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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Vom Gange der Dressur.
Hecken, Sumpf und Graben kriegt; der reiche Handelsherr
will auf stattlich paradirendem Rosse eine Stunde bequem die
ebenen Parkwege durchreiten; dem Infanterieoffizier ist die
Ruhe seines Pferdes bei Trommel und Schuss ein Haupterforder-
niss; der Cavallerieoffizier verlangt über Gangart und Tempo
auf das zuverlässigste verfügen zu können etc. Und doch ist der
Kaufmann, der am meisten mit seinem Pferde zu glänzen
wünscht, vielleicht ein eben so furchtsamer als schlechter Rei-
ter;
der Infanterieoffizier, welcher die meiste Abrichtung
verlangt, untergräbt den Gehorsam durch Ungeduld und Incon-
sequenz
der Hülfen; der Tempo verlangende Cavallerist hat
einen unruhigen Sitz und der Gutsbesitzer ist roh in sei-
nen Hülfen.

Eben so verschieden sind nun auch noch die Dressurob-
jekte
ihrem Gebäude, Temperament und ihrer Vorbil-
dung
nach und oft gerade dem Gebrauchszweck wenig angemessen.
Jener Gutsbesitzer übergibt dem Bereiter ein schwaches,
selbstgezogenes
Thier von Race und Temperament, das er
selbst angeritten und bereits halb stetig gemacht hat und
glaubt dasselbe bei den geringen Dressuranforderungen, die er
stellt, baldigst wieder bekommen zu können. Der Banquier hat
ein mächtiges englisches Thier vom Prinzen X. gekauft, das zur
Jagd vorbereitet ward, und glaubt es binnen 3 Monat völlig für
seinen Gebrauch umgeschaffen, obschon er besonders einen recht
weichen, kurzen Paradegalopp verlangt. Der Herr Major
bringt vielleicht ein völlig rohes Thier von der Weide, das vor-
läufig auf Auge und Ohr gleich furchtsam ist. Der Caval-
lerist
einen Hitzteufel mit wackeligem Halse. Wenn nun der
Bereiter in solchen schlagenden Fällen auch von Hause aus wenig
Aussicht auf Realisirung der sanguinischen Hoffnungen seiner
Klienten hat, so wird auch bei weniger in's Auge springenden
Uebelständen die Körperbeschaffenheit in vielen Fällen die Dressur
oft höchst unerwartet schwer und zeitraubend machen. Alle Ab-
weichungen von der Regelmässigkeit
werden Verände-
rungen in der natürlichen Haltung
nöthig machen; diese
aber Anspannungen und Abspannung von Muskeln, die mit solcher
Consequenz der Zeit nach durchgesetzt werden müssen, dass sie
eine neue künstliche Haltung zur Gewohnheit machen. Dem Pferde

Vom Gange der Dressur.
Hecken, Sumpf und Graben kriegt; der reiche Handelsherr
will auf stattlich paradirendem Rosse eine Stunde bequem die
ebenen Parkwege durchreiten; dem Infanterieoffizier ist die
Ruhe seines Pferdes bei Trommel und Schuss ein Haupterforder-
niss; der Cavallerieoffizier verlangt über Gangart und Tempo
auf das zuverlässigste verfügen zu können etc. Und doch ist der
Kaufmann, der am meisten mit seinem Pferde zu glänzen
wünscht, vielleicht ein eben so furchtsamer als schlechter Rei-
ter;
der Infanterieoffizier, welcher die meiste Abrichtung
verlangt, untergräbt den Gehorsam durch Ungeduld und Incon-
sequenz
der Hülfen; der Tempo verlangende Cavallerist hat
einen unruhigen Sitz und der Gutsbesitzer ist roh in sei-
nen Hülfen.

