verbraucht. Gegenüber diesem Verbrauche tritt die Wärme-
bildung bei der Athmung der Pflanze sehr zurück.

Die Wärmequelle für die Pflanze bildet die gestrahlte Sonnenwärme (Insolation),
welche abgemindert durch die Wärmeausstrahlung, die Temperatur des Bodens und
der Luft bedingt.

Die Bodenwärme erfährt an der Bodenoberfläche die größten Schwankungen.
In einer gewissen Tiefe in unseren Breiten bei 2.5 Meter verschwinden dagegen schon
die monatlichen Temperatursänderungen. Tiefwurzelnde Pflanzen leiden daher im
Allgemeinen weniger von den Temperatursextremen, als wie flachwurzelnde. Auf
die Schwankungen der Bodenwärme hat auch die Wärmecapacität des Bodens wesent-
lichen Einfluß. Auf einem Boden mit geringerer Wärmecapacität würden deshalb
frostempfindlichere Pflanzen am meisten leiden, während bei hoher Wärmecapacität
auch zarte Pflanzen fortkommen.

Der Beginn und die Sistirung des Pflanzenlebens scheint wesentlich von dem
Unterschiede der Boden- und Lufttemperatur abzuhängen. Sobald im Frühjahre die
Luftwärme höher ist als die des Bodens, beginnt die Entwickelung der Vegetation,
und sobald die Bodenwärme im Herbste über die der Luft gestiegen, endigt dieselbe.

Die Wachsthumsprocesse gehen daher erst dann vor sich, wenn den Pflanzen
eine bestimmte Wärmemenge, welche sich jedoch nicht bis zu einem schädlichen Ueber-
maße steigern darf, zugänglich wird. Die größte Lebhaftigkeit derselben ist stets an
eine bestimmte Höhe der Temperatur gebunden.

Die Samen keimen nur innerhalb gewisser Temperatursgrenzen. Fehlt aus-
reichende Wärme so nehmen sie zwar Wasser auf, verfaulen aber.

Nach J. Sachs 1) beanspruchen die Pflanzen folgende Keimungstemperaturen:

[Spaltenumbruch]
[Tabelle]
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[Tabelle]
1) W. Hofmeister, Physiologische Botanik 4. Bd. S. 54.

Die natürliche Lage.
mit der Annäherung an den Pol die Vegetationszeit der Pflanzen verkürzt, unge-
achtet die Temperatur ſich erniedrigt.

4. Die Wärme.

Neben dem Boden, welcher der Pflanze die nöthigen mineraliſchen Nährſtoffe
und den geeigneten Standort liefert, und dem Waſſer, welches jene zur Löſung bringt,
iſt auch noch die Kraft, mit welcher die Aufnahme und Bewegung der Nährſtoffe
vor ſich geht, zu beachten. Dieſe Kraft wird durch das Licht und durch den Ver-
brauch einer entſprechenden Wärmemenge geliefert.

Die aufgenommene Wärme wird entweder bei der Aufnahme der Aſchenbeſtand-
theile und der atmoſphäriſchen Nahrungsſtoffe oder bei der Verdunſtung des Waſſers
aus den Blättern oder bei der Ausſtrahlung, welche Urſache der Bethauung und
Bereifung der Pflanzen iſt, verbraucht. Gegenüber dieſem Verbrauche tritt die Wärme-
bildung bei der Athmung der Pflanze ſehr zurück.

Die Wärmequelle für die Pflanze bildet die geſtrahlte Sonnenwärme (Inſolation),
welche abgemindert durch die Wärmeausſtrahlung, die Temperatur des Bodens und
der Luft bedingt.

Die Bodenwärme erfährt an der Bodenoberfläche die größten Schwankungen.
In einer gewiſſen Tiefe in unſeren Breiten bei 2.5 Meter verſchwinden dagegen ſchon
die monatlichen Temperatursänderungen. Tiefwurzelnde Pflanzen leiden daher im
Allgemeinen weniger von den Temperatursextremen, als wie flachwurzelnde. Auf
die Schwankungen der Bodenwärme hat auch die Wärmecapacität des Bodens weſent-
lichen Einfluß. Auf einem Boden mit geringerer Wärmecapacität würden deshalb
froſtempfindlichere Pflanzen am meiſten leiden, während bei hoher Wärmecapacität
auch zarte Pflanzen fortkommen.

