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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die natürliche Lage.

Das Wasser, welches durch die atmosphärischen Niederschläge und den Than in
den Boden gelangt wird entweder capillar festgehalten oder es erfüllt alle Boden-
zwischenräume als stauendes Wasser. In letzterm Falle wird das Wasser durch die
Verhinderung der Durchlüftung des Bodens und durch die Verdunstungskälte nach-
theilig für das Wachsthum der meisten Pflanzen. Liegt der Wasserspiegel des stauenden
oder fließenden Grundwassers tiefer, so übt dasselbe dagegen in einem trockenen
Klima durch die capillare Hebung des Wassers bei tiefgründigem Boden einen sehr
günstigen Einfluß auf die Vegetation aus.

Ueber die Bewegung des Wassers im Boden und der damit verbundenen Aenderung
der Bodenfeuchtigkeit in den verschiedenen Monaten des Jahres geben die Beobachtungen
von E. Risler in Caleves bei Nyon 1) interessanten Aufschluß. Dieselben beziehen sich auf
ein sehr günstig gelegenes Grundstück von 12,300 #Meter. Direkt beobachtet wurde die
Niederschlagsmenge, welche auf das genannte Grundstück fiel, die Abgabe an Wasser durch
Versickern in den Untergrund (gesammelt als Ausfluß aus den Drainröhren) und die
Aenderung der Bodenfeuchtigkeit, um die Abgabe durch die Verdunstung berechnen zu können.
Die Resultate für das Jahr 1869 sind nachstehend zusammengestellt:

[Tabelle]

Wie viel Wasser zur Unterhaltung einer kräftigen Vegetation im Boden ent-
halten sein muß wird sich nach der Beschaffenheit des Bodens, dem Wasserbedürfnisse
der Pflanzenart und dem Wasserbedürfnisse in den verschiedenen Entwickelungsstadien
der Pflanze richten. Im Allgemeinen benöthiget die keimende Pflanze am meisten
Wasser, die wachsende weniger, je geringer ihre Blattoberfläche, und am wenigsten
die reifende Pflanze. Manche Pflanzenart z. B. die Brunnenkresse (Nasturtium am-
phibium
) wächst im Wasser, während andere nur auf trockenem Sand- und Geröllboden
fortkommen. Bei unsern Cerealien erfordert nach der reservirten Angabe von Dr. Hell-
riegel 2) die Produktion von 1 Kilogr. lufttrockener Gerstenkörner (die Bodenverdunstung
eingeschlossen) bis zur vollen Ernte 350 Kilogr. Wasser oder 131.7 Mm. Regenhöhe.

1) Aus einer Abhandlung von H. Marie Davy, Annuaire meteorologique pour 1873,
pag.
249--307, mitgetheilt in der Zeitschrift der österr. Gesellschaft für Meteorologie.
Wien 1874, S. 146.
2) Landwirthschaftliches Centralblatt. 1871. 2., S. 194.
Die natürliche Lage.

Das Waſſer, welches durch die atmoſphäriſchen Niederſchläge und den Than in
den Boden gelangt wird entweder capillar feſtgehalten oder es erfüllt alle Boden-
zwiſchenräume als ſtauendes Waſſer. In letzterm Falle wird das Waſſer durch die
Verhinderung der Durchlüftung des Bodens und durch die Verdunſtungskälte nach-
theilig für das Wachsthum der meiſten Pflanzen. Liegt der Waſſerſpiegel des ſtauenden
oder fließenden Grundwaſſers tiefer, ſo übt daſſelbe dagegen in einem trockenen
Klima durch die capillare Hebung des Waſſers bei tiefgründigem Boden einen ſehr
günſtigen Einfluß auf die Vegetation aus.

Ueber die Bewegung des Waſſers im Boden und der damit verbundenen Aenderung
der Bodenfeuchtigkeit in den verſchiedenen Monaten des Jahres geben die Beobachtungen
von E. Risler in Calèves bei Nyon 1) intereſſanten Aufſchluß. Dieſelben beziehen ſich auf
ein ſehr günſtig gelegenes Grundſtück von 12,300 □Meter. Direkt beobachtet wurde die
Niederſchlagsmenge, welche auf das genannte Grundſtück fiel, die Abgabe an Waſſer durch
Verſickern in den Untergrund (geſammelt als Ausfluß aus den Drainröhren) und die
Aenderung der Bodenfeuchtigkeit, um die Abgabe durch die Verdunſtung berechnen zu können.
Die Reſultate für das Jahr 1869 ſind nachſtehend zuſammengeſtellt:

