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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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II. Abschnitt. 1. Periode.
den Arbeiten, welche unser erster Abschnitt umfasst, recht füglich
die Zeit vom October bis Mai hinbringen kann und dann noch
früh genug mit den ersten Graden der Halsarbeit beginnt. Richtig
geleitet, werden die Lectionen jenes ersten Abschnitts, ganz ohne
die Pferde anzugreifen, durchgeritten werden können. Dieses ist
aber, sobald es sich um Bearbeitung und Umgestaltung des Halses
handelt, nicht mit solcher Gewissheit vorherzusagen, zumal die
Cavallerie nicht lauter vollkommen durchgebildete Reiter
zu diesem Dienst verwenden kann. Es dürfte schwerlich das junge
Pferd mehr durch das mangelnde Gleichgewicht leiden,
wenn es täglich ein Stündchen jene Lectionen im Schritt und Trab
in der Bahn geht, als durch zu frühe Zusammenstellung,
wenn sie nicht von ganz geschickter Hand geschieht.

Ist das Pferd, bei dem ich mit der Beizäumung
begonnen habe,
fest in der neuen Haltung geworden, so gehe
man je nach Gestaltung des Halses zu einem zweiten Grade ver-
mehrter Beizäumung über,
oder arbeite den Hals aufwärts-
rückwärts,
richte ihn in der Beizäumung auf. Das erstere würde
bei solchen Thieren angemessen sein, deren untere Halswirbel schon
von Hause aus die gewünschte, annähernd senkrechte Richtung
hätten; das zweite bei solchen, welche jene natürliche Erhebung
des Halses vom Widerriss nicht haben, aber bei denen ohne vor-
herige Beizäumung ein falscher Bug der oberen Wirbel nach auf-
wärts-rückwärts, mithin ein Hirschhals zu befürchten wäre. Unser
erster Theil zeigt uns, was wir zu wünschen haben und was ver-
mieden werden muss. Bei der grossen Verschiedenheit der Hälse
wird es ohne die Kenntniss jener allgemeinen Grundsätze schwer
zu bestimmen sein, wann diese Zurücknahme in der beigezäumten
Stellung begonnen werden muss. Es kommt lediglich darauf an,
dass durch die Beizäumung die falsche Biegung rückwärts ver-
mieden werde. Bei je geringerer Beizäumung man das Geschäft
des Aufrichtens beginnen kann, um so vortheilhafter wird es sein,
weil die Aufrichtung um so mehr den Hals beengen muss, je stär-
ker die Beizäumung ist. Eine Aufrichtung mit hoher Nase wird
die Ohrendrüsen nur wenig ins Gedränge bringen, das Zurück-
führen des Halses mit beigenommener Nase aber bedeutend auf
sie einwirken und einen grossen Fortschritt in der Bearbeitung der
Ganasche voraussetzen. -- Es ist schon erwähnt worden, wie eine

II. Abschnitt. 1. Periode.
den Arbeiten, welche unser erster Abschnitt umfasst, recht füglich
die Zeit vom October bis Mai hinbringen kann und dann noch
früh genug mit den ersten Graden der Halsarbeit beginnt. Richtig
geleitet, werden die Lectionen jenes ersten Abschnitts, ganz ohne
die Pferde anzugreifen, durchgeritten werden können. Dieses ist
aber, sobald es sich um Bearbeitung und Umgestaltung des Halses
handelt, nicht mit solcher Gewissheit vorherzusagen, zumal die
Cavallerie nicht lauter vollkommen durchgebildete Reiter
zu diesem Dienst verwenden kann. Es dürfte schwerlich das junge
Pferd mehr durch das mangelnde Gleichgewicht leiden,
wenn es täglich ein Stündchen jene Lectionen im Schritt und Trab
in der Bahn geht, als durch zu frühe Zusammenstellung,
wenn sie nicht von ganz geschickter Hand geschieht.