Der Beginn und die Siſtirung des Pflanzenlebens ſcheint weſentlich von dem
Unterſchiede der Boden- und Lufttemperatur abzuhängen. Sobald im Frühjahre die
Luftwärme höher iſt als die des Bodens, beginnt die Entwickelung der Vegetation,
und ſobald die Bodenwärme im Herbſte über die der Luft geſtiegen, endigt dieſelbe.

Die Wachsthumsproceſſe gehen daher erſt dann vor ſich, wenn den Pflanzen
eine beſtimmte Wärmemenge, welche ſich jedoch nicht bis zu einem ſchädlichen Ueber-
maße ſteigern darf, zugänglich wird. Die größte Lebhaftigkeit derſelben iſt ſtets an
eine beſtimmte Höhe der Temperatur gebunden.

Die Samen keimen nur innerhalb gewiſſer Temperatursgrenzen. Fehlt aus-
reichende Wärme ſo nehmen ſie zwar Waſſer auf, verfaulen aber.

Nach J. Sachs 1) beanſpruchen die Pflanzen folgende Keimungstemperaturen:

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[Tabelle]
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1) W. Hofmeiſter, Phyſiologiſche Botanik 4. Bd. S. 54.
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[63/0081] Die natürliche Lage. mit der Annäherung an den Pol die Vegetationszeit der Pflanzen verkürzt, unge- achtet die Temperatur ſich erniedrigt. 4. Die Wärme. Neben dem Boden, welcher der Pflanze die nöthigen mineraliſchen Nährſtoffe und den geeigneten Standort liefert, und dem Waſſer, welches jene zur Löſung bringt, iſt auch noch die Kraft, mit welcher die Aufnahme und Bewegung der Nährſtoffe vor ſich geht, zu beachten. Dieſe Kraft wird durch das Licht und durch den Ver- brauch einer entſprechenden Wärmemenge geliefert. Die aufgenommene Wärme wird entweder bei der Aufnahme der Aſchenbeſtand- theile und der atmoſphäriſchen Nahrungsſtoffe oder bei der Verdunſtung des Waſſers aus den Blättern oder bei der Ausſtrahlung, welche Urſache der Bethauung und Bereifung der Pflanzen iſt, verbraucht. Gegenüber dieſem Verbrauche tritt die Wärme- bildung bei der Athmung der Pflanze ſehr zurück. Die Wärmequelle für die Pflanze bildet die geſtrahlte Sonnenwärme (Inſolation), welche abgemindert durch die Wärmeausſtrahlung, die Temperatur des Bodens und der Luft bedingt. Die Bodenwärme erfährt an der Bodenoberfläche die größten Schwankungen. In einer gewiſſen Tiefe in unſeren Breiten bei 2.5 Meter verſchwinden dagegen ſchon die monatlichen Temperatursänderungen. Tiefwurzelnde Pflanzen leiden daher im Allgemeinen weniger von den Temperatursextremen, als wie flachwurzelnde. Auf die Schwankungen der Bodenwärme hat auch die Wärmecapacität des Bodens weſent- lichen Einfluß. Auf einem Boden mit geringerer Wärmecapacität würden deshalb froſtempfindlichere Pflanzen am meiſten leiden, während bei hoher Wärmecapacität auch zarte Pflanzen fortkommen. Der Beginn und die Siſtirung des Pflanzenlebens ſcheint weſentlich von dem Unterſchiede der Boden- und Lufttemperatur abzuhängen. Sobald im Frühjahre die Luftwärme höher iſt als die des Bodens, beginnt die Entwickelung der Vegetation, und ſobald die Bodenwärme im Herbſte über die der Luft geſtiegen, endigt dieſelbe. Die Wachsthumsproceſſe gehen daher erſt dann vor ſich, wenn den Pflanzen eine beſtimmte Wärmemenge, welche ſich jedoch nicht bis zu einem ſchädlichen Ueber- maße ſteigern darf, zugänglich wird. Die größte Lebhaftigkeit derſelben iſt ſtets an eine beſtimmte Höhe der Temperatur gebunden. Die Samen keimen nur innerhalb gewiſſer Temperatursgrenzen. Fehlt aus- reichende Wärme ſo nehmen ſie zwar Waſſer auf, verfaulen aber. Nach J. Sachs 1) beanſpruchen die Pflanzen folgende Keimungstemperaturen: 1) W. Hofmeiſter, Phyſiologiſche Botanik 4. Bd. S. 54.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/81>, abgerufen am 24.04.2024.