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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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waren verpflichtet, es zu überspringen. Ein ähnliches erzählt man
von den Seydlitz'schen Kürassieren. Wenn unsere kurze Dienst-
zeit eine derartige Ausbildung des gemeinen Mannes auch keines-
wegs gestatten würde, so sollten die Offiziere doch sich diese Reit-
fertigkeit und Sicherheit aneignen und erhalten.

Man hat allerdings in neuerer Zeit wiederum einen höheren
Werth auf ein determinirtes Reiten vor der Front gelegt und mit
vollem Recht, nicht der Kunst wegen, die ist gering und oft bei
langsamen Gängen grösser, und nicht des hübschen Aussehens vor
dem Publikum wegen, das kömmt zuletzt, aber des Geistes
wegen, der in allem Aeusserlichen sich ausdrückt und abspiegelt,
von diesem aber wieder nach Innen wirkt. Sieht der Mann in
der Front, wie der Offizier mit Freudigkeit und Reiterlust daher
sprengt, so wird er einen anderen Begriff vom Geiste seiner Waffe
bekommen, als wenn er in seinen Vorgesetzten keine Spur von
Jugendlichkeit und Keckheit gewahrt.

Wohl hat auch die Rennbahn und die Jagd ausserordentlich
viel beigetragen, ein rasches, dreistes Reiten in Aufschwung zu
bringen. Es ist indess leider nur ein sehr kleiner Theil von Offi-
zieren, die, der Kostspieligkeit wegen, sich so weit daran betheiligen
könnten, dass ihnen ein wesentlicher Nutzen daraus erwüchse. Noch
mehr aber ist zu beklagen, wenn manche von ihnen diesen Zweig
der Reiterei mit solchem Eifer ergreifen, dass sie die ihres Standes
darüber vernachlässigen und einige diese Vorliebe bis zur Abge-
schmacktheit treiben. Ihnen ist jedes Thier, dass sich nicht für
die Rennbahn oder die Jagd eignet, ein Greuel, Dressur ein zeit-
raubendes Verderben der Renn- und Sprungfähigkeit des Thieres
und das Pferd, dessen sie sich vor der Front bedienen, der Tempo-
ochse, eine verachtete und vernachlässigte Kreatur. Die Unge-
rechtigkeit ist diesem Thiere gegenüber meist um so grösser, je
schwerer sie es ihm durch ihren Sitz und Führung machen, seinen
Berufspflichten vor der Front nachzukommen und sie vor dienst-
lichen Unannehmlichkeiten zu bewahren. Nur wenige finden in dieser
Jagdreiterei eine Erweiterung des Gebietes ihrer standesgemässen
Reitkunst in Richtung der Geschwindigkeit, wie sie die Erlernung
der Schulreiterei in Richtung der Gewandtheit ist, und sind nicht
geneigt, die Vortheile der Frische, Dreistigkeit und Gegenwart des
Geistes, welche sie giebt, der Campagne-Reiterei zuzuführen, son-

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waren verpflichtet, es zu überspringen. Ein ähnliches erzählt man
von den Seydlitz’schen Kürassieren. Wenn unsere kurze Dienst-
zeit eine derartige Ausbildung des gemeinen Mannes auch keines-
wegs gestatten würde, so sollten die Offiziere doch sich diese Reit-
fertigkeit und Sicherheit aneignen und erhalten.

Man hat allerdings in neuerer Zeit wiederum einen höheren
Werth auf ein determinirtes Reiten vor der Front gelegt und mit
vollem Recht, nicht der Kunst wegen, die ist gering und oft bei
langsamen Gängen grösser, und nicht des hübschen Aussehens vor
dem Publikum wegen, das kömmt zuletzt, aber des Geistes
wegen, der in allem Aeusserlichen sich ausdrückt und abspiegelt,
von diesem aber wieder nach Innen wirkt. Sieht der Mann in
der Front, wie der Offizier mit Freudigkeit und Reiterlust daher
sprengt, so wird er einen anderen Begriff vom Geiste seiner Waffe
bekommen, als wenn er in seinen Vorgesetzten keine Spur von
Jugendlichkeit und Keckheit gewahrt.