[Tabelle]

Wie viel Waſſer zur Unterhaltung einer kräftigen Vegetation im Boden ent-
halten ſein muß wird ſich nach der Beſchaffenheit des Bodens, dem Waſſerbedürfniſſe
der Pflanzenart und dem Waſſerbedürfniſſe in den verſchiedenen Entwickelungsſtadien
der Pflanze richten. Im Allgemeinen benöthiget die keimende Pflanze am meiſten
Waſſer, die wachſende weniger, je geringer ihre Blattoberfläche, und am wenigſten
die reifende Pflanze. Manche Pflanzenart z. B. die Brunnenkreſſe (Nasturtium am-
phibium
) wächſt im Waſſer, während andere nur auf trockenem Sand- und Geröllboden
fortkommen. Bei unſern Cerealien erfordert nach der reſervirten Angabe von Dr. Hell-
riegel 2) die Produktion von 1 Kilogr. lufttrockener Gerſtenkörner (die Bodenverdunſtung
eingeſchloſſen) bis zur vollen Ernte 350 Kilogr. Waſſer oder 131.7 Mm. Regenhöhe.

1) Aus einer Abhandlung von H. Marié Davy, Annuaire météorologique pour 1873,
pag.
249—307, mitgetheilt in der Zeitſchrift der öſterr. Geſellſchaft für Meteorologie.
Wien 1874, S. 146.
2) Landwirthſchaftliches Centralblatt. 1871. 2., S. 194.
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[61/0079] Die natürliche Lage. Das Waſſer, welches durch die atmoſphäriſchen Niederſchläge und den Than in den Boden gelangt wird entweder capillar feſtgehalten oder es erfüllt alle Boden- zwiſchenräume als ſtauendes Waſſer. In letzterm Falle wird das Waſſer durch die Verhinderung der Durchlüftung des Bodens und durch die Verdunſtungskälte nach- theilig für das Wachsthum der meiſten Pflanzen. Liegt der Waſſerſpiegel des ſtauenden oder fließenden Grundwaſſers tiefer, ſo übt daſſelbe dagegen in einem trockenen Klima durch die capillare Hebung des Waſſers bei tiefgründigem Boden einen ſehr günſtigen Einfluß auf die Vegetation aus. Ueber die Bewegung des Waſſers im Boden und der damit verbundenen Aenderung der Bodenfeuchtigkeit in den verſchiedenen Monaten des Jahres geben die Beobachtungen von E. Risler in Calèves bei Nyon 1) intereſſanten Aufſchluß. Dieſelben beziehen ſich auf ein ſehr günſtig gelegenes Grundſtück von 12,300 □Meter. Direkt beobachtet wurde die Niederſchlagsmenge, welche auf das genannte Grundſtück fiel, die Abgabe an Waſſer durch Verſickern in den Untergrund (geſammelt als Ausfluß aus den Drainröhren) und die Aenderung der Bodenfeuchtigkeit, um die Abgabe durch die Verdunſtung berechnen zu können. Die Reſultate für das Jahr 1869 ſind nachſtehend zuſammengeſtellt: Wie viel Waſſer zur Unterhaltung einer kräftigen Vegetation im Boden ent- halten ſein muß wird ſich nach der Beſchaffenheit des Bodens, dem Waſſerbedürfniſſe der Pflanzenart und dem Waſſerbedürfniſſe in den verſchiedenen Entwickelungsſtadien der Pflanze richten. Im Allgemeinen benöthiget die keimende Pflanze am meiſten Waſſer, die wachſende weniger, je geringer ihre Blattoberfläche, und am wenigſten die reifende Pflanze. Manche Pflanzenart z. B. die Brunnenkreſſe (Nasturtium am- phibium) wächſt im Waſſer, während andere nur auf trockenem Sand- und Geröllboden fortkommen. Bei unſern Cerealien erfordert nach der reſervirten Angabe von Dr. Hell- riegel 2) die Produktion von 1 Kilogr. lufttrockener Gerſtenkörner (die Bodenverdunſtung eingeſchloſſen) bis zur vollen Ernte 350 Kilogr. Waſſer oder 131.7 Mm. Regenhöhe. 1) Aus einer Abhandlung von H. Marié Davy, Annuaire météorologique pour 1873, pag. 249—307, mitgetheilt in der Zeitſchrift der öſterr. Geſellſchaft für Meteorologie. Wien 1874, S. 146. 2) Landwirthſchaftliches Centralblatt. 1871. 2., S. 194.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/79>, abgerufen am 18.04.2024.