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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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II. Abschnitt.

Eine zweite Art der Anforderung besteht in dem Begehren,
dass das Thier eine Handlung vollbringe. Beim Verweigern des
Gehorsams kann es der Anforderung entweder einen thätigen,
oder einen passiven Widerstand entgegensetzen. Die active
Widersetzlichkeit verlangt fürs erste das Zurück-
führen in die ursprüngliche Situation und aus der-
selben das Wiederholen der Anforderung
. Man will
z. B. das Pferd bewegen, dem Drucke des Gebisses auf die Lade
nachzugeben. Statt dessen aber dehnt es mit den Muskeln des
Kiefers gegen das Gebiss. Dieser activen Widersetzlichkeit stellt
der Dressirende einen Druck auf die Lade entgegen, der sich um
so viel steigert, als der Grad der Muskeldehnung nöthig macht,
die Hand in ihrer ursprünglichen Stellung zu lassen. Mit dem
Nachlassen von Seiten des Pferdes lässt auch die Hand nach, bis
die Muskeldehnung überwunden, und die ursprüngliche Situation
wieder erreicht ist. Nun beginnt der auffordernde Anzug von
Neuem, welcher wahrscheinlieh ein neues Dehnen nach anderer
Richtung zur Folge haben wird, das in gleicher Art zu überwinden
ist. Vielleicht erst wenn das Thier alle Richtungen durchprobirt
hat und in keiner ein Entkommen gefunden, wird es sich geneigt
zeigen, der Anforderung zu genügen und muss dann Ruhe und
Lob, Belohnung für seinen Gehorsam finden, und so die Erfahrung
machen, dass Gehorsam ihm weniger Unbequemlichkeit und Schmerz
bringt, als Widerstreben.

Schlimmer ist es, wenn das Thier einen passiven
Widerstand der Aufforderng zur Thätigkeit entge-
gensetzt
. Dies macht eine Activität von Seiten des Dres-
sirenden nöthig, wobei derselbe sich zuerst die Frage zu stellen
hat, ob das Thier die Aufforderung versteht und zu leisten vermag.
Ist beides der Fall, so ist eine Opposition vorhanden, welche
besiegt werden muss. Diese zu überwinden, stellt der Mensch
dem Thiere die Wahl, entweder seinem Willen zu gehor-
chen oder etwas zu erdulden, welches ihm grössere
Unbequemlichkeit bringt, als die, welche mit der Aus-
führung des Willens verbunden ist
. Dieser ihm angedrohte
Gegenschmerz ist die Strafe. Je allmäliger in der Dressur
die Steigerung der Anforderungen gestellt wird, um so geringer
werden dem Thiere die Unbequemlichkeiten erscheinen, welche ihre

II. Abschnitt.

Eine zweite Art der Anforderung besteht in dem Begehren,
dass das Thier eine Handlung vollbringe. Beim Verweigern des
Gehorsams kann es der Anforderung entweder einen thätigen,
oder einen passiven Widerstand entgegensetzen. Die active
Widersetzlichkeit verlangt fürs erste das Zurück-
führen in die ursprüngliche Situation und aus der-
selben das Wiederholen der Anforderung
. Man will
z. B. das Pferd bewegen, dem Drucke des Gebisses auf die Lade
nachzugeben. Statt dessen aber dehnt es mit den Muskeln des
Kiefers gegen das Gebiss. Dieser activen Widersetzlichkeit stellt
der Dressirende einen Druck auf die Lade entgegen, der sich um
so viel steigert, als der Grad der Muskeldehnung nöthig macht,
die Hand in ihrer ursprünglichen Stellung zu lassen. Mit dem
Nachlassen von Seiten des Pferdes lässt auch die Hand nach, bis
die Muskeldehnung überwunden, und die ursprüngliche Situation
wieder erreicht ist. Nun beginnt der auffordernde Anzug von
Neuem, welcher wahrscheinlieh ein neues Dehnen nach anderer
Richtung zur Folge haben wird, das in gleicher Art zu überwinden
ist. Vielleicht erst wenn das Thier alle Richtungen durchprobirt
hat und in keiner ein Entkommen gefunden, wird es sich geneigt
zeigen, der Anforderung zu genügen und muss dann Ruhe und
Lob, Belohnung für seinen Gehorsam finden, und so die Erfahrung
machen, dass Gehorsam ihm weniger Unbequemlichkeit und Schmerz
bringt, als Widerstreben.

