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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Vom Gange der Dressur.
Gurte nicht zu fest angespannt sind. Das ruckweise Satteln,
wobei die Leute die ruckende Faust noch mit den Zähnen, welche
in die Sattelstrippen einbeissen, zu unterstützen suchen, muss na-
mentlich bei jungen Pferden gänzlich vermieden werden, weil da-
durch ein Aufblasen des Leibes, Krippenbeissen etc. dem Pferde
angewöhnt wird. Zu festes Anziehen der Gurte verleitet
die Thiere zum Rückenanspannen, Sichzusammenziehen und Bocken.
Man thut besser, wenn das Thier bereits gegangen, nachzu-
gurten. Selbst von denkenden Reitern wird auf die
Behandlung der Pferde im Stall noch immer zu wenig
Rücksicht genommen,
und man hält sich zu wenig im Stalle
auf, als dass man des vernunftgemässen Verfahrens der Diener-
schaft sicher wäre. Man sollte mindestens die ersten 4
Wochen nie ein rohes Pferd satteln und zur Bahn füh-
ren lassen, ohne selbst zugegen zu sein.
Was hilft uns
die rationellste Behandlung in der einen Dressurstunde, das sanf-
teste, schonenste Verfahren, wenn der Bursch im Stalle den Grund
zu Misstrauen, Aengstlichkeit und vielen schlimmen Gewöhnungen
legt, oder beim Führen vielleicht durch ein Paar Rucke mit dem
Zügel es für die ganze Dressurstunde im Voraus verdirbt.

Beim Dressiren eines einzelnen Pferdes wird man sich, um
dasselbe an das Satteltragen zu gewöhnen, mit Nutzen des
Laufenlassens an der Longe bedienen. Man bedarf dazu
eines Mannes, der die in den Kappzaum eingeschnallte Leine
führt, eines zweiten, der die Peitsche handhabt und zum Beginne
eines dritten, der das Thier führt. Die Trensenzügel wer-
den zum Beginne so lose in die Sattelkrampen eingeschlauft, dass
keine wesentliche Zusammenstellung des Halses erfolgt. Der aus-
wendige Zügel
muss indess so viel mehr anstehen, dass die
Neigung des Pferdekopfes nach innen, durch das Gewicht der
Leine auf der inwendigen Seite hervorgerufen, aufgehoben wird
und der Kopf völlig gerade aussteht. Die Kopfstellung nach ein-
wärts wird beim rohen Pferde ein Ausfallen der Kruppe hervor-
rufen, wodurch die Hinterfesseln leiden.

Es gibt viele Anfänger, welche ihr rohes Pferd in ein mög-
lichst günstiges Licht stellen möchten und es von Beginn so hoch
und fest aufsetzen, dass es einen schönen Zaum macht. Das arme
Thier wird den lebhaftesten Schmerz in den zusammengepressten

Vom Gange der Dressur.
Gurte nicht zu fest angespannt sind. Das ruckweise Satteln,
wobei die Leute die ruckende Faust noch mit den Zähnen, welche
in die Sattelstrippen einbeissen, zu unterstützen suchen, muss na-
mentlich bei jungen Pferden gänzlich vermieden werden, weil da-
durch ein Aufblasen des Leibes, Krippenbeissen etc. dem Pferde
angewöhnt wird. Zu festes Anziehen der Gurte verleitet
die Thiere zum Rückenanspannen, Sichzusammenziehen und Bocken.
Man thut besser, wenn das Thier bereits gegangen, nachzu-
gurten. Selbst von denkenden Reitern wird auf die
Behandlung der Pferde im Stall noch immer zu wenig
Rücksicht genommen,
und man hält sich zu wenig im Stalle
auf, als dass man des vernunftgemässen Verfahrens der Diener-
schaft sicher wäre. Man sollte mindestens die ersten 4
Wochen nie ein rohes Pferd satteln und zur Bahn füh-
ren lassen, ohne selbst zugegen zu sein.
Was hilft uns
die rationellste Behandlung in der einen Dressurstunde, das sanf-
teste, schonenste Verfahren, wenn der Bursch im Stalle den Grund
zu Misstrauen, Aengstlichkeit und vielen schlimmen Gewöhnungen
legt, oder beim Führen vielleicht durch ein Paar Rucke mit dem
Zügel es für die ganze Dressurstunde im Voraus verdirbt.