Eben so verschieden sind nun auch noch die Dressurob-
jekte
ihrem Gebäude, Temperament und ihrer Vorbil-
dung
nach und oft gerade dem Gebrauchszweck wenig angemessen.
Jener Gutsbesitzer übergibt dem Bereiter ein schwaches,
selbstgezogenes
Thier von Race und Temperament, das er
selbst angeritten und bereits halb stetig gemacht hat und
glaubt dasselbe bei den geringen Dressuranforderungen, die er
stellt, baldigst wieder bekommen zu können. Der Banquier hat
ein mächtiges englisches Thier vom Prinzen X. gekauft, das zur
Jagd vorbereitet ward, und glaubt es binnen 3 Monat völlig für
seinen Gebrauch umgeschaffen, obschon er besonders einen recht
weichen, kurzen Paradegalopp verlangt. Der Herr Major
bringt vielleicht ein völlig rohes Thier von der Weide, das vor-
läufig auf Auge und Ohr gleich furchtsam ist. Der Caval-
lerist
einen Hitzteufel mit wackeligem Halse. Wenn nun der
Bereiter in solchen schlagenden Fällen auch von Hause aus wenig
Aussicht auf Realisirung der sanguinischen Hoffnungen seiner
Klienten hat, so wird auch bei weniger in’s Auge springenden
Uebelständen die Körperbeschaffenheit in vielen Fällen die Dressur
oft höchst unerwartet schwer und zeitraubend machen. Alle Ab-
weichungen von der Regelmässigkeit
werden Verände-
rungen in der natürlichen Haltung
nöthig machen; diese
aber Anspannungen und Abspannung von Muskeln, die mit solcher
Consequenz der Zeit nach durchgesetzt werden müssen, dass sie
eine neue künstliche Haltung zur Gewohnheit machen. Dem Pferde

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[164/0186] Vom Gange der Dressur. Hecken, Sumpf und Graben kriegt; der reiche Handelsherr will auf stattlich paradirendem Rosse eine Stunde bequem die ebenen Parkwege durchreiten; dem Infanterieoffizier ist die Ruhe seines Pferdes bei Trommel und Schuss ein Haupterforder- niss; der Cavallerieoffizier verlangt über Gangart und Tempo auf das zuverlässigste verfügen zu können etc. Und doch ist der Kaufmann, der am meisten mit seinem Pferde zu glänzen wünscht, vielleicht ein eben so furchtsamer als schlechter Rei- ter; der Infanterieoffizier, welcher die meiste Abrichtung verlangt, untergräbt den Gehorsam durch Ungeduld und Incon- sequenz der Hülfen; der Tempo verlangende Cavallerist hat einen unruhigen Sitz und der Gutsbesitzer ist roh in sei- nen Hülfen. Eben so verschieden sind nun auch noch die Dressurob- jekte ihrem Gebäude, Temperament und ihrer Vorbil- dung nach und oft gerade dem Gebrauchszweck wenig angemessen. Jener Gutsbesitzer übergibt dem Bereiter ein schwaches, selbstgezogenes Thier von Race und Temperament, das er selbst angeritten und bereits halb stetig gemacht hat und glaubt dasselbe bei den geringen Dressuranforderungen, die er stellt, baldigst wieder bekommen zu können. Der Banquier hat ein mächtiges englisches Thier vom Prinzen X. gekauft, das zur Jagd vorbereitet ward, und glaubt es binnen 3 Monat völlig für seinen Gebrauch umgeschaffen, obschon er besonders einen recht weichen, kurzen Paradegalopp verlangt. Der Herr Major bringt vielleicht ein völlig rohes Thier von der Weide, das vor- läufig auf Auge und Ohr gleich furchtsam ist. Der Caval- lerist einen Hitzteufel mit wackeligem Halse. Wenn nun der Bereiter in solchen schlagenden Fällen auch von Hause aus wenig Aussicht auf Realisirung der sanguinischen Hoffnungen seiner Klienten hat, so wird auch bei weniger in’s Auge springenden Uebelständen die Körperbeschaffenheit in vielen Fällen die Dressur oft höchst unerwartet schwer und zeitraubend machen. Alle Ab- weichungen von der Regelmässigkeit werden Verände- rungen in der natürlichen Haltung nöthig machen; diese aber Anspannungen und Abspannung von Muskeln, die mit solcher Consequenz der Zeit nach durchgesetzt werden müssen, dass sie eine neue künstliche Haltung zur Gewohnheit machen. Dem Pferde

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/186>, abgerufen am 25.04.2024.