Schlimmer ist es, wenn das Thier einen passiven
Widerstand der Aufforderng zur Thätigkeit entge-
gensetzt
. Dies macht eine Activität von Seiten des Dres-
sirenden nöthig, wobei derselbe sich zuerst die Frage zu stellen
hat, ob das Thier die Aufforderung versteht und zu leisten vermag.
Ist beides der Fall, so ist eine Opposition vorhanden, welche
besiegt werden muss. Diese zu überwinden, stellt der Mensch
dem Thiere die Wahl, entweder seinem Willen zu gehor-
chen oder etwas zu erdulden, welches ihm grössere
Unbequemlichkeit bringt, als die, welche mit der Aus-
führung des Willens verbunden ist
. Dieser ihm angedrohte
Gegenschmerz ist die Strafe. Je allmäliger in der Dressur
die Steigerung der Anforderungen gestellt wird, um so geringer
werden dem Thiere die Unbequemlichkeiten erscheinen, welche ihre

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[78/0100] II. Abschnitt. Eine zweite Art der Anforderung besteht in dem Begehren, dass das Thier eine Handlung vollbringe. Beim Verweigern des Gehorsams kann es der Anforderung entweder einen thätigen, oder einen passiven Widerstand entgegensetzen. Die active Widersetzlichkeit verlangt fürs erste das Zurück- führen in die ursprüngliche Situation und aus der- selben das Wiederholen der Anforderung. Man will z. B. das Pferd bewegen, dem Drucke des Gebisses auf die Lade nachzugeben. Statt dessen aber dehnt es mit den Muskeln des Kiefers gegen das Gebiss. Dieser activen Widersetzlichkeit stellt der Dressirende einen Druck auf die Lade entgegen, der sich um so viel steigert, als der Grad der Muskeldehnung nöthig macht, die Hand in ihrer ursprünglichen Stellung zu lassen. Mit dem Nachlassen von Seiten des Pferdes lässt auch die Hand nach, bis die Muskeldehnung überwunden, und die ursprüngliche Situation wieder erreicht ist. Nun beginnt der auffordernde Anzug von Neuem, welcher wahrscheinlieh ein neues Dehnen nach anderer Richtung zur Folge haben wird, das in gleicher Art zu überwinden ist. Vielleicht erst wenn das Thier alle Richtungen durchprobirt hat und in keiner ein Entkommen gefunden, wird es sich geneigt zeigen, der Anforderung zu genügen und muss dann Ruhe und Lob, Belohnung für seinen Gehorsam finden, und so die Erfahrung machen, dass Gehorsam ihm weniger Unbequemlichkeit und Schmerz bringt, als Widerstreben. Schlimmer ist es, wenn das Thier einen passiven Widerstand der Aufforderng zur Thätigkeit entge- gensetzt. Dies macht eine Activität von Seiten des Dres- sirenden nöthig, wobei derselbe sich zuerst die Frage zu stellen hat, ob das Thier die Aufforderung versteht und zu leisten vermag. Ist beides der Fall, so ist eine Opposition vorhanden, welche besiegt werden muss. Diese zu überwinden, stellt der Mensch dem Thiere die Wahl, entweder seinem Willen zu gehor- chen oder etwas zu erdulden, welches ihm grössere Unbequemlichkeit bringt, als die, welche mit der Aus- führung des Willens verbunden ist. Dieser ihm angedrohte Gegenschmerz ist die Strafe. Je allmäliger in der Dressur die Steigerung der Anforderungen gestellt wird, um so geringer werden dem Thiere die Unbequemlichkeiten erscheinen, welche ihre

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/100>, abgerufen am 29.03.2024.