Beim Dressiren eines einzelnen Pferdes wird man sich, um
dasselbe an das Satteltragen zu gewöhnen, mit Nutzen des
Laufenlassens an der Longe bedienen. Man bedarf dazu
eines Mannes, der die in den Kappzaum eingeschnallte Leine
führt, eines zweiten, der die Peitsche handhabt und zum Beginne
eines dritten, der das Thier führt. Die Trensenzügel wer-
den zum Beginne so lose in die Sattelkrampen eingeschlauft, dass
keine wesentliche Zusammenstellung des Halses erfolgt. Der aus-
wendige Zügel
muss indess so viel mehr anstehen, dass die
Neigung des Pferdekopfes nach innen, durch das Gewicht der
Leine auf der inwendigen Seite hervorgerufen, aufgehoben wird
und der Kopf völlig gerade aussteht. Die Kopfstellung nach ein-
wärts wird beim rohen Pferde ein Ausfallen der Kruppe hervor-
rufen, wodurch die Hinterfesseln leiden.

Es gibt viele Anfänger, welche ihr rohes Pferd in ein mög-
lichst günstiges Licht stellen möchten und es von Beginn so hoch
und fest aufsetzen, dass es einen schönen Zaum macht. Das arme
Thier wird den lebhaftesten Schmerz in den zusammengepressten

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[166/0188] Vom Gange der Dressur. Gurte nicht zu fest angespannt sind. Das ruckweise Satteln, wobei die Leute die ruckende Faust noch mit den Zähnen, welche in die Sattelstrippen einbeissen, zu unterstützen suchen, muss na- mentlich bei jungen Pferden gänzlich vermieden werden, weil da- durch ein Aufblasen des Leibes, Krippenbeissen etc. dem Pferde angewöhnt wird. Zu festes Anziehen der Gurte verleitet die Thiere zum Rückenanspannen, Sichzusammenziehen und Bocken. Man thut besser, wenn das Thier bereits gegangen, nachzu- gurten. Selbst von denkenden Reitern wird auf die Behandlung der Pferde im Stall noch immer zu wenig Rücksicht genommen, und man hält sich zu wenig im Stalle auf, als dass man des vernunftgemässen Verfahrens der Diener- schaft sicher wäre. Man sollte mindestens die ersten 4 Wochen nie ein rohes Pferd satteln und zur Bahn füh- ren lassen, ohne selbst zugegen zu sein. Was hilft uns die rationellste Behandlung in der einen Dressurstunde, das sanf- teste, schonenste Verfahren, wenn der Bursch im Stalle den Grund zu Misstrauen, Aengstlichkeit und vielen schlimmen Gewöhnungen legt, oder beim Führen vielleicht durch ein Paar Rucke mit dem Zügel es für die ganze Dressurstunde im Voraus verdirbt. Beim Dressiren eines einzelnen Pferdes wird man sich, um dasselbe an das Satteltragen zu gewöhnen, mit Nutzen des Laufenlassens an der Longe bedienen. Man bedarf dazu eines Mannes, der die in den Kappzaum eingeschnallte Leine führt, eines zweiten, der die Peitsche handhabt und zum Beginne eines dritten, der das Thier führt. Die Trensenzügel wer- den zum Beginne so lose in die Sattelkrampen eingeschlauft, dass keine wesentliche Zusammenstellung des Halses erfolgt. Der aus- wendige Zügel muss indess so viel mehr anstehen, dass die Neigung des Pferdekopfes nach innen, durch das Gewicht der Leine auf der inwendigen Seite hervorgerufen, aufgehoben wird und der Kopf völlig gerade aussteht. Die Kopfstellung nach ein- wärts wird beim rohen Pferde ein Ausfallen der Kruppe hervor- rufen, wodurch die Hinterfesseln leiden. Es gibt viele Anfänger, welche ihr rohes Pferd in ein mög- lichst günstiges Licht stellen möchten und es von Beginn so hoch und fest aufsetzen, dass es einen schönen Zaum macht. Das arme Thier wird den lebhaftesten Schmerz in den zusammengepressten

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/188>, abgerufen am 29.03.2024.