Wohl hat auch die Rennbahn und die Jagd ausserordentlich
viel beigetragen, ein rasches, dreistes Reiten in Aufschwung zu
bringen. Es ist indess leider nur ein sehr kleiner Theil von Offi-
zieren, die, der Kostspieligkeit wegen, sich so weit daran betheiligen
könnten, dass ihnen ein wesentlicher Nutzen daraus erwüchse. Noch
mehr aber ist zu beklagen, wenn manche von ihnen diesen Zweig
der Reiterei mit solchem Eifer ergreifen, dass sie die ihres Standes
darüber vernachlässigen und einige diese Vorliebe bis zur Abge-
schmacktheit treiben. Ihnen ist jedes Thier, dass sich nicht für
die Rennbahn oder die Jagd eignet, ein Greuel, Dressur ein zeit-
raubendes Verderben der Renn- und Sprungfähigkeit des Thieres
und das Pferd, dessen sie sich vor der Front bedienen, der Tempo-
ochse, eine verachtete und vernachlässigte Kreatur. Die Unge-
rechtigkeit ist diesem Thiere gegenüber meist um so grösser, je
schwerer sie es ihm durch ihren Sitz und Führung machen, seinen
Berufspflichten vor der Front nachzukommen und sie vor dienst-
lichen Unannehmlichkeiten zu bewahren. Nur wenige finden in dieser
Jagdreiterei eine Erweiterung des Gebietes ihrer standesgemässen
Reitkunst in Richtung der Geschwindigkeit, wie sie die Erlernung
der Schulreiterei in Richtung der Gewandtheit ist, und sind nicht
geneigt, die Vortheile der Frische, Dreistigkeit und Gegenwart des
Geistes, welche sie giebt, der Campagne-Reiterei zuzuführen, son-

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[267/0289] IV. Abschnitt. 5. Periode. waren verpflichtet, es zu überspringen. Ein ähnliches erzählt man von den Seydlitz’schen Kürassieren. Wenn unsere kurze Dienst- zeit eine derartige Ausbildung des gemeinen Mannes auch keines- wegs gestatten würde, so sollten die Offiziere doch sich diese Reit- fertigkeit und Sicherheit aneignen und erhalten. Man hat allerdings in neuerer Zeit wiederum einen höheren Werth auf ein determinirtes Reiten vor der Front gelegt und mit vollem Recht, nicht der Kunst wegen, die ist gering und oft bei langsamen Gängen grösser, und nicht des hübschen Aussehens vor dem Publikum wegen, das kömmt zuletzt, aber des Geistes wegen, der in allem Aeusserlichen sich ausdrückt und abspiegelt, von diesem aber wieder nach Innen wirkt. Sieht der Mann in der Front, wie der Offizier mit Freudigkeit und Reiterlust daher sprengt, so wird er einen anderen Begriff vom Geiste seiner Waffe bekommen, als wenn er in seinen Vorgesetzten keine Spur von Jugendlichkeit und Keckheit gewahrt. Wohl hat auch die Rennbahn und die Jagd ausserordentlich viel beigetragen, ein rasches, dreistes Reiten in Aufschwung zu bringen. Es ist indess leider nur ein sehr kleiner Theil von Offi- zieren, die, der Kostspieligkeit wegen, sich so weit daran betheiligen könnten, dass ihnen ein wesentlicher Nutzen daraus erwüchse. Noch mehr aber ist zu beklagen, wenn manche von ihnen diesen Zweig der Reiterei mit solchem Eifer ergreifen, dass sie die ihres Standes darüber vernachlässigen und einige diese Vorliebe bis zur Abge- schmacktheit treiben. Ihnen ist jedes Thier, dass sich nicht für die Rennbahn oder die Jagd eignet, ein Greuel, Dressur ein zeit- raubendes Verderben der Renn- und Sprungfähigkeit des Thieres und das Pferd, dessen sie sich vor der Front bedienen, der Tempo- ochse, eine verachtete und vernachlässigte Kreatur. Die Unge- rechtigkeit ist diesem Thiere gegenüber meist um so grösser, je schwerer sie es ihm durch ihren Sitz und Führung machen, seinen Berufspflichten vor der Front nachzukommen und sie vor dienst- lichen Unannehmlichkeiten zu bewahren. Nur wenige finden in dieser Jagdreiterei eine Erweiterung des Gebietes ihrer standesgemässen Reitkunst in Richtung der Geschwindigkeit, wie sie die Erlernung der Schulreiterei in Richtung der Gewandtheit ist, und sind nicht geneigt, die Vortheile der Frische, Dreistigkeit und Gegenwart des Geistes, welche sie giebt, der Campagne-Reiterei zuzuführen, son-

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/289>, abgerufen am 28.03.2024.