Ist das Pferd, bei dem ich mit der Beizäumung
begonnen habe,
fest in der neuen Haltung geworden, so gehe
man je nach Gestaltung des Halses zu einem zweiten Grade ver-
mehrter Beizäumung über,
oder arbeite den Hals aufwärts-
rückwärts,
richte ihn in der Beizäumung auf. Das erstere würde
bei solchen Thieren angemessen sein, deren untere Halswirbel schon
von Hause aus die gewünschte, annähernd senkrechte Richtung
hätten; das zweite bei solchen, welche jene natürliche Erhebung
des Halses vom Widerriss nicht haben, aber bei denen ohne vor-
herige Beizäumung ein falscher Bug der oberen Wirbel nach auf-
wärts-rückwärts, mithin ein Hirschhals zu befürchten wäre. Unser
erster Theil zeigt uns, was wir zu wünschen haben und was ver-
mieden werden muss. Bei der grossen Verschiedenheit der Hälse
wird es ohne die Kenntniss jener allgemeinen Grundsätze schwer
zu bestimmen sein, wann diese Zurücknahme in der beigezäumten
Stellung begonnen werden muss. Es kommt lediglich darauf an,
dass durch die Beizäumung die falsche Biegung rückwärts ver-
mieden werde. Bei je geringerer Beizäumung man das Geschäft
des Aufrichtens beginnen kann, um so vortheilhafter wird es sein,
weil die Aufrichtung um so mehr den Hals beengen muss, je stär-
ker die Beizäumung ist. Eine Aufrichtung mit hoher Nase wird
die Ohrendrüsen nur wenig ins Gedränge bringen, das Zurück-
führen des Halses mit beigenommener Nase aber bedeutend auf
sie einwirken und einen grossen Fortschritt in der Bearbeitung der
Ganasche voraussetzen. — Es ist schon erwähnt worden, wie eine

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[203/0225] II. Abschnitt. 1. Periode. den Arbeiten, welche unser erster Abschnitt umfasst, recht füglich die Zeit vom October bis Mai hinbringen kann und dann noch früh genug mit den ersten Graden der Halsarbeit beginnt. Richtig geleitet, werden die Lectionen jenes ersten Abschnitts, ganz ohne die Pferde anzugreifen, durchgeritten werden können. Dieses ist aber, sobald es sich um Bearbeitung und Umgestaltung des Halses handelt, nicht mit solcher Gewissheit vorherzusagen, zumal die Cavallerie nicht lauter vollkommen durchgebildete Reiter zu diesem Dienst verwenden kann. Es dürfte schwerlich das junge Pferd mehr durch das mangelnde Gleichgewicht leiden, wenn es täglich ein Stündchen jene Lectionen im Schritt und Trab in der Bahn geht, als durch zu frühe Zusammenstellung, wenn sie nicht von ganz geschickter Hand geschieht. Ist das Pferd, bei dem ich mit der Beizäumung begonnen habe, fest in der neuen Haltung geworden, so gehe man je nach Gestaltung des Halses zu einem zweiten Grade ver- mehrter Beizäumung über, oder arbeite den Hals aufwärts- rückwärts, richte ihn in der Beizäumung auf. Das erstere würde bei solchen Thieren angemessen sein, deren untere Halswirbel schon von Hause aus die gewünschte, annähernd senkrechte Richtung hätten; das zweite bei solchen, welche jene natürliche Erhebung des Halses vom Widerriss nicht haben, aber bei denen ohne vor- herige Beizäumung ein falscher Bug der oberen Wirbel nach auf- wärts-rückwärts, mithin ein Hirschhals zu befürchten wäre. Unser erster Theil zeigt uns, was wir zu wünschen haben und was ver- mieden werden muss. Bei der grossen Verschiedenheit der Hälse wird es ohne die Kenntniss jener allgemeinen Grundsätze schwer zu bestimmen sein, wann diese Zurücknahme in der beigezäumten Stellung begonnen werden muss. Es kommt lediglich darauf an, dass durch die Beizäumung die falsche Biegung rückwärts ver- mieden werde. Bei je geringerer Beizäumung man das Geschäft des Aufrichtens beginnen kann, um so vortheilhafter wird es sein, weil die Aufrichtung um so mehr den Hals beengen muss, je stär- ker die Beizäumung ist. Eine Aufrichtung mit hoher Nase wird die Ohrendrüsen nur wenig ins Gedränge bringen, das Zurück- führen des Halses mit beigenommener Nase aber bedeutend auf sie einwirken und einen grossen Fortschritt in der Bearbeitung der Ganasche voraussetzen. — Es ist schon erwähnt worden, wie eine

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/225>, abgerufen am 25.04